Etwas war heute anders. Für gewöhnlich reichte es, dass die Soldaten die Waffen ergriffen - es war nicht einmal nötig, jene zu ziehen. Allein die Geste reichte für gewöhnlich aus, denn die Leute waren sich bewusst, dass sie den Wachen nichts entgegenzusetzen hatten. Andersherum stand es jedoch nicht in Guys Interesse, den Menschen tatsächlich Schaden zuzufügen - solange sie ihren Pflichten nachkamen und die Gesetze achteten, welche die Krone gab.
„Sheriff, zeigt doch ein Herz! Unser Sohn ist im Krieg gefallen, wir haben nur noch den kleinen Hof!", mischte sich auch die ältere Frau ein und blickte aus flehenden Augen zu dem Vertreter des Gesetzes.
Die Spannung in der Luft wurde noch deutlicher spürbar, als der jüngste Hughes, ein kleiner Junge namens Samuel, die Last des Leids seiner Familie nicht mehr ertragen konnte. Voller rechtschaffener Wut trat er hinter seiner Mutter hervor und seine Stimme zitterte vor Trotz. "Ihr könnt uns nicht alles nehmen!", rief er. „Wir haben nichts mehr! Das ist Diebstahl! Haut ab!", bellte der Knabe, der den Männern kaum bis an die Hüfte reichen mochte.
Einen Moment belächelte Guy den Jungen und empfand so etwas wie Respekt für seinen Mut. Er hätte ein großartiger Soldat werden können, wenn er mit dieser Leidenschaft für die richtige Sache kämpfte. Doch die Sympathie erstarb, als der Bursche plötzlich ein kleines Messer aus seinem Stiefel zog.
„Samuel!", erschrocken zog seine Mutter die Luft ein, als ihr Sohn die Klinge dem Sheriff entgegenstreckte.
„Leg das weg, Junge. Sofort", meinte Guy mit scharfem Tonfall. Mit einer schon fast abfälligen Mine griff sein Vater nach dem Heft seines Schwertes und Guy konnte die Furcht in den Augen des Burschen wachsen sehen,
Da schoss etwas durch die Luft und prallte mit Wucht gegen den Kopf des Sheriffs.
Er taumelte zurück und eine Sekunde beherrschte Fassungslosigkeit bei den Vertretern der Krone sowie unter dem Gesinde. Besonders in dem Gesicht des Sheriffs, zu dessen Füßen ein Stein zu Boden rollte. Die eisigen Augen starrten auf den kleinen, scharfkantigen Brocken, an dem sein Blut klebte. Feuchtigkeit tränkte seine Haut, lief über seine Stirn und seine Finger glitten unter das von Grau durchzogene schwarze Haar. Ungläubig blickte er auf seinen Handschuh, der vom Rot seines Blutes befleckt wurde!
„Lehnt euch auf!", rief ein Mann aus der Menge.
Damit explodierte das Pulverfass der Unzufriedenheit, das sich schon zu lange angesammelt hatte.
„Verschwindet!" Ein zweiter Stein flog, dann ein dritter, eine Frau warf aus Frust sogar ihren Korb auf einen der Soldaten und die Bauern griffen zu ihren Mistgabeln und Hacken. Die Menschen stürzten nach vorn, junge Mädchen schrien und flohen, als sich der Platz in ein Schlachtfeld verwandelte.
Der Sheriff kniff die Augen zusammen. Als er diesmal den Blick hob, brannte das Feuer des Zorns so heiß darin, dass man Klingen damit zu schmieden vermochte. Ein Aufstand! Er war bereit, mit aller Härte zurückzuschlagen. Er richtete sich auf und brüstete sich; das Kinn hoch erhoben, als erhob sich der Herrgott selbst über diese Szenerie.
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Die Königin von Pfeil & Bogen
Historyczne[WATTYS 2023-WINNER/Fesselndste Welt] ** Marian, stehlende Adelstochter mit großem Herzen trifft auf Robin Hood, verwegener Dieb mit gewaltigem Ego. Werden sie alten Schmerz, Vorurteile und schließlich den grausamen Sheriff von Nottingham überwinden...