Kapitel 2.1

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Liebste Nia,

Meine Hand zittert, während ich diese Worte niederschreibe, denn mein Herz ist von Schmerz erfüllt. Es gab und gibt keinen einzigen Moment , seit wir uns kennenlernten ,an dem ich nicht an dich denke.

Du hast dich in mein Herz gestohlen, ohne mich zu berauben. Im Gegenteil, du hast mich bereichert und mich beschenkt.

Du hast versucht, mich zu lieben, während ich mich selbst hasste.

Es zerreißt mich von innen, dir diese Zeilen zu schreiben, während das ewige Band der Liebe uns immer noch verbindet.

Das Schlimmste daran ist: Du bist unschuldig.

Du hast gelitten, während ich gegen meine Dämonen kämpfte und mich dabei verlor.

Die Zeit ist gekommen und ich bitte dich um Verzeihung für all die Fehler, die ich lange Zeit nicht gesehen habe.

Ich stehe an einem Scheideweg und meine Träume und Visionen ziehen mich unaufhaltsam in eine Richtung. Sie flüstern mir Schicksalsworte in mein Ohr, die sich wie ein dunkler Umhang auf mein Herz legen und ihn gleichzeitig von meinem Geist nehmen.

Ich kann die Last unserer Verbundenheit nicht länger tragen, denn sie schwächt mich und hindert mich daran, meine eigene Stärke zu entwickeln.

Meine Seele schreit nach inneren Frieden.

Ich muss meinen Weg gehen und meiner Bestimmung folgen.

Weißt du noch wie wir damals auf dem Hohen Hügel unter der einsamen Eiche lagen und der Sonne beim Aufwachen zugesehen haben ?

Ich hoffe, dass du jemanden findest , der dich so liebt, wie du es verdienst und dich mit der Wärme umgibt , die du brauchst. Und wenn es so weit ist: Zeige Ihm diesen Platz und vergib ihm seine Fehler.

Leb wohl.

In unendlicher Liebe

Nataniel
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Voller Schuldgefühle legte Nataniel die Schreibfeder aus seiner Hand. Sein ganzer Körper kribbelte.

Tränen tropften auf den alten Holztisch, auf das vergilbte Stück Pergament auf dem er soeben seine Abschiedsworte niedergeschrieben hatte.

Glitzernd, hielten sie sich als wässerne Kuppeln auf der trocknenden Tinte, als wollten sie deren tragische Botschaft verstärken.

Schnell wischte er sich mit seinen Ärmeln über sein Gesicht.

Vorsichtig, im Innern voller Schmerz, stand er vom Tisch auf, an dem er seitlich gesessen hatte. Mit zwei schnellen Schritten, schnellstmöglich Abstand von der Konsequenz seiner Entscheidung schaffend, gelangte er an die Eingangstür, die nach draußen führte.

Er öffnete sie.

Es war dunkel draußen. Dreckig-gelb fiel das Licht der von der Nachtwache angezündeten Straßenlaternen auf ihn und beleuchtete sein blasses Gesicht.

Nataniel stand im Türrahmen. Sein Blick wanderte die leere staubige Dorfstraße entlang. Prüfend glitt er über die rechts und links stehenden Nachbarhäuser, in denen die Bewohner ihren wohlverdienten Schlaf genossen.
Leise drehte er sich um. Kurz überkam ihm der Gedanke, den Brief vom Tisch zu nehmen, die anmutig gewundene hölzerne Treppe hinauf zu gehen und sich in weichen Federn an Nia zu schmiegen. Er könnte einfach bleiben.

Nein.

Seine Entscheidung war gefallen.

Mit einem Ruck wandte er sich um und schloß sorgfältig die Tür.

Das Vermächtnis der MaygèWhere stories live. Discover now