𝟓 - 𝐒𝐜𝐡𝐰𝐞𝐢𝐠𝐞𝐧 𝐢𝐬𝐭 𝐆𝐨𝐥𝐝

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Also... versuche ich zukünftig, alles zu unterdrücken. Vermutlich geht es von alleine weg... oder nicht?

Die letzten Tage gingen sehr langsam um. Ich habe auch gar nicht viel unternommen - ich war natürlich in der Schule und dann wieder zuhause. Immer wieder musste ich mich daran erinnern, dass ich dieses komische Grummeln im Bauch vergessen möchte. Frau Schüller ist meine Lehrerin, mehr nicht. Ab und zu war es schwer, das im Kopf zu behalten. Ich habe mich ein- zweimal dabei erwischt, wie ich an meinen Traum denken musste und mir ausgemalt habe, dass Frau Schüller mir noch näher kommt, als nur meine Hand zu halten. Es war ein komisches Gefühl in mir drin... aber ehe ich mich damit auseinandersetzen konnte, sorgte ich für Ablenkung. Meist in Form von Netflix. Ich telefonierte auch mit Nora. Wir haben viel über Etienne gesprochen. In der Schule hat er sich nämlich gar nichts anmerken lassen, was mich verwirrt hat. Da habe ich dann hinterfragt, wie ernst er es mit mir meint. Nora denkt, er hätte nur Angst und sei unsicher - verständlich nach meiner Flucht. Und weil ich ihm die Angst und Unsicherheit nehmen will, werde ich in wenigen Minuten mit ihm sprechen, es ist nämlich gleich Schulschluss. Und da morgen Freitag ist und der Horrorabend bei mir wie geplant stattfinden soll, möchte ich das mit Etienne geklärt haben. Denn wer weiß, ob er sich nicht nochmal annähern möchte. Aber ich muss sagen, dass ich mich jetzt schon total schlecht fühle. Wenn er wirklich in mich verliebt ist, dann wird es ihn bestimmt nicht kalt lassen. Ich verschränke meine Arme ineinander und lehne mich nervös nach vorne. Ganz automatisch wippe ich mit meinen Beinen, um mich etwas zu beruhigen. Allerdings glaube ich, dass es meine Nervosität nur noch verschlimmert.

...

"Etienne? Wollen wir nochmal kurz qutaschen?" Er nickt und lächelt - wieder so schüchtern wie letztens. Dabei ist das gar nicht seine Art, er ist immer total selbstbewusst und offen. Als ich dann mein letztes Buch eingepackt habe, gehe ich mit ihm nach draußen in den Park nebenan. Er fragt mich, ob wir uns auf die Bank setzen wollen, die nur einige Meter entfernt ist. Ich möchte das aber nicht, also lehne ich dankend ab. "Ich denke, du weißt, worüber ich reden möchte.." Etienne steht da wie angewurzelt, seine Hände hat er in seinen Hosentaschen versteckt, sein Blick wandert immer wieder vom Boden in meine Augen und von dort wieder auf den Boden. "Bitte denk nicht, dass mir das hier leicht fällt. Ich will das eigentlich gar nicht, aber ich möchte ehrlich mit dir sein. Und du sollst ja auch wissen, woran du bist...", erkläre ich ihm. "Ich finde es total mutig, dass du diesen Schritt auf mich zugemacht hast. Und du bist mir auch sehr wichtig, du bedeutest mir sehr viel. Aber ich muss dir leider auch sagen...", ich atme nochmal tief ein, "... dass du für mich nur ein enger Freund bist. Ich weiß, dass das jetzt nicht schön für dich ist, aber ich hoffe trotzdem, dass wir es schaffen, weiterhin so gut befreundet zu sein." Auf einmal fängt er an zu lachen. Wie kann er in so einer Situation lachen? "Sorry, versteh mich nicht falsch, ich finde das hier nicht witzig oder so. Ich bin einfach nur froh, dass ich jetzt weiß, was Sache ist. Und natürlich möchte ich mit dir befreundet bleiben", grinst er. Und dann nimmt er mich in den Arm. So verweilen wir einige Sekunden, bis ich mich wieder aus seiner Umarmung löse. "Ich hoffe natürlich, dass dein Interesse nicht so groß ist, dass du jetzt immer mit Bauchschmerzen zu mir oder in die Schule kommst." Er schüttelt den Kopf: "Es wird erstmal nicht ganz einfach, aber ich kriege das hin. Danke, dass du so ehrlich warst. So verrenne ich mich nicht in irgendwas, das gar nicht da ist."

...

Heute ist Freitag. Das bedeutet, ich werde Frau Schüller wiedersehen. Ich sitze bereits auf meinem recht unbequemen Stuhl und höre Nora beim Quatschen mit Etienne zu. Dabei merke ich erst spät, dass ich die ganze Zeit nervös mit meinen Händen spiele, bis ich ein "Guten Morgen" höre. Der typische Duft meiner Klassenlehrerin macht mich noch nervöser, sodass ich mich erstmal kurz fangen muss. Vorne am Lehrerpult packt sie erstmal ganz in Ruhe ihre Sachen aus. Ich habe sie bisher noch nie gestresst erlebt. Es wirkt, als wäre sie die Ruhe selbst. Das macht ihr ganzes Wesen aus - ihre Bewegungen, ihr Sprechen und Auftreten; alles an ihr ist so beruhigend.. und fesselnd. Sie erklärt uns, was in Pädagogik mit ihr als Lehrerin auf uns zukommen wird. Natürlich beginnen wir erstmal mit den Grundlagen, der Definition und so weiter. Die ganzen 2 Stunden über versuche ich wirklich, konzentriert mitzumachen. Aber es war teilweise so schwer, dass ich Nora mindestens dreimal fragen musste, was gerade gesagt wurde. Ich bin unglaublich erleichtert, als Frau Schüller den Unterricht beendet hat. In meinem Körper spüre ich immer noch dieses leichte Kribbeln und Herzrasen. "Stephanie? Bleibst du bitte noch kurz hier. Ich möchte gerne mit dir sprechen, wenn das ok ist?", höre ich Frau Schüller auf einmal rufen. Mit überraschter und ängstlicher Tonlage antworte ich nur ein "Ähm.. Ja, ist ok." Nora und Etienne schauen mich mit identischem Gesichtsausdruck an. Gut, dass ich nicht die einzige Person bin, die verwirrt ist. "Wir kommen dann um 16:30 Uhr zu dir, ja? Erzähl uns dann unbedingt, was sie wollte!" Nachdem alle anderen gegangen sind, kommt Frau Schüller langsam auf mich zu und schließt die Tür, die direkt hinter mir noch offen steht. "Keine Sorge, du hast nichts Schlimmes angestellt.", beruhigt sie mich mit funkelnden Augen. Ihre Lippen formen sich zu einem herzerwärmenden Lächeln, das so viele Gefühle in mir auslöst, dass ich mich innerlich vor mir erschrecke. "Ich wollte nur mal fragen, was da letztens mit dir und Etienne los war. Du schienst dich unwohl zu fühlen und er erzählte mir nicht so viel...", erklärt sie mir sanft. "Ach, das mit Etienne.. Er hat mich um eine Verabredung gebeten und eigentlich wollte ich nein sagen. Das hat aber nur teilweise geklappt. Viel mehr gibt es da eigentlich gar nicht zu sagen.", schmunzel ich. Schulternzuckend fahre ich fort: "Ich habe das auch mit ihm geklärt. Er weiß jetzt, dass ich nicht möchte." Frau Schüller lächelt und nickt behutsam. Dann schielt sie auf meine unruhigen Händen. "Mir fällt einfach auf, dass du sehr nachdenklich bist. Ich kenne dich zwar noch gar nicht, aber es gibt nicht viele Schüler und Schülerinnnen, die so oft vertieft in ihren Gedanken sind. Ich habe mich gefragt, ob das an Etienne liegt. Ist er dir irgendwie zu nah gekommen?" Oh Gott. Sie merkt also, dass ich sehr nachdenklich war die letzten Tage. Ich weiß gar nicht, was ich jetzt sagen soll. Sie darf nicht wissen, dass meine Gedanken viel öfter bei ihr sind, als sie sein sollten. "Stephie?" "Also er hat meine Hand genommen und dachte halt, ich möchte das alles. Mehr war da aber nicht und das ist auch nicht der Grund für meine Gedanken." Ich versuche zu lächeln und versichere ihr, dass es nichts gibt, über das sie mit mir reden braucht. Das meine ich keinesfalls ablehnend, ich möchte sie eher beruhigen und mich natürlich vor weiteren merkwürdigen Gefühlen schützen. "Okay, du weißt aber, dass du mit uns Lehrern reden kannst, sollte mal etwas passieren, das dich belastet? Gerade wenn Mitschüler damit zutun haben." Ich nicke: "Joah.. Aber es ist echt nichts los bei mir. Etienne ist ein guter Mensch, machen Sie sich keine Sorgen." Sie redet noch einige Minuten gut auf mich ein, dass ich nicht zögern soll, Dinge anzusprechen - auch damit ich konzentrierter im Unterricht mitmachen kann. Ich bedanke mich zwar bei ihr, weiß tief im Inneren aber, dass ich niemals mit ihr über meine wahren Gedanken sprechen kann. Wir verabschieden uns voneinander und ich versuche, mich auf den Horrorabend zu freuen. Drei Stunden habe ich noch, bis Nora und Etienne bei mir klingeln werden. In der Zeit sorge ich dafür, dass viele kuschelige Decken auf dem Sofa bereitliegen und Snacks meinen Couchtisch decken....

Found you and lost myself (TxS) (GxG)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt