I can never win with this body I live in.

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Ich bin so weiß wie ein Sattelrobbenbany.
Meine Unterarme sind dick verbunden und schwer wie Knüppel.
Auch mein Oberschenkel sind bandagiert; weiße Mullbinden spitzen unter den Shorts hervor,die Schwester  Ava aus der Fundkiste hinter der Schwesternstation gefischt hat.

Wie ein Waisenkind bin ich hergekommen,ohne jede Kleidung.
Wie ein Waisenkind bin ich in ein Bettlaken gewickelt  und auf dem mit Schneematsch bedeckten Rasen vor dem Regions Hospital abgelegt worden.
Blutblüten breiteten sich auf dem geblümten Laken aus.

Der Wachmann,der mich fand,war eine Duftwolke aus Mentholzigaretten und dem flachen Gestank von Automatenkaffe gehüllt.
In seinen Nasenlöchern wucherten weiße Kraushaarwälder.

,,Heilige Mutter Gottes,was haben sie denn mit dir gemacht?fragte er.

Meine Mutter kam nicht,um mich abzuholen.
Aber:Ich erinnere mich an die Sterne in jener Nacht.
Wie Salzkristalle funkelten sie am Himmel,als hätte jemand den Streuer auf einem sehr dunklen Stoff ausgekippt.

Das zählt für mich diese Zufallsschönheit.
Schließlich dachte ich,sie wäre das Letzte,was ich sehen würde,bevor ich auf dem kalten,nassen Grab sterbe.

Die Mädchen hier  versuchten mich zum Reden zu bringen.
Erzähle deine Geschichte,heißt es,Du darfst nicht verhehlen- du musst alles berichten.

Jeden Tag höre ich ihre Geschichten,in den Gruppenstunden,bei Mittagessen,bei der Kunsttherapie,beim Frühstück,beim Abendessen,egal.Immer sprudelt die Wörter aus ihnen heraus,schwarze Erinnerungen,denen sie nicht Einhalt gebieten können.
Ihre Geschichte fressen sie bei lebendigen Leib auf,drehen sie auf links.
Sie können einfach nicht aufhören zu reden.

Ich habe alle meine Wörter rausgeschnitten.Mein Herz war zu voll davon.

Mein Zimmer teilte ich mir mit Louisa.
Louisa.Louisa ist älter als ich und ihre Haare sind wie ein rot goldener,rauschender Ozean,der ihre den Rücken hinunterfließt.
Da sind so viele Haare,kein Flechtzopf,kein Dutt,kein Haargummi hält sie im Zaum.
Und sie riechen nach Erdbeeren.Louisa riecht besser als jedes andere Mädchen, das mir je begegnet ist.Ich könnte sie immerzu inhaliert.

An meinem ersten Abend hier,als sie ihre Bluse ausgezogen hat,um ihre Nachthemd anzulegen,in der Sekunde,bevor ihre Haare ihren Körper wie ein Schutzmantel einhüllten,da hab ich sie gesehen,alle,und hab scharf die Luft eingesogen.

,,Du brauchst keine Angst zu haben Kleines!"sagte Louisa schmunzelnd.

Ich hatte Angst.Ich hatte nur noch nie ein Mädchen mit so einer Haut wie meiner gesehen.

Jeder Augenblick der Tages ist fest verplant.
Wir stehen um sechs Uhr auf.Bis Viertel vor sieben trinken wir lauwarmen Kaffe oder verwässerten Saft. Wir haben haben dreißig Minuten, im Frischkäse auf Bagels aus Pappkartonteig zu schmieren,uns blasse Eier in den Mind zu schieben oder klumpige Haferbrei zu löffeln.

Ab Viertel nach sieben dürfen wir auf dem Zimmer sein und uns waschen.
Die Duschkabinen haben keine Türen und Schläuche,und woraus auch immer die Spiegel bestehen mögen,Glas ist es jedenfalls nicht.

Jedes Mal,wenn man sich die Zähne putzt oder die Haare könnt,sieht das eigene Gesicht ganz wolkig und verloren aus.
Wenn man sich die Beine rasieren will,geht das nur in Anwesenheit eine Krankenschwester oder Nonne,und da keiner sich das antun will,haben wir alle dichte behaarte Jungsbeine.

Um acht Uhr dreißig gehen die Gruppengespräche los,und da strömen die Geschichten raus,strömen die Tränen raus,manche Mädchen schreien und manche stöhnen,aber ich sitze nur da,sitze und sitze,und dieses grässliche älter Mädchen,Blue,die mit den kaputten Zähnen,sagt jeden Tag:Willst du heute nicht auch mal reden,Stumme Sue?
Ich würde heute gerne die Stumme Sue reden hören du nicht auch,Casper?

Casper sagt,sie soll's bleiben lassen.
Casper sagt,wir sollen atmen,uns in ein Akkordeon verwandelt, indem wir die Arme weit,weit zur Seite ausstrecken und dann an den Körper ranziehen,ran,ran und dann wieder raus,raus,raus und man fühlt sich dich gleich viel besser,wenn man richtig atmet,stimmt's?

Nach der Gruppe kommt Medikamentöse Therapie,dann Stillstunden,dann Mittagessen,dann Kunsttheraphie,dann Einzelgespräche,wo man mit seinem Arzt alleine dahockt und noch noch mehr heult.

Dann gibt's um fünf schon Abendessen,wo man noch mehr nicht-richtig-warmes Essen bekommt,und noch mehr Blue: Magst du Makkaroni mit Käse,Stumme Sue?
Wann kriegst du die Verbände abgenommen,Stumme Sue?

Und dann Abendunterhaltung folgt Telefonanruf und noch mehr Heulen.Und dann ist es neun Uhr abends,es gibt wieder Medikamente und dann Schlafenszeit.
Die Mädchen zischeln und tuscheln,dass ihnen der Stundenplan nicht passt,das Essen,die Gruppengespräche,die Medikamente,alles,Dich mir ist das egal.

Es gibt Essen und ein Bett,es ist warm,ich habe ein Dach überm Kopf,und ich bin in Sicherheit.
         ,,Ich heiße nicht Sue!"

Jen S. ist ein Strauch,wegen der kurzen,verästelten Narben,die ihr an den Arm und Bein hochranken.Sie trägt glänzende Sport-Shorts und ist größer als alle anderen hier,mit Ausnahme von Doc Doodley.

Sie dribbelt eine unsichtbaren Basketball den beigefarbenen Flur rauf und runter.
Sie wirft auf einen unsichtbaren Korb.

Francie ist ein Nadelkissen in Menschengestalt.
Sie sticht sich mit Stricknadeln, Stöcken, Reißzwecken in die Haut, mit allem was sie auftreibt kann.Sie hat zornige Augen,und sie spuckt auf den Fußboden.

Sasha ist ein dicker Wasserschlauch,aus dem die Tränen ohne Unterlass herausfließen,in der Gruppe,bei den Mahlzeiten,in ihrem Zimmer.
Als könnte sie nie austrocknen.
Sie ist eine stinknormale Ritzerin,blasserote Schnitte kreuzen sich auf ihren Unterarmen.Sie schneidet nie tief.

Isis dagegen verbrennt sich,punktet sich die Arme mit schorfigeren,runden Bandhügeln.In der Gruppe gab's ihre Geschichte zu hören,irgendwas mit einem Strick und ein paar Vettern und einem Kellner,aber ich habe meine Ohren verschlossen und meine innere Musik lauter gedreht.

Blue ist ein schicke Vögelchen, das in seiner Schmerzpfützr plantscht,sie hat von allen ein bisschen was:böser Vater,Meth-Zähne,Zigarettennarben,Klingenschnitte.

Linda/Katie/Cuddles trägt nur Oma-Kittelschürzen und stinkende Hauspuschen.
In ihr sind zu viele Leute,als dass man sie zählen oder auseinanderhalten könnte.Ihre Narben sind alle innerlich,bei ihren Bewohnern.
Keine Ahnung,warum sie bei uns ist,aber sie ist eben da.

Beim Abendessen schmiert sie sich Kartoffelpüree in Gesicht,und manchmal kotzt sie,einfach so,ohne Grund.
Selbst wenn's Is vollkommen still dasitzt,weiß man,dass in ihrem Inneren ganz ganz viel passiert,und dass das gar nicht gut ist.

Ich kenne Leute wie sie von draußen.Ich halte mich von ihr fern.

Manchmal kann ich an diesen Scheißort nicht atmen,meine Brust fühlt sich an,als wäre sie voller Sand.Ich versteh nicht,was hier geschieht.
Ich war zu lange da draußen,hab zu lange gefroren.
Ich war zu lange da draußen,hab zu lange gefroren.
Ich versteh die sauberen Laken nicht,die süßlich duftenden Überdecke,das Essen,das im Speisesaal vor mir steht,warm und voller Magie.

Ich gerate in Panik,zittere,würge und dann ist da Louisa,sie kommt mir in unserem Zimmer ganz nah,
wenn ich mich in die Ecke gekauert hab.

Ihr Atem riecht nach Teeminze.
Sie nimmt mein Gesicht in die Hände,und davon zickte ich zusammen.

,,Kleines"sagte sie,,hier bist du unter deinesgleichen."

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1191 Wörter
So das war das erste Kapitel.
Wenn ihr mehr Kapitel möchtet schreibt es bitte in die Kommentare,weil es viel Arbeit ist.
Danke fürs lesen! :)

Girl in Pieces(German)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt