Kapitel zwölf

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Juni 2022 - Berlin
Vincent

"Nala, ich hab in zwei Wochen ein Date!", aufgeregt sprang ich durch mein Wohnzimmer. Mein Hund bellte allerdings nur und sah mich etwas verwirrt an.

Aber einen menschlichen Freund, dem ich das erzählen konnte, hatte ich nicht mehr. Ich hatte ja nicht einmal mehr Aufträge im Studio gerade, außer von Capital Bra - und den schob ich jetzt schon ewig auf.

"Willst du Gassi gehen, Nala?", fragte ich sie und sie wedelte gleich aufgeregt mit dem Schwanz und bellte wieder, "Das müssen wir immerhin feiern."

Ich zog mir schnell etwas anständiges an und ging dann mit ihr raus. Ich nahm mir vor, noch eine Flasche Wein und Pizza zu kaufen und mir einen schönen Abend zu machen. Alleine. Wie auch sonst?

Nala und ich liefen in den Park, wo ich sie wieder frei laufen und mit den anderen Hunden spielen ließ.

Ich setzte schnell meine Sonnenbrille auf und setzte mich auf eine Parkbank, um etwas zu lesen.

Aber mein Handy ließ mir einfach keine Ruhe. Es vibrierte in einer Tour und ich hatte fast etwas Angst, es würde gleich abstürzen. Noch ein neues Handy konnte ich mir bestimmt nicht leisten - also eigentlich schon, aber ich war eben auch geizig.

Ich holte es heraus und nahm den Anruf an, ohne darauf zu schauen. "Stein?"

"Vincent, was macht mein Album. Das muss in einer Woche fertig sein!", hörte ich Capis Stimme. Ich seufzte leise. War ja klar, dass er sich gerade dann melden musste, wenn ich mal für ein paar Minuten meine Ruhe haben wollte.

"Ich arbeite daran", log ich und beobachtete meinen Hund, der in dem kleinen Bach planschte. Das Haus würde nachher also wieder nach nassem Hund riechen.

"Ehrlich? Ich hab dich schon ewig nicht mehr irgendwo gesehen. Auf Instagram bist du auch nicht mehr aktiv. Alter, kommst du überhaupt noch aus dem Haus?"

Mit meiner Reichweite sollte man eigentlich dort aktiv sein, da hatte er schon Recht. Mein Managment hatte mir auch schon die ein oder andere Ansage gegeben. Immerhin war mein Album gerade mal knapp einen Monat alt und eigentlich musste ich noch ordentlich die Werbetrommel rühren.

"Chille und arbeite die meiste Zeit zuhause. Nala braucht viel Aufmerksamkeit und...", fing ich an, aber er ließ mich mal wieder nicht aussprechen.

"Ey, du musst mal wieder mit uns rausgehen, bisschen feiern oder so. Hast du mal wieder nötig, du klingst schon so spießig. Richtig abgehoben, Alter. Hast du dir schon Gartenzwerge gekauft?"

Ich hatte es immer gehasst, mit ihm und seinen Kumpels rauszugehen, weil die auch immer genauso cool und arrogant tun mussten, wie ich. Und Spaß hatte ich auch nicht wirklich dabei.

Aber was hatte ich für eine Wahl? Ich hatte keine anderen Freunde. Max und Nico meldeten sich nicht bei mir und Dag hatte ich schon vor zehn Jahren verloren.

"Gut, wenn es sein muss", seufzte ich.

"Geil, wir holen dich in einer Stunde ab. Bis dann!", er legte auf und ich steckte mein Handy weg. Dann rief ich nach meiner Hündin und ging mit ihr nach Hause.

Dort gab ich ihr noch etwas zu Fressen und zu Trinken, dann zog ich meine besten Markenklamotten an, legte noch meine teure Uhr an und richtete meine Haare.

Etwas nervös spielte ich mit meinen Ringen. Ich war lange in keinem Club mehr gewesen, Max und Nico hatten da nicht so viel Lust darauf.

Und ich gab mich zwar anders, aber richtig der Typ dafür war ich eigentlich auch nicht.

Als es an der Tür klingelte, sah mich Nala bettelnd an - sie wollte nicht, dass ich ging.

"Bin bald zurück, Maus", ich umarmte meine Hündin und seufzte leise, "Schau mich nicht so an."

Sie bellte leise und sah mich weiterhin genauso an. Ich entschied mich dazu, es zu ignorieren und öffnete die Haustür. Sofort wurde ich von Capi und seinen Freunden begrüßt.

Ich zwang mich zu einem Lächeln und begrüßte sie. 

War es nicht irgendwie traurig, dass ich keine richtigen Freunde mehr hatte? Mit denen ich etwas unternehmen konnte?

Die Stimmung war zum Zerreißen gespannt. Ich gab mich arrogant, niemand wusste wahrscheinlich so recht, wie er mit mir umgehen sollte. Aber wer wusste das schon? Ich konnte mich selbst ja kaum ertragen.

Im Club angekommen, holte ich mir sofort einen überteuerten Cocktail. Ich hatte ja das Geld.

Er schmeckte nicht einmal sonderlich gut und es war mir zu laut und zu voll. Ich hasste alles daran.

Trotzdem holte ich mir noch einen Shot und einen Cocktail, trank beides aus und stolperte dann mit Capi auf die Tanzfläche. Tanzte schon leicht benebelt irgendwelche Männer an - das Date war gerade vergessen.

Es floss immer mehr Alkohol. Irgendwann hörte ich auf zu zählen. Spürte nur noch diesen Rausch.

Diese süßen Rausch.

Der Alkohol tat gut, endlich war mein Kopf nicht mehr so voll. Ich tanzte mit mehr oder weniger gut aussehenden Männern, knutschte sogar ab und zu rum, um die Männer dann wieder aus den Augen zu verlieren.

Die Nachrichten von Dagobert ignorierte ich - und merkte dabei nicht, dass ich mich eigentlich schon wieder wie ein Arschloch benahm. Und den Menschen, mit denen ich hier war, denen war das sowieso egal. Die kannten mich gar nicht wirklich.

Ich knutschte gerade wieder mit dem nächsten Typen. Der hatte so schöne, blaue Augen. Die sahen fast so aus, wie die von Dag.

Verschmitzt grinste er mich an und fuhr unter mein T-Shirt. Ich ließ ihn machen, war doch eh zu besoffen, um etwas anderes zu tun.

Mein Handy vibrierte in meiner Hosentasche - ich ignorierte es.

"Hast du Lust, mit zu mir zu kommen, Hübscher?", flüsterte ich dem Mann ins Ohr und fummelte an den Knöpfen seines Hemdes herum.

Er nickte und brummte lasziv, krallte sich dabei leicht in meine Schultern. Ich keuchte leise auf, durch den Alkohol wurde ich schnell hart.

Wieder bekam ich eine Nachricht, dieses Mal sah ich auf mein Handy und las die Nachrichten. Dagobert schrieb mir, wie sehr er sich auf unser Date freute, bis es irgendwann dazu überging, dass er fragte, warum ich ihm nicht mehr antwortete.

"Scheiße", brummte ich und steckte mein Handy, ohne zu antworten, wieder weg. Dann nahm ich das Handgelenk von dem Typ und stolperte aus dem Club, ohne den anderen Bescheid zu geben. Interessierte sie doch eh nicht.

Wir liefen an der Schlange von Menschen vorbei, die noch in den Club wollten. Ich war so betrunken, dass ich kaum noch richtig gerade ausgehen konnte - deswegen stolperte ich in diesen Typen, der in der Schlange stand, hinein.

"Man, kannst du nicht aufpassen? Idiot!"

Ich konnte nicht antworten, ich starrte ihn einfach nur an. Diese blauen Haare.

Ich wusste, dass er es nicht war, trotzdem wurde mir ganz schwindelig. Ich musste sofort an ihn denken. Diese Haare.

Warum hatte der Typ auch diese blauen Haare.

"Alter, was starrst du mich denn so an? Bist du gruselig", meckerte er mich an. Meine Begleitung zog ungeduldig an meiner Hand.

Ich konnte nicht wegsehen.

"Erik?", hauchte ich leise. Meine Hände fingen leicht an zu zittern.

Er sah mich eine Weile an. Was, wenn er es doch war?

Wahrscheinlich kam mir der Moment länger vor, als er eigentlich war - für mich fühlte es sich an wie Minuten, wahrscheinlich waren es nur Sekunden.

"Hä, nein, das bin ich nicht. Jetzt verpiss dich endlich!"

Ich löste mich aus meiner Starre und rannte mit dem Typen, den ich aufgerissen hatte, weg. Trotzdem konnte ich nicht aufhören darüber nachzudenken.

Selbst der mittelmäßige Sex, für den ich Dagobert stundenlang ignoriert hatte, konnte mich davon nicht ablenken.


Tindermatch - SDP FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt