15 ◉ Tia ◉ Atemlos

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Luft!

Viel zu wenig Luft! Sie kratzt wie feinkörniger Sand durch meine Kehle. Mein Herz pocht gegen meine Rippen. Meine zittrigen Finger krampfen sich zusammen. Mein Hals ist zugeschnürt. Alles ist schwarz.

Ich ersticke. Ich kann nichts dagegen tun.

»Tia! Tia, sieh mich an.«

Die Stimme kommt von ganz weit her. Wirft ein vielfaches Echo in meinem Kopf.

»Tia, mach die Augen auf!«

Die Schwärze vor mir zieht mich magisch an. Doch sein Befehlston lässt mir keine andere Wahl. Ich muss tun, was er sagt. Widerwillig zwinge ich meine Lider nach oben. Stahlblaue Augen brennen sich in meine.

»Tia, hörst du mich?«

Hörst. Du. Mich.

Langsam, Wort für Wort, dringt die Bedeutung zu mir durch. Ich nicke. Die winzige Bewegung kostet Kraft. So viel Kraft. Mir wird schwindelig.

Luft! Ich brauche Luft. Röchelnd greife ich an meinen Hals.

Mit jedem japsenden Atemzug reiße ich die Augen ein Stückchen weiter auf. Ich kann nicht schreien. Kann mich nicht bewegen.

Ruckartig werde ich umgedreht. Mein Rücken wird dicht an einen harten Oberkörper gezogen. Hände legen sich auf meinen Bauch. Seine Brust hebt und senkt sich. Regelmäßig. Heben und Senken. Tiefe Atemzüge an meinem Rücken. Warme Arme um mich.

»Tia, du atmest jetzt mit mir. Hörst du das? Wir atmen zusammen. Tu, was ich sage.«

Wieder ein Befehl. Zwingend. Und ich gehorche.

»Atme, Tia. Ein ... und aus. Ein ... und aus. Atme mit mir.« Ich presse mich dichter an ihn. Konzentriere mich auf das Heben und Senken seiner Brust. Meine Augen fallen zu. Ich blende alles aus. Lasse mich vollkommen auf ihn ein. Auf seine Stimme. Seine Bewegungen. Nichts anderes ist mehr wichtig.

Ein ... und aus.

»Du machst das gut, Tia. Ein ... und aus.«

Seine Nähe und Kraft umhüllen mich beruhigend. Meine Brust bewegt sich im Einklang mit der von Wy. Allmählich öffnet sich die Blockade in meiner Luftröhre. Mit jedem Luftholen wird mein Atem tiefer. Der dringend nötige Sauerstoff kommt endlich in meinen Lungen an. Immer mehr davon. Die furchterregende Enge verschwindet aus meinem Hals und ich kann wieder durchatmen.

»Entspann dich, Tia. Es ist alles gut. Alles okay.« Mein Bewusstsein klammert sich an diese Worte, an seine ruhige Stimme und an seine regelmäßigen, langsamen Atemzüge, wie an einen Rettungsring.

Allmählich kehren meine Sinne zurück, und beim nächsten tiefen Einatmen durchströmt zusammen mit dem Sauerstoff auch sein Duft meine Nase. Ein angenehmes Prickeln breitet sich in mir aus, verdrängt dabei den letzten Rest von Panik aus meinem Körper. Mein Atem geht gleichmäßig, mein Herzschlag wird langsamer. Selbst die Angst vor dem roten Teppich und den vielen Menschen, die mich gerade noch vollkommen eingenommen und meine Kehle verstopft hat, erscheint nur noch wie eine ferne, beinahe schon vergessene Erinnerung.

Vielleicht ist es möglich, für immer so in seinen Armen zu liegen? Sie umschließen mich wie das Zuhause, das ich schon lange nicht mehr habe.

»Alles wieder okay?«, flüstert er rau an meinem Ohr. Sein Atem streift meinen Hals, richtet dabei die feinen Härchen in meinem Nacken auf. Die Wärme, die seine Nähe in mich ausströmt, wird mir mit einem Mal überdeutlich bewusst. Selbst der kalte Hauch der Klimaanlage kann sie nicht mehr kühlen.

»Du bist heiß«, hauche ich benommen. Als mir bewusst wird, was ich da gerade von mir gegeben habe, erhöht sich die Hitze in meinem Inneren nochmal um mehrere Grad.

Verflixter Rapper! ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt