"Lilac! Lilac! Da bist du ja endlich. Ich habe dich ja so vermisst'', schrie meine Tante, die ein bischen an die Tante May der Tom Holland Spidermanfilme erinnerte, den ganzen Bahnhof zusammen. "Hallo, Tante Elodie. Ich freue mich auch dich zu sehen." Ich umarmte meine Tante, die mir gerade mal bis zu den Schultern reichte. "Schau dich an, mon chou. Du bist aber groß geworden. Und so hübsch!" Verlegen trat ich von einem Fuß auf den anderen. "Nun komm aber, du musst ja völlig fertig sein von der Reise. Und Hunger hast du bestimmt auch. Ich habe deiner Mutter gesagt sie soll dir mehr zu essen einpacken. Nein, Joscelin, hab ich gesagt, zehn Sandwiches sind bestimmt nicht genug für so eine lange Fahrt, aber sie wollte ja nicht hören! Immer dasselbe mit deiner Mutter..." Ich trottete meiner auf französisch vor sich her schimpfenden Tante hinterher und versuchte immer an den passenden Stellen zustimmend zu nicken. Das waren die zwei besten Dinge, die meine Familie konnte, kochen und reden. Und wehe jemand versuchte sie zu unterbrechen. Tante Elodie unterbrach ihren Redefluss gerade so lange, um ein Taxi zu rufen. Da wir in London waren, mussten wir nicht lange warten und es hielt eines für uns an. Der Fahrer, der mindestens so viel sprach wie meine Tante, half mir meine Sachen im Kofferraum zu verstauen und dann ging es auch schon los .
Die Stadt war so voll, dass man nur schleichend vorankam und man konnte selbst durch die Fensterscheiben des Taxis hören wie laut es in London war. Staunend starrte ich aus dem Fenster, während mir meine Tante jedes einzelne Gebäude erklärte an dem wir vorbei fuhren. London war wirklich voll. Ich fragte mich wie es wohl sein wird hier meine Sommerferien zu verbringen. Auf jeden Fall nicht langweilig. So viel war sicher.
Nach einer ganzen Stunde hatten wir uns endlich durch den dichten Verkehr gekämpft und waren am Haus meiner Tante angekommen. Ich stieg aus dem Taxi und stand direkt vor dem Büchercafé, dass Tante Elodie betrieb. Es hatte eine rote Holzverkleidung und der Tür hing ein altmodisch aussehendes Schild auf dem "Closed" stand. Um die Fensterrahmen rankten sich bunt blühende Blumen-Girlanden und von der Wohnung über dem Café schlängelten sich noch mehr Pflanzen von den schweren Blumenkübeln an den Fenstern herab. Das ganze Gebäude war recht hoch, wie die Nachbarhäuser auch, und aus rötlichem Backstein. An einem der Fenster hing die Union Jack und an dem daneben die französische Flagge.
Meine Tante schloss die Tür auf und der Taxifahrer half uns meine schweren Koffer ins Café zu tragen. Elodie bezahlte und bedankte sich bei ihm und ich folgte ihr in den hinteren Teil des Ladens. Hinter einer Vorratskammer voll sämtlicher Nahrungsmitteln, die man zum Backen braucht, führte ein schmale, mit Teppich überzogene Treppe nach oben. Wie zur Hölle sollten wir da die Koffer hochbekommen?
"Diese verdammten Briten mit ihren schmalen Treppen'', fluchte meine Tante ausgiebig auf französisch als wir irgendwie versuchten mein Gepäck nach oben zu tragen. Nach mehreren fast-Stürzen und wirklich kreativen Flüchen, die ich meiner Tante niemals zugetraut hätte, hatten wir es endlich geschafft und waren oben angekommen. "Komm, Lilac. Ich zeig dir dein Zimmer. Es ist nicht sehr groß, aber ich hoffe es gefällt dir trotzdem." Tante Elodie öffnete eine Tür, die knarzend aufschwang. Ich quetschte mich mit meinem Gepäck in den schmalen Raum und versuchte nicht mit den Koffern am Teppichboden hängen zu bleiben. In meinen Gedanken verfluchte ich nun auch die Briten und ihre winzigen Häusern. „So, ich werde dich jetzt mal in Ruhe auspacken lassen, mon chou. Ich bin unten im Cafè, falls was ist." Elodie schloss die Tür. Seufzend setzte mich auf das Bett. Es nahm den größten Teil des Raumes ein und war mit Kissen und Decken bedeckt. Auf dem winzigen Nachttisch daneben stand ein Teller mit Cookies. Grinsend nahm ich einen und dankte meiner Tante im Stillen, dass sie mich so gut kannte. Dann begann ich meine Sachen in die kleine Kommode vor dem Bett zu stopfen. Dabei musste ich teilweise in meinen Koffern stehen, da in dem Zimmer einfach nicht genug Platz war. Die Koffer zwängte ich mit all meiner Kraft unter das Bett, dann lies ich mich erschöpft auf den weichen Teppich auf dem Boden fallen. Das war eindeutig genug für heute. Als Belohnung von mir an mich gönnte ich mir noch einen Cookie. Und dann noch einen.
Es war schon spät und meine Tante und ich aßen schnell zu Abend und gingen dann ins Bett. Ich war schon fast eingeschlafen, da blinkte mein Handy auf. Grummelnd sah ich nach, wer es wagte mich von meinem wohl verdienten Schlaf abzuhalten. Als ich sah, dass Leon, mein Freund, mich angeschrieben hatte, war ich sofort hellwach. Er hatte den ganzen Tag kein Lebenszeichen von sich gegeben.
Hallo, mon petite boulotte
Mein kleines Pummelchen. Ich hasste es, wenn er mich so nannte. Das hatte ich ihm auch schon mehrmals gesagt, aber er meinte nur immer wieder, dass es nur ein Scherz wäre. Dabei hatte ich schon extra nur für ihn einige Kilo abgenommen, aber das schien ihn nicht zu interessieren. Oder er hatte es erst gar nicht bemerkt.
Hey, Schatz
Wie war deine Reise?
Es lief alles gut. Bei meiner Tante gab es erstmal Cookies 😍
Sehr gut. Aber achte auf deine Kilos, mon petite boulotte😘
Ich konnte es nicht fassen. Was sollte das denn jetzt bitte? Langsam wurde ich echt sauer.
Wie bitte?
War doch nur ein Scherz, ma chérie😂
Ich liebe dich doch❤️Ich lieb dich auch
Hab nicht zu viel Spaß ohne mich.
Ich vermisse dich jetzt schon. Gute Nacht❤️Gute Nacht, Schatz❤️
Seufzend schaltete ich mein Handy aus und drehte mich um. Ich lag noch eine Weile wach und dachte darüber nach, was Leon gesagt hatte. Es war nicht das erste mal gewesen, dass er so einen geschmacklosen Witz gemacht hatte. Aber dann erinnerte ich mich an die schönen Momente mit ihm, Eis essen in unserer Lieblingseisdiele, kuscheln auf dem Bett, nächtlich Spaziergänge. Ich liebte nächtliche Spaziergänge. Diese Witze waren eben ein Teil von ihm und ich war ja auch nicht unfehlbar. Trotzdem schlief ich nicht mit einem Lächeln ein.
Am nächsten Tag wurde ich ziemlich früh wach. Ich schlug die Augen auf und schaute auf mein Handy. Als ich merkte, dass es erst 6 Uhr morgens war, blieb ich noch kurz mit einem Seufzen liegen, um den Geräuschen Londons zuzuhören. Für die nächsten zwei Tage hatte meine Tante mir erlaubt London zu erkunden, bevor ich anfangen würde zu arbeiten. Ich hatte vor wie ein Touri durch die Stadt zu ziehen und Souvenirs zu shoppen. Das laute Schnarchen meiner Tante drang durch die Wand. Sie hatte das Zimmer neben mir. Das Café öffnete erst um 11 Uhr, worüber ich ganz froh war, also würde meine Tante wohl noch etwas länger schlafen. Leise schlich ich mich aus meinem Zimmer. So leise wie es mit einer Tür, die sich anhörte als wäre sie von einem Dämonen besessen, eben ging. Dann machte ich mir was zu essen und versuchte die Kaffeemaschine nicht kaputt zu machen, als ich meinen allmorgendlichen Kaffee machte, ohne den ich den Tag sonst nicht überleben würde.
Meiner Tante schrieb ich auf einen Zettel, dass ich wahrscheinlich nicht zum Mittagessen kommen würde, weil ich in der Stadt unterwegs sein würde. Schnell machte ich mich fertig und trat hinaus in das bunte Leben von London, nur um sofort von mehreren Personen angerempelt zu werden. Aber sie entschuldigten sich wenigstens.
Ich hatte keine Ahnung wo ich zuerst hingehen sollte, es gab hier einfach so viel. Deswegen stand ich erstmal etwas verloren herum, da Covent Garden aber nicht weit weg war, entschied ich mich erstmal dahin zugehen. Nachdem ich mich zweimal verlaufen hatte, landete ich irgendwie da wo ich hinwollte. Begeistert von den Straßenkünstlern blieb ich eine Weile stehen, um ihnen zuzusehen, dann betrat ich die große Halle. Als ich zwischen den Ständen durchschlenderte, sah ich ein Mädchen auf einem der Tische sitzen, tief in ihr Handy versunken. Sie hatte dunkle, braune Locken, die sie hochgesteckt hatte und über ihrem zu großen schwarzen T-Shirt hatte sie eine helle, braune Lederjacke an. Sie sah unglaublich attraktiv aus und es fühlte sich an, als ob eine Herde von Schmetterlingen in meinen Bauch den Cancan tanzten. Was war denn jetzt los? Ein bisschen verwirrt und ohne groß darüber nachzudenken ging ich auf das Mädchen zu.
„Hi"
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LONDON GIRL
RomanceEigentlich ist Paris ja die Stadt der Liebe. Aber vielleicht ist sie nicht die einzige