Der Wendigo

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Die Sonne warf ihre letzten Strahlen auf die Landschaft. Alles Umgebende leuchtete hell im roten Abendlicht, und lies die Atmosphäre surreal wirken. Schwarz erhoben sich knorrige Kiefern gegen das helle Licht. Weit entfernt stieg fügelschlagend ein Schwarm Vögel auf, und zog, immer wieder der Form der Gruppe ändernd, auf den Horizont zu. In den Kronen der Bäume rauschte der Wind. 

Am Fuße der Kiefern, weiter unten im dunklen Dickicht des Waldes plätscherte ein kleiner, klarer Black zwischen den moosüberwucherten Steinen zwischen den Bäumen hervor. Die Stämme bildeten an der Quelle eine Lichtung, das Licht brach zwischen den Nadelbäumen hindurch und viel in kleinen Sprenklen auf die zugewucherte Erde, ebenso wie auf ein grellorangenes Zelt. Vor der Plane stant ein Wasserkocher, der die abendlichen Geräsche mit seinem fröhlichen Gezischel bereicherte. Die beiden Männer, die dort ihr Lager aufgeschlagen hatten, kümmerten sich recht wenig um die Umgebung. Sie waren damit beschäftigt, einen kleinen Körper auszuweiden. Blut tropfte von den kräftigen Sprungbeinen des Tieres auf den Boden, und färbte das Moos darunter rot. Natürlich wussten sie von den Gefahren des Waldes, das man solche Spuren nicht hinterlässt. Oft genug wurden sie auf ihrem Weg von den abergläubischen Einheimischen vor den düsteren Kreaturen amerikanischer Legenden gewarnt, auf sie eingeredet sie sollen den Untiefen der Bäume um ihres Lebens Willen fernbleiben. Aber sie waren jung, und wie sie sich sagten, hatten sie auch vor fiktiven Ungeheuern den besten Schutz- tiefen Schlaf. Warum sollten sie schließlich einpaar zurückgebliebenen Leuten am Rande der Zivilisation glauben schenken. 

Als das Tier schließlich zerlegt war, und auf dem gerade entfachten Feuer brutzelte, war die Sonne schon untergegangen. Ungewöhnlich große Zikaden zirpten über ihnen in den Bäumen, das Geräusch vermischte sich mit den gedämpften Stimmen der beiden. Hin und wieder landete ein Insekt auf Schulter und Köpfen der beiden jungen Männer, bevor sie es zwischen zwei Bissen Fleisch wieder abschüttelten. Die Nacht war warm und schwül, die Luft Spannungsgeladen. Es würde später wahrscheinlich Gewittern.  Doch je älter die Nacht wurde, umso stiller begann es um sie herum zu werden. Der Bach begann zu verstummen, auch die Zikaden stellten ihr zirpen ein, saßen ganz still, rührten sich nicht. Auch die Gespräche der Männer fanden ein Ende, wachsam durch die plötzliche Abwesenheit von Geräuschen. Es war, als währe der ganze Umkreis in eine Starre gefallten. Die Bedrohlichkeit, die die dunklen Schatten auf einmal ausstrahlten, war überwältigend. 

Von der Atmosphäre verängstigt, beschlossen sie stillschweigend, schlafen gehen. Die Plane schloss sich hinter ihnen- es wurde wieder Still im Zelt, legten sich hin, und versuchten einyuschlafen. Je länger sie jedoch mit geöffneten Augen dalagen, wachsam auf jede Bewegung in der fast schon bedrohlich wirkenden Enge des Zeltes, desto unruhiger wurden sie. die Dunkelheit um sie herum schien allmählich an, wabernde, dicke Schlieren azunehmen. Ein untrüglicher Instinkt sagte ihnen, dass dieser Wald nicht der richtige Ort für sie war. 

Etwas war hier nicht so, wie es hätte sein sollen.

Plötzlich ertönte von außen des Zeltes ein zittriger Schrei, dann war es wieder still. Die Menschen schauderten. Das war kein Tier. Die Stille übernahm wieder, anspannender als je zuvor. Mehrere Minuten saßen die beiden Männer da, dann fasste einer Mut, nahm eine Taschenlampe, und und zurrte langsam, mit zitternden Fingern die Plane nach draußen auf. Durch die Öffnung war das Schwarz der Schatten zu sehen, sonst regte sich nichts. Einen Moment zögerte er, dann kroch er nach draußen, und verschwand aus dem Sichtfeld, als er weiter in die Dunkelheit trat, während der Lichtkegel unruhig hin und her schwang.

„Wer ist da?"

Als Antwort kam nichts als Stille. Noch einmal danach fragend, ging er um das Zelt herum, das Licht leuchtete durch den Stoff. Den andere junge Mann, hin und hergerissen zwischen seinem Freund und der Sicherheit des Zeltes, überlief ein Schaudern der Angst. Und er wartete, während das Licht allmählich verschwand.

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