Er weiß es

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Keuchend schlug ich meine Augen auf und blickte an eine dunkle Zimmerdecke. Dann setzte der Schmerz ein und ein erneutes Keuchen verließ meine Lippen. Ich verzog mein Gesicht, als ich meinen pochenden Arm anhob und ihn betrachtete. Meine Hand war komplett verbunden, nur die Finger schauten noch heraus. Und auch meinen Ellenbogen zierte ein dünner Verband. Seufzend ließ ich den Arm wieder fallen und zischte auf. Das war eine dumme Idee. Den Schmerz ignorierend blickte ich mich etwas in dem Zimmer um. Unwillkürlich zuckte ich zusammen, als ich plötzlich Aiden auf einem Stuhl sitzen sah, die Augen geschlossen. Dann erkannte ich, dass ich mich in seinem Zimmer befand. In seinem Bett. „Aiden?“, flüsterte ich. Der Junge grummelte nur irgendwas. „Aiden“, sagte ich etwas lauter, aber auch das konnte ihn nicht wecken. „Aiden!“ „Ich bin wach!“, rief Aiden und sprang von seinem Stuhl. Sein Blick glitt zur Tür. Als er dort niemanden fand, fuhr er sich mit einer Hand über die Augen.

„Aiden?“ Sein Blick glitt zu mir. „Leonie!“ Sofort war er bei mir und setzte sich neben mich auf die Bettkannte. „Du kannst doch nicht einfach so ohnmächtig werden! Was glaubst du, was ich da gedacht habe? Ich dachte du bist tot!“ Ich spürte, wie meine Ohren warm wurden. „Oh. Tut mir leid.“ „War ja nicht deine Schuld. Mein Vater meint, es wäre der enorme Stress gewesen. Der Mondgöttin sei Dank bist du nämlich nur leicht verletzt.“ „Hab ich gemerkt“, erwiderte ich und schielte auf meine verbundene Hand. Eine kurze Stille entstand. „Ich bin froh, dass ihr noch rechtzeitig gekommen seid. Dass du noch rechtzeitig gekommen bist.“ „Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich es nicht geschafft hätte.“ „Ist der Rouge…“ „Ja, er ist tot. Wir haben seine Leiche in den Wald gebracht und dein Fahrrad und alle Einzelteile entfernt. Bestimmt ist er schon gefunden worden oder wird es bald.“ „Das ist gut.“ Wieder entstand eine kurze Stille.

Dann schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. „Mein Vater!“ Sofort wollte ich aus dem Bett springen. Dummerweise stützte ich mich dabei auch mit meinem verletzten Arm auf. Zischend drückte ich meine Hand an mich. Gleichzeitig sprang Aiden vom Bett auf und hob beruhigend seine Hände. „Beruhig dich, Leonie. Es ist alles gut.“ „Alles gut? Mein Vater hat keine Ahnung wo ich bin! Er macht sich bestimmt Sorgen. Ich…“ „Dein Vater ist hier“, unterbrach mich Aiden. „Was?“ Blinzelnd blickte ich ihm in die Augen. Aiden seufzte und senkte seine Hände wieder. „Mein Vater hat ihn hergeholt“, meinte er und setzte sich wieder neben mich aufs Bett. „Hergeholt. Hierher?“ „Ja. Wir haben uns zuerst überlegt, dass wir deinem Vater einfach erzählen, du würdest bei mir übernachten oder so. Aber da ist ja noch dein kaputtes Fahrrad und wir wussten auch nicht, wie lange du ohnmächtig sein würdest und dementsprechend deinem Vater keine Nachricht schreiben kannst. Also haben wir uns beraten und beschlossen, deinen Vater ebenfalls in unser Geheimnis mit einzuweihen.“ „Wie jetzt? Er weiß es?“ „Ja, alles. Meine Eltern haben es ihm erklärt. Er sitzt unten in der Küche.“ „Ich will zu ihm.“ Aiden nickte und stand wieder vom Bett auf.

Ich schwang meine Beine über die Bettkante. Als ich mich hinstellte, begannen meine Beine zu zittern. Sofort war Aiden an meiner Seite. Er nahm meine Hand und legte seinen Arm um meine Hüfte. Erneut wurden meine Ohren heiß, doch ich lehnte seine Hilfe nicht ab. Zusammen verließen wir sein Zimmer und stiegen die Stufen nach unten ins Erdgeschoss. Mein Vater saß an der hohen Theke in der Küche und hielt eine Tasse fest umklammert. Ihm gegenüber saßen Aidens Eltern, die ihren Blick sofort mir zuwandten. Ein leichtes Lächeln legte sich auf die Züge der beiden. Mein Vater drehte sich um. Prompt ließ er die Tasse los und sprang auf. „Leonie!“, schrie er schon fast und war mit zwei großen Schritten bei mir. Aiden jedoch ließ mich erst los, als mein Vater die Arme schon um mich geschlungen hatte. Ich legte meinen unverletzten Arm um meinen Vater und drückte mich fester in seine Umarmung, die eine Ewigkeit zu dauern schien. Erst dann war mein Vater bereit, sich wieder von mir zu lösen.

„Wie geht es dir?“, wollte er wissen und untersuchte dabei die Verbände an meinem Arm. „Es geht. Es tut nicht so stark weh.“ „Bin ich froh, dass dir nichts passiert ist. Da hatten wir ja wirklich Glück mit unseren Nachbarn.“ Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen bei dem humorvollen Ton meines Vaters. „Du weißt es also?“ „Ja. Ziemlich unglaublich, nicht? Vielleicht sollte ich in meinem nächsten Roman ja über Werwölfe schreiben.“ „Dann musst du deinen jetzigen aber erst einmal beenden“, lachte ich. Kurz war es still, bis mein Vater sich Aiden und seinen Eltern zuwandte. „Ich denke wir werden jetzt erst einmal nach Hause fahren.“ Jerold nickte. „Ihr beide seid hier jederzeit willkommen. Ihr kennt nun unser Geheimnis, also seid ihr nun auch ein Teil dieses Rudels.“ Mein Vater kicherte tatsächlich kurz. „Danke. Ich schlaf ne Nacht drüber und dann sag ich euch wie ich das finde“, sagte er, legte einen Arm um mich und führte mich in den Flur.

My Love, My Life, My Mate (Werwolf FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt