Kapitel 1 -Der erste Sommertag

77 11 7
                                    





Keineswegs erwartete ich, dass dieser Tag anders werden würde, als die in der Vergangenheit. Es waren nur weitere 24 Stunden, 1420 Minuten die ich auf der Welt verbrachte, des Lebens nicht berechtigt. Alles war meine Schuld, nur durch mich waren zwei Menschen, meine Eltern, nicht mehr am Leben. Tag für Tag lebte ich mit dieser Schuld, gezwungen durch Schmerzen zu bereuen. Wissend, dass ich für ihren Tod verantwortlich war und nicht hätte überleben dürfen begann ich jeden neuen Tag seit dem Unfall, und heute auch meinen ersten Ferientag. Anders als wahrscheinlich jeder einzelne andere Schüler machten mir Ferien Angst. Es gab so viel mehr freie Zeit, in der man nicht abgelenkt war und in der die Erinnerung an diese Nacht in mir hochkommen könnten. Tatsächlich suchte ich in jedem neuen Schultag Ablenkung, von der Erinnerung, die sich vor gut einemhalben Jahr in mein Gedächnis brannte, von meinem Bruder und dem Schmerz, den er zumeist mit sich brachte und vor dem traurigen Blick meiner Großmutter, der jedes Mal, wenn er dem Meinen zu begegnen schien, aussagen wollte, dass es meine Schuld war. Nicht nur sie und ich glaubten, dass es meine Schuld war, auch mein Bruder Evan war dieser Ansicht wie momentan mein schmerzender Rücken und die roten Flecken und Wunden überall an meinem Körper, an Stellen, die normal niemand zu Gesicht bekam,bewiesen. Keine vier Stunden war es her seit mein Bruder das letzte Mal mein Zimmer betreten hatte und mir mit seinem Gürtel Wunden und Schmerz einbrachte. Offenbar betrunken und voller Wut, wie meistens. Fast schon regelmäßig besuchte er mich in meinem Zimmer und ich fürchtete mich, wann es das nächste Mal der Fall sein würde. Als ich mich schließlich wusch und später mein Gesicht im Spiegel anschaute, kam ich mir vor wie eine Fremde. Dieses Mädchen mit den goldblonden, langen Haaren, den ausdruckslosen hellgrauen Augen und dem zarten, unschuldigen Gesicht konnte doch nicht das Meine sein. Jedoch schüttelte ich nur leicht den Kopf und wandte mich von dem Spiegel ab. Eine Qual war es mein Shirt mit Ärmeln, die mir bis knapp zum Ellbogen reichten überzuziehen, denn ich konnte spüren wie während dieser Bewegung ein paar der Wunden wieder leicht aufrissen. Den Schmerz ignorierend stampfte ich in die Küche, um mir etwas zum Frühstück zu machen und zu hoffen, da ich dort keine Grandma vorfand, die mir Aufgaben für den ganzen Tag zu erledigen gab schließlich wollte ich meinen ersten Ferientag nicht mit putzen verbringen. Obwohl ich auch keine Freunde hatte, mit denen ich mich hätte treffen können, wie denn auch, wenn ich in der Schule, und auch Zuhause, nicht sprach, stattdessen wollte ich mich mit dem Buch „Die Beschenkte" an dem Strand in der Nähe unseres Hauses setzen und in meiner eigenen Welt versinken. Zu meinem Glück schien ich wirklich alleine im Haus gewesen zu sein und konnte problemlos an unser privates Strandstück gehen. Es war ein Ferientag wie jeder den ich aufgabenfrei verbracht hatte, wäre da nicht dieser Junge gewesen.



Die Sonne schien jeden Moment unterzugehen, ich musste wohl
den ganzen Tag am Strand verbracht haben, vertieft in mein Buch, als sich etwas
Schemenhaftes in meine Richtung bewegte. Nervöse stellte ich bei Näherkommen
der Gestalt, die sich als einen unverschämt gutaussehenden Mitschüler von mir
heraus stellte, dass die direkt in meine Richtung sah und ging. Ich blickte
zurück auf mein Buch in dem Versuch ihn nicht zu beachten, als ein simples
„Hey" von ihm erneut meinen Blick auf ihn lenkte. Unfähig wie immer, auch nur ein Wort gegenüber Fremden rauszubringen nickte ich nur. Ohne eine Einladung oder ähnliches setzte er
sich einfach neben mich und meinte: „Du verbringst also auch außerhalb der Schule viel Zeit alleine, hab ich Recht?" Wieder konnte ich nur nicken und spürte Hitze in
meinem Gesicht aufwallen. Wie so oft schämte ich mich dafür in den Nähe von
Menschen kaum ein Wort rauszubringen und deswegen auch kaum Kontakt mit den Menschen außerhalb meiner Familie hatte. „Das ist nicht
schlimm, weißt du?", behauptete er und seine Antwort überraschte mich: „Ich
habe gehört, was du durchmachen musstest, deine Großmutter kauft immer bei meiner Mutter im Laden ein und da bekommt man halt immer alles mit. Und ich wollte dir nur sagen, dass ich dich verstehen kann". Dass er mich verstehen kann, damit hatte ich absolut nicht gerechnet, noch nie hat jemand diese Wörter mir gegenüber benutzt, immer nur solche wie „Ach, es tut mir Leid" oder auch oft,, Das muss ja schlimm für dich gewesen sein, aber das ist doch kein Grund sich von allem abzuschotten ", doch nie hatte jemand versucht mich zu verstehen. Ein Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus und er musste es als
meine Art von Antwort verstanden haben, denn er erwiderte es und es war, als könne ich auch daraus eine Antwort lesen. „Danke", sogar ich war ganz erstaunt, dass dieses Wort, nur ein Wort, über meine Lippen gekommen ist. Meine Stimme
klingt rau, wie als wäre sie selten benutzt worden, was ja auch stimmte,
wenn man es so bedachte. Man konnte auch ihm Erstaunen im Gesicht ablesen und er schien erfreut davon, dass ich mit ihm geredet hatte, wobei, als reden
konnte man dies nicht bezeichnen. „Meine Mom hat erzählt, dass ihr hergezogen seid, weil ihr eure Eltern bei einem Unfall verloren habt und nun bei eurer Großmutter lebt, stimmt das?" Traurig nickte ich und flüsterte: „Ja und es war meine Schuld". Sein Blick zeigte Unverständnis, weswegen ich es ihm genauer erklärte: „Ich war es, ich habe das Auto gesteuert, als sie starben, sie hätten überleben dürfen, nicht ich". „Wie kommst du nur darauf? Jeder hat das Recht zu
leben und ich bin sicher, du wolltest nicht, dass dieser Unfall geschah, genau das ist es nämlich: Ein Unfall, du trägst keineswegs die Schuld dafür, bitte glaube mir!", war seine Antwort. So gerne ich das auch täte, ich konnte es nicht. Wo mich doch meine Großmutter und mein Bruder mich tagtäglich spüren ließen, dass sie mich für die Schuldige hielten. Stattdessen schüttelte ich stumm meinen Kopf und wendete meinen Blick von seinen wunderschönen, stechend grünen Augen ab. Darauf kam eine Stille zwischen uns auf, aber kein peinliches Schweigen, wo man sich gezwungen fühlte etwas zu sagen, um dieses zu unterbrechen, sondern Eine, die sich anfühlte als könne man sich auch ohne Worte unterhalten, eine Stille, die man nur mit wenigen Menschen zu teilen vermag. Als es langsam zu kalt für mein Sweatshirt und die Jeans wurde hatten wir nur noch ein paar Worte gewechselt und beschlossen uns auf den Weg nach Hause zu machen. tatsächlich begleitete er mich den ganzen restlichen Weg zurück bis hin zu unserem Gartentor. kein langer Weg, aber der Gedanke zählte. "Morgen an der selben Stelle zur selben Zeit. Sei da!", waren seine letzten Worte, die er mir leise ins Ohr flüsterte, bevor er mir einen schmetterlingszarten Kuss auf die Wange hauchte und in der Dunkelheit der Nacht abseits unseres Gartenlichts verschwand.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 10, 2016 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

The Snow Queen -Der Sommer indem ich lernte zu lebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt