Brey lief so schnell er konnte. Nicht weil er von grahlschen Soldaten oder Wachen des Stützpunktes verfolgt wurde, nein. Es begann dunkel zu werden und er musste noch schnellstmöglich seine Beute abholen. Er dachte noch einmal über die Begegnung mit dem Komandanten nach. Er musste so schnell wie möglich verschwinden, bevor die grahlsche Elite ihn aufspüren würde. Nichts würde mehr so bleiben wie es war. Ein Leben auf der Flucht. Brey fluchte leise, wärend er den Baum erreichte. Wieso hatte er nur so ein Pech im Leben gehabt? Das hatte ihm grade noch gefehlt. Brey kletterte langsam den Baum hinauf, darauf bedacht nicht wieder auf einen verirrten Stützpunktbewohner zu treffen. Geschickt schwang Brey sich auf den Ast und griff in die kleine Mule im Baum. Zu seiner Erleichterung war das Säckchen noch da, welches er gleich darauf herauszog. Sorgfälltig öffnete er das kleine Bändchen, das das Säckchen zuhielt, und griff hinein. Er zog etwas kleines längliches hervor, was Brey beim genaueren Hinsehen als kleinen Ast identifizieren konnte. Ein stinknormaler Ast ... Dafür die ganzen Komplikationen. Brey hatte das Beutelchen dem Stammeshäuptling der Waldmenschen abgenommen. Wahrscheinlich diente es irgendwie für ihre primitiven religiösen Rituale. Wertlos. Brey warf den Ast hinter sich in die Büsche, während er den Baum wieder hinabstieg. Den Ast dem Stammeshäuptling wieder zurücktauschen zu wollen, wäre sinnlos gewesen. Eher hätten die Waldmenschen Brey getötet und damit den Ast verloren, als wären sie auf einen Handel eingegangen. Wahrscheinlich hätten sie nicht mal verstanden, was Brey von ihnen wollte. Er atmete noch einmal tief durch, bevor er wieder losrannte. Kreuz und quer durch den Wald, bis er in einer kleinen Schlucht gelangte, von dessen einer Seite ein reißender Wasserfall hinabschoß und in einen kleinen Bach endete. Brey sprang von Stein zu Stein über das Wasser, ohne auszurutschen. Er wusste welche Steine die richtigen waren. Auf der anderen Seite angelangt, konnte man es endlich erkennen. Eine kleine Holzhütte, die neben dem Wasserfall stand und von der anderen Seite des Baches nicht zu sehen war. Brey ging auf die Hütte zu und klopfte zweimal laut. Es dauerte einen Moment, doch schließlich wurde die Tür von innen geöffnet. Ein kleines achtjähriges Mädchen stand in der Hütte. Ihre Augen strahlten blau, und ihre schulterlangen Haare sahen genauso aus, wie Breys. Sie trug eine Art braunes Kleid. Als sie Brey erblickte, stürmte sie auf ihn zu und umarmte ihn. "Na Kleine?",begrüßte er sie erleichtert. "Wo warst du denn so lange?",fragte das Mädchen besorgt. "Du weißt doch, Cerla. Ich habe viele Geschäfte zu erledigen und weiß deshalb nie genau, wann ich nach Hause kommen kann. Immer schiebt sich etwas dazwischen ..." Die kleine Cerla unterbrach Brey: "Ja ja ... der Tag des Geschäftsmanns ist unberechenbar ... ich weiß." Cerla rannte zurück in die Hütte, und schließlich trat auch Brey endlich ein. Mit einem Mal kam die Hektik wieder zurück, die ihn während er seine Schwester umarmt hatte kurz verlassen hatte. Sie mussten von hier verschwinden, bevor der Komandant sie gefunden hatte. Wahrscheinlich hatte er sich schon längst informiert wo Brey wohnte. "Mach das Feuer aus.",sagte er zu seiner Schwester, die sich gerade vor dem großen Ofen niedergelassen hatte. Cerla drehte sich verdutzt zu ihrem Bruder um, während dieser ungeschickt die nötigsten Sachen in eine kleine Tasche packte. "Ich habe es doch gerade erst angemacht.", widersprach Cerla. "Das ist egal! Wir müssen hier weg." Brey schloss die Tasche und schaute sich um, um sicherzustellen, dass er nichts vergessen hatte. Cerla saß immer noch verwirrt da, sodass Brey schließlich einen Eimer Wasser nahm, und ihn über dem Feuer auskippte. "Komm!",rief er aufgeregt und schritt zur Tür. Er wollte sie gerade öffnen, als sie von selber aufschwang. Brey lies entgeistert die Arme sinken und starrte nur nach draußen. Dort stand der Kommandant. Sein Gesicht war rot vor Wut. Brey bekam es mit der Angst zu tun. "Wir werden sterben",stellte er fest. Zu Breys Verwunderung war der Komandant alleine, doch wahrscheinlich hatten sich Soldaten um die Hütte postiert. "Darf ich eintreten?",fragte der Komandant bemüht ruhig. Brey schluckte nur und trat zur Seite. Raf ging unbeeindruckt an ihm vorbei, und in diesem Moment konnte Brey die kleinere Gestalt sehen, die sich die ganze Zeit hinter dem großen und muskulösen Komandanten versteckt hatte. Es war ein Mann. Er war ganz in schwarz gekleidet und hatte die Hände tief in den Taschen vergraben. Er hatte zerzaustes fast schon weißes Haar. Einen Moment musterte er Brey abschätzend und interessiert, dann trat auch er ein und setzte sich neben Raf an den Tisch, der in der Mitte des einzigen Raumes stand. Cerla schaute jetzt noch verwunderter und fast sogar schon ängstlich. "Brey? Wer sind diese beiden Männer?",fragte sie unsicher. "... Arbeitskolegen ... Wie wäre es, wenn du kurz raus gehst, wir haben etwas wichtiges zu besprechen." Cerla nickte hecktisch und verließ schnell den Raum. Brey schaute zu den Männern herüber. Kalter Angstschweiß lief ihm den Rücken herunter, welcher ihm eine unangenehme Gänsehaut verpasste. "Setzt Euch doch zu uns.",bat Raf beinahe freundlich. Brey zögerte, tat es aber schließlich. "Wie komm ich zu der Ehre, solch einen Besuch in meinem bescheidenen Heim willkommen heißen zu dürfen.",murmelte er sarkastisch um seine Angst zu überspielen. Brey hatte sowieso nichts mehr zu verlieren. Raf wurde noch roter im Gesicht, und es sah so aus, als würde er jeden Moment vor Wut platzen. Plötzlich schlug er mit der Faust auf den Tisch, was Brey nicht überraschte und er deshalb auch nicht zusammenzuckte. "Du kleiner Naseweiß! Noch ein Wort und mir rutscht die Hand aus!" Plötzlich fuhr die Hand des zweiten Mannes hoch und hielt Raf sanft zurück. Einen Moment hielt der Kommandant noch inne, dann lehnte er sich angespannt zurück. "Vielleicht sollten wir uns erstmal vorstellen",meinte der kleine Mann. Seine Stimme war spitz und befehlsgewohnt. Der Mann zeigte auf den Kommandanten. "Das ist Raf." Brey nickte verwirrt. Er kannte den Komandanten doch schon. Der kleine Mann fuhr fort: "Und ich bin Kommandant Orlen." "Komandant?",fragte Brey verwundert. Jetzt hatte er seine Angst und seine Erfurcht vor den grahlschen Soldaten komplett vergessen. Der kleine Mann nickte nur und lächelte. "Gibt es hier in der Gegend noch ein weiteres Schiff?" Orlen schüttelte den Kopf und fügte hinzu: "Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass Rafs Titel der erste Offizier ist. Brey verstand gar nichts mehr. "Also seid Ihr nicht Komandant des Polarfuchses?", fragte Brey verwirrt an Raf gerichtet. "Nein ist er nicht.", antwortete Kommandant Orlen für den Offizier, "Das bin ich." Verzweifelt lehnte Brey sich zurück. Er wusste überhaupt nicht mehr, was er noch sagen sollte. "Ich wollte wissen, wie Ihr reagiert und habe deshalb Raf als Kommandanten antreten lassen ... Und wie sich herausstellt habt Ihr nur das schlechteste von Gahl gehört." Orlens Blick schien einen Moment traurig zu sein, doch dann schob sich wieder die überlegene Maske davor. Brey schluckte. Er hatte absolut keine Ahnung in welche Richtung sich das Gespräch gerade entwickelte. "Ihr habt versucht von Raf zu fliehen",fuhr der Kommandant fort, "was entweder bedeutet, dass Raf zu einschüchtend und bedrohlich war, oder dass du ein ganz schlechtes Bild von Grahl hast." Brey antwortete nicht mehr, er hörte nur noch angespannt zu. "Wir sind nur wegen Euch hier.",bemerkte Orlen jetzt. Brey zuckte zusammen. Das war jetzt also das Ende. Orlen seufzte und griff in seine Jackentasche. Er holte ein Blatt Papier hervor ubd legte es auf den Tisch. Brey zog die rechte Augenbraue hoch. Ein Blatt Papier hatte er lange nicht mehr gesehen, was wohl daran lag, dass man das meiste nicht mehr auf Papier aufschrieb. Nur die wichtigsten Verträge und Anweisungen wurden mit der Hand geschrieben. Und so etwas hatte Brey nun vor sich liegen. "Was ist das?",fragte er unsicher. Orlen antwortete nur: "Lest!" Zögerlich wanderte Breys Blick auf das Papier herunter. Die schöne verschnörkelte Schrift war mit einem glänzenden blau geschrieben, welches ein paar Lichtmuster an die Decke warf.
Hiermit beauftragen wir Euch, Kommandant Orlen, einen gewissen Brey Scragh nach Grahl zu transportieren. Daten und Aufenthaltsort werden Euch möglichst schnell zugeschickt. Wir bitten Euch darauf so schnell wie möglich ihre Mission durchzuführen und wollen Euch darauf aufmerksam machen die besagte Person lebend und ohne jeglichen Kratzer uns zu überbringen, da es sich um eine ranghohe und angesehene Persönlichkeit handelt. Behandelt sie als einen Ehrengast und überredet sie, wenn nötig, auf jeden Fall mitzukommen. Wir erwarten von Ihnen, dass Ihr eure Aufgabe zu unserer Zufriedenheit erfüllt
Mit freundlichen Grüßen
Der Rat der WeisenBrey blickte verwirrt auf und schüttelte den Kopf. "Was hat das zu bedeuten?" Orlen lehnte sich zurück, stekcte die Hände wieder in die Jackentaschen und antwortete: "Leider kann ich Euch hier nicht mehr sagen, als ihr jetzt schon wisst. Das sind auch alle Informationen, die wir bekommen haben." "Da muss eine Verwechslung vorliegen. Ich besitze wohl kaum einen hohen Rang und bezweifle, dass ich die Anerkennung des Rates der Weisen überhaupt verdient habe." Brey zögerte und blickte aus dem Fenster, um sicherzustellen, dass Cerla ihnen nicht zuhörte. "Ich bin ein Dieb.",flüsterte er schließlich. "Ich weiß.",meinte der Kommandant, "Aber ich denke das wird sich ändern." "Ihr könnt es nicht sicher sagen!",stellte Brey fest. "Richtig, ja. Aber welche Zukunft steht Euch wohl auf Grahl bevor, jetzt nachdem Ihr den Brief gelesen habt. Sterben werdet Ihr sicher nicht." "Wer sagt denn, dass der Brief nicht eine gefälschte Anweisung ist? Vielleicht wollt Ihr mich ja doch umbringen lassen." "Ob Ihr mir glaubt oder nicht ist Eure Sache.",schloss Orlen, "Seh ich denn wie ein Lügner aus? Und wenn dieser Brief wirklich gefälscht wäre, wäre es dann nicht einfacherer gewesen Euch Geld oder eine Villa zu versprechen, als Euch völlig im Dunkeln tappen zu lassen?" Brey musterte den Kommandanten scharf, überlegte und bedachte alles noch einmal, schüttelte aber schließlich den Kopf. "Und auch wenn Eure Absichten gut sind, kann ich hier nicht weg..." Orlen nickte verständnisvoll. "Das süße Mädchen, richtig? Es ist Eure Schwester ... Was ist mit Euren Eltern?" Breys Gesichtsausdruck wurde düsterer und er senkte den Blick. "Mein Vater hat sich nach der Geburt meiner Schwester aus dem Staub gemacht ... und meine Mutter... ist bei einem Unfall gestorben." Auch Orlen senkte nun den Blick, bis er schließlich fragte: "Was hält Euch dann noch hier? Ihr könntet ein viel besseres Leben führen." "Grahl ist keine gute Umgebung für ein Mädchen, das im Wald ausgewachsen ist. Das hier ist unsere Heimat." Der Kommandant seufzte, setzte sich zurecht und schaute Brey tief in die Augen. "Ist das Euer letztes Wort?" Brey blickte verlegen zu Boden, da er zugeben musste, dass er an seiner Entscheidung zweifelte. "Ja.",antwortete er schließlich, "Es tut mir Leid." Kommandant Orlen stand auf, schaute zu Raf herüber und sagte dann noch: "Es braucht Euch nicht Leid zu tun. Für mich in Eurer Situation wäre die Entscheidung wohl auch nicht so leicht gefallen. Ich wünsche Euch viel Glück." Er und Offizier Raf verließen die Hütte, hielten aber noch kurz inne. "Werdet Ihr wiederkommen?",wollte Brey betrübt wissen, "Eure Anweisung war eindeutig." Orlen drehte sich noch einmal um, während er seine Hose glattstrich. "Nein. Ich weiß, wann ich verloren habe." Mit diesen Worten machte er sich mit seinem Ersten Offizier davon. Brey blieb noch einen Moment nachdenklich sitzen, bis Cerla vorsichtig durch die Tür lugte. "Sie sind weg.",sagte Brey und lächelte matt. "Schade.",meinte Cerla, "Der kleine Mann hat mich die ganze Zeit so freundlich angeschaut. Kommt er dich wieder besuchen?" Brey schüttelte nachdenklich den Kopf. Das Gespräch mit dem Kommandanten hatte ihn wohl entgültig aus der Bahn geworfen. "Machst du das Feuer wieder an, Cerla?"
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Sieben Sterne
Science FictionBrey führt ein Leben als Dieb auf dem Waldplaneten. Zusammen mit seiner kleinen Schwester wohnt er in einer kleinen Hütte weit weg von jeder Zivilisation. Doch sein Leben verändert sich schlagartig, als ein Kriegsschiff des Planeten Grahl auf dem Wa...