Ich liebte es zu reisen. Es gab mir das Gefühl frei zu sein und einfach mal alles hinter sich zu lassen. Probleme, das langweilige wiederholen des vorherigen Tages und natürlich gab es mir die Chance vor meiner übergroßen Familie zu flüchten. Auch wenn ich sie alle gern hatte, aber manchmal konnten sie echt anstrengend werden. Meine Familie betrieb schon seit Generationen ein Café in Locronan, einem kleinen Dorf in Frankreich, das praktisch nur aus kleinen, grauen Häuschen bestand. Der Großteil meiner Verwandten lebten auch noch dort, wie zum Beispiel meine Großeltern oder meine Nichten und Neffen, da sich meine zwei meiner vier Geschwister beschlossen hatten in Locronan zu bleiben und einmal das Café zu erben. Und jetzt reiste ich doch tatsächlich nach London. Einer riesigen Millionenstadt. Ich hatte dort ein Ferienjob bei meiner Tante angenommen. Sie hatte ein Büchercafé in der Innenstadt, nicht weit von Covent Garden entfernt.
Mein Handy vibrierte und der Bildschirm leuchtete auf. Ein Bild von meinem Freund und mir wie wir uns Beide vor der untergehenden Sonne küssten. Seufzend entsperrte ich mein Handy. Ich vermisste ihn jetzt schon. Wie sollte ich bloß acht Wochen ohne ihn auskommen? Meine Mutter hatte mir geschrieben, ob ich auch bloß genug zu essen dabei hatte. Dabei hatte sie meinen kompletten Rucksack mit Reiseproviant vollgestopft, da meine Mutter der Ansicht war, dass es in England kein vernünftiges Essen gäbe. Ich hatte fast eine zweite Tasche mitnehmen für mein Handgepäck. Mir war langweilig, deswegen öffnete ich Snapchat um zu gucken ob mein Freund meine Nachricht schon geöffnet hatte. Dabei war es erst halb neun, also würde er sicher noch mindestens eine halbe Stunde schlafen, immerhin hatten wir uns heute morgen früh verabschiedet, damit ich mit dem Bus erstmal nach Quimper fahren konnte um da in den Zug zu steigen. Ich war jetzt schon seit zwei Jahren mit ihm zusammen. Er hatte mich gefragt, ob seine Freundinn sein wollte an einem sonnigen Nachmittag, als wir draußen Picknickten. Es war wirklich romantisch gewesen. Doch in letzter Zeit war es ein bischen komisch gewesen zwischen uns. Es schien als würde er sich überhaupt keine Mühe mehr geben.
"September" von Sparky Deathcap lies mich in meine Gedankenwelt abdriften. Ich lehnte den Kopf zurück und versuchte ein bisschen zu dösen.
Nach 4 Stunden schreiender Babys, einem aufdringlichen betrunkenen Mann und einem 2 Stündigen Telefonat mit meiner gesamten Familie, bereute ich es nicht doch geflogen zu sein. Mein Freund hatte sich in der ganzen Zeit nur zweimal gemeldet. Einmal wollte er wissen wo ich gerade war und einmal schickte er ein Bild von sich und all seinen Freunden, wie sie draußen in einem Pool badeten. Dann, endlich, durfte ich diesen Zug verlassen.
In Paris angekommen, hatte ich leider keine Zeit diese wunderschöne Stadt zu besichtigen, da ich mehrmals umsteigen musste. Ich schwor mir, dass ich, wenn ich in England angekommen wäre, erstmal baden und schlafen würde, bevor ich irgendwas anderes machen würde. Also hetzte ich von einem Bahnsteig zum anderen, bis ich endlich in den Zug nach London saß.
Alle Müdigkeit und Erschöpftheit war verschwunden und wurde stattdessen mit Aufgeregtheit und Vorfreude ersetzt. Und während durch meine Kopfhörer "Spaceman" von The Killers gespielt wurde, rollte der Zug in London ein.
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LONDON GIRL
RomanceEigentlich ist Paris ja die Stadt der Liebe. Aber vielleicht ist sie nicht die einzige