|Kapitel 1|

77 6 2
                                    

Ich schüttle den imaginären Staub von meiner schwarzen Hose, bevor ich mit gesenktem Kopf das Gebäude der Universität betrete. Meine langen, braunen Haare fliegen dabei nach vorne, doch das stört mich kein Bisschen.

Ich starre auf meine Füße und schlendere geduldig durch die Flure der Uni.

Das braune, alte Parkett, welches sich unter meinen abgetretenen Turnschuhen befindet, knartscht laut und mir ist unwohl zu Mute. Ich will auf keinen Fall Aufmerksamkeit erregen.

Ich laufe geradewegs zu meiner ersten Vorlesung des Tages, vorbei an Schließfächern und anderen Studenten.
Währenddessen bekam ich das Gefühl nicht los, dass ich angestarrt werde. Aber eigentlich kann das nicht stimmen, denn niemand interessiert sich für mich. Hoffe ich zumindest.

Ich betrete den Saal noch gerade rechtzeitig, denn wenige Sekunden später kommt unser Professor, Mr. Jefferson, herein.

Ich setzte mich schnell in die Sitzreihe ganz vorne in die Ecke, hole mein Notizbuch, Kugelschreiber und Laptop heraus.

Nachdem Professor Jefferson uns begrüßt hat, fängt er schon an uns die Quantenphysik näher zubringen.

Doch ich höre nicht richtig zu. Professor Jeffersons Worte gehen bei mir ins eine Ohr rein und wandern dann aus dem anderen Ohr wieder raus, denn ich bin mit meinen Gedanken gerade völlig wo anders.

"November? Kannst du zusammenfassen was ich gerade erzählt habe?"

Ich zucke kurz zusammen. Darauf war ich jetzt nicht vorbereitet. Und dazu liegen jetzt auch noch alle Augen der Anwesenden im Saal auf mir.

"Nein Mr. Jefferson." antworte ich knapp und hoffe innerlich, dass er sich damit zufrieden gibt.

Er seufzt kurz auf, lässt die Sache dann aber doch auf sich beruhen.

Er dreht sich wieder zu der Studentenmasse und macht da weiter wo er aufgehört hatte.

Nach der Vorlesung husche ich schnell aus dem Saal, damit Professor Jefferson mich ja nicht zu sich rufen kann, wie er es immer tut wenn ich mal wieder nicht zugehört hatte.

Ich gehe mit schnellen Schritten auf die Cafeteria zu, denn ich bemerke das ich echt Hunger bekommen habe. Kein Wunder ich hatte ja schon seit gestern Abend nichts mehr gegessen.

Dort angekommen schnappe ich mir ein Tablett, stelle mich an der Schlange an bis ich dran bin und wende mich zu Cassy, unserer Essensausgeberin.

"Oh hallo November! Schön dich wieder zu sehen! Du weist gar nicht wie ich dich vermisst habe." ruft sie mir euphorisch zu und ich lächle sie an.

Sie ist die einzige Zugangsperson für mich, obwohl sie 'nur' die Essensausgeberin ist. Außerdem ist sie die Einzige die mich nach einem Wochenende vermissen würde. Überhaupt ist sie die einzige die mich vermissen würde.

"Ich hab' dich auch vermisst, Cas." gebe ich zurück.

"Na, das hoffe ich doch. Nun ja ich hab' nicht viel Zeit. Wie immer das gleiche?" fragt mich die lebensfrohe 50-Jährige und ich bejahe mit einem Nicken.

Sie stellt auf mein Tablett ein Putensandwich, einen Apfel und eine Flasche Cola.

Ich gebe ihr noch schnell das Geld, bevor ich mich verabschiede und mache mich auf dem Weg zu meinem Stammtisch.

Es ist ein kleiner Rundtisch, der hinten in der Ecke steht. Er hat 4 Stühle um sich herum, aber meistens sitze ich alleine dort und verdrücke mein Mittagessen. Was heißt bitte meistens ich sitze dort immer alleine.

Aber ich hatte mir das so ausgesucht, ich will mich nicht beschweren.

Ich husche schnell an den anderen Tischen vorbei bis ich dann endlich an meinem ankomme.

Mit einem zufriedenem Seufzen setze ich mich auf einen der grünen Plastikstühle und packe das Putensandwich aus der Frischhaltefolie aus.

Ich beiße genüsslich hinein und lasse meinen Blick über die verschiedenen Tische schweifen.

Wie in diesem dämliche High School Filmen gibt's hier auch Tische die nur von einer bestimmten Gruppe von Personen besetzt sind.

Da wären einmal die Beliebten, die Unbeliebten, die Sportlichen, die mit der künstlerischen Ader, die Tänzer und so weiter.

Und ich gehöre nirgenwo dazu. Wie immer.

Ich seufze, esse mein Sandwich auf und trinke etwas von meiner Cola.

Den Apfel und die restliche Cola packe ich in meine Tasche und mache mich auf dem Weg raus aus der Cafeteria, denn in ein paar Minuten würde meine nächste Vorlesung bei Professor Langstone beginnen. Und ehrlich gesagt will ich es bei ihm nicht verspielen.

Nach der Vorlesung mache ich mich auf dem schnellstmöglichsten Weg raus aus der Uni, denn ich wollte so schnell wie möglich nach Hause und mich für immer in mein Bett verkriechen.

Draußen atme ich erstmal tief ein und will zur Bushaltestelle laufen, die neben der Uni liegt, doch ich werde angerempelt.

Ich falle fast um, kann mich aber gerade noch so am Gelände der Treppe festhalten.

Jeder andere würde sich jetzt umdrehen, denjenigen angiften und mit Blicken töten.

Jedoch bin ich nicht so, also senke ich einfach den Kopf und laufe die Treppen runter.

Ich hoffe, dass sich die Sache gegessen hat, denn wenn es jemand ist, der andere Leute anmotzt, weil sie meinen einer hätte sie angeremplet dann kann ich so Einen gerade nicht gebrauchen. Und mit anderen Leuten zusprechen ist mir auch nicht gerade zu Mute.

Doch unten angekommen höre ich ein, "Hey, warte mal!", aber ich laufe einfach weiter.

Ich hab keine Ahnung ob es derjenige war, der mich angerempelt hat, aber ich wollte mich aufkeinenfall umdrehen. Keine Aufmerksamkeit erzeugen.

Vielleicht habe ich mir das ganze auch nur eingebildet, weil ich mir wünsche, dass mir mal jemand hinterherruft.

Oh man, was ist denn mit mir los?

Ich mache mir keine Gedanken mehr darüber und laufe weiter bis zur Bushaltestelle.

Doch auf halber Strecke schreit jemand, "Hey, warte doch bitte mal!", und aus irgendeinem Grund fühle ich mich angesprochen, will mich dann auch umdrehen, lasse es am Schluss aber doch und laufe weiter zur Bushaltestelle.

Gerade stoppt mein Bus und ich steige schnell ein. Dem Busfahrer schenke ich ein kurzes 'Hallo', der es mit einem Nicken erwidert und setze mich auf einen freien Platz am Fenster.

Meinen Kopf lehne ich an das Fenster und lasse meine Gedanken schweifen.

Ich denke an verschiedene Sachen wie an die Uni, den Ferien die bald bevorstehen, an denjenigen der mich angrempelt hat und Tre-...

Plötzlich stehlen sich kleine Tränen aus meinen Augenwinkeln als ich an ihn denke. Ich wische die Tränen ganz schnell weg und versuche an was anderes zu denken. Vergeblich.

Innerlich könnte ich mich verprügeln dafür, dass ich deswegen gerade weine.
Und das noch in einem öffentlichem Bus.

Ich versuche mich zu entspannen und an schöne Sachen zudenken wie Ben&Jerrys Eis, Einhörner, an den November ...

Bei dem November erstarre ich. Es ist bestimmt nichts Schönes für mich. Der November ist eher wie ein Albtraum, von dem ich mir wünsche, so schnell aufzuwachen wie es geht. Doch stattdessen sitzte für immer in diesem Albtraum fest.

Ich will nicht mehr darüber nachdenken und schüttel' mich kurz, aber ohne das es jemand anderes im Bus bemerkt.

Ich schließe langsam meine Augen und höre dem Verkehr, der draußen herrscht, zu.

-

1138 Wörter

NovemberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt