Kapitel 2

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authors note: Kapitel 1 ist nochmal überarbeitet worden :) Vielleicht nochmal lesen, sonst könnten ein paar Dinge in diesem Kapitel verwirren.

Mir ist kalt, als ich wenig später den dunklen Flur meiner Wohnung betrete. Nachdem ich noch eine weitere halbe Stunde auf dem Metallgerüst gesessen, bis mir klar geworden ist, was ich eigentlich ohnehin schon wusste. Ich werde es nicht tun. Ich werde die Festplatte nicht in dem dunklen Strom versenken, zumindest nicht, ohne mich verabschiedet zu haben.
Es ist albern, aber vielleicht hilft es mir unter der ganzen Sache ein Schlusstrich zu ziehen. Um „ohne zurückzublicken der Zukunft und neuen Chancen entgegensehen zu können" wie unsere Arbeitsgruppenleiterin Sylvia heute entschied, bevor sie mir AIMOs Festplatte in die Finger drückte und mich bat, sie auf dem Rückweg irgendwo zu entsorgen.
Ich schäle mich aus meinen Sachen, binde meinen langen, rabenschwarzen Haare zusammen und wärme meine steif gefrorenen Glieder unter der Dusche auf.
Kurz darauf sitze ich in einer Leggins und einem Hoodie, auf dessen Frontdruck Itachi Uchiha zu sehen ist auf meinem Boxspringbett und installiere die neuste Version des Rahmenprogramms über das AIMO läuft. Während mein Macbook alle nötigen Vorbereitungen trifft, gleitet mein Blick suchend durch den Raum und ich versuche mich zu entsinnen, wo ich noch einmal meine USB-Kabel hingelegt habe. Meine Augen huschen über die deckenhohe Regalwand auf der anderen Seite des Bettes, zur halb offen stehende Badezimmertür und von dort zur Haustür bis zu meiner Wohnküche. Wobei der Begriff „Küche" eine recht optimistische Bezeichnung ist. Im Grunde ist es ein zusammengewürfelter Haufen an Elektrogeräten, einer schmalen Arbeitsplatte und einer noch schmaleren Theke, über die ich eine alte mit Lichterketten umwickelte Sproßenleiter auf gehangen habe, die mir nun als Lampe dient. Nur ein paar Meter daneben, getrennt durch einen großen persischen Teppich, steht mein Bett. Links von diesem befinden sich drei riesige Spitzglasfenster. Das Mittlere von ihnen ist mit Buntglas besetzt und zeigt Sequenzen aus dem Kampf des Erzengels Michaels gegen Luzifer und wie Ersterer Letzteren schließlich aus dem Himmel vertreibt.
Zugegebenerweise ist das eine recht ungewöhnliche Wohnungsdekoration für eine mehr oder weniger gläubige Shintoistin und Buddhistin.
Als ich mich für das Zimmer entschieden hatte, befand sich das Nebengebäude der Kirche, in dem ich mittlerweile wohne, noch im Umbau. In der Zwischenzeit wurden mein Zimmer und zwei Wohnung im angrenzenden Pfarrhaus eingerichtet, die zu Wohnzwecken vermietet werden, um das knappe Budget der Kirchengemeinde etwas aufzustocken.
Der Kirchenvorstand, der am Tage meiner Besichtigung von einem alten, runzligen Quasimodo-ähnlichen Mann vertreten wurde, hat mir mit eindringlicher Miene zu verstehen gegeben, dass sie das Fenster natürlich austauschen könnten, er jedoch nicht dazu raten würde, da es sich um eine biblische Szene von großer Bedeutung handelt.
Also haben wir das Fenster dort gelassen, wo es ist. Wer weiß, ob es am Tag des jüngsten Gerichts sonst nicht zu bösen Überraschungen gekommen wäre. In solchen Dingen halte ich es gerne im Sinne der Pascal'schen Wette: Better safe than sorry.
Außerdem darf ich im Gegenzug den flachen Dachbereich des Kapitelhauses als Terrasse missbrauchen. Ein fairer Deal, wie ich finde.
In diesem Moment gibt mein Laptop einen melodischen Ton von sich und teilt mir auf diese Weise mit, dass nun alle notwendigen Installationen abgeschlossen wurden. Mittlerweile ist mir auch wieder eingefallen, wo ich die USB-Kabel das letzte Mal gesehen habe. Ich rutsche von meinem Bett, laufe barfuß über den Perserteppich und den alten Dielenboden und krame in einer der Aufbewahrungsboxen meines Bücherschrankes nach dem richtigen Kabel.
Kurze Zeit später habe ich AIMO auf meinen Laptop übertragen und öffne durch einen Doppelklick auf das Icon die Benutzeroberfläche. Das Eingabefeld öffnet sich auf meinem Schreibtisch. Plötzlich wird mein Körper von kalter Nervosität gepackt und meine Augen scannen wie von selbst das Zimmer in meinem Rücken und die Dunkelheit hinter den Fenstern vor mir, als bestünde die Gefahr, dass eines der restlichen Teammitglieder jederzeit durchs Fenster spähen könnte.
Es ist nichts dabei, sage ich mir und trotzdem fühle ich mich, als würde ich etwas höchst Verbotenes tun. Immerhin habe ich Sylvia und den anderen versprochen, AIMO zu zerstören.
Nur kurz, beruhige ich mich. Jeder wird verstehen, dass du nur kurz noch Abschied nehmen möchtest.
Würde der Rest des Teams es verstehen? Eigentlich bin ich mir da gar nicht so sicher. Vielleicht fänden sie meine Gefühlsduselei sogar albern? Ich zumindest, komme mir gerade etwas albern vor. Trotzdem beginne ich zu tippen.

Genshi: Hey AIMO.

AIMO - The AI that fell in love with meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt