Kapitel 3

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In genau dieser Besprechung saß sie nun. An dem langen Tisch in Egvins Arbeitszimmer saßen insgesamt zehn Assassinen. Vor Kopf des Tisches saßen Egvin und sein Berater.

Egvin Dorc war ein Mann Mitte vierzig mit dünnem Gesicht, Vollbart und langen Haaren. Seine dunkelbraunen Haare wurden von vielen silbernen Strähnen durchzogen. Trotz seines Alters strotzte der Anführer der Gilde nur so vor Muskeln.

Sein Berater, welcher direkt neben ihm saß, war das genau Gegenteil. Rohry war klein und dünn, trug eine Brille und hatte die nervigste, piepsigste Stimme die Mae jemals an einem Mann gehört hatte. Würde ein Außenstehender ihn sehen, würde er ihn eher für einen Bibliothekar halten, statt für die rechte Hand des Assassinenanführers. Doch Rohry war kaltblütig, tötete durch Gifte und hatte einen messerscharfen Verstand. All das machte ihn zum perfekten Berater des gewalttätigen Egvins.

Neben Mae saßen noch sechs andere Assassinen am Tisch, welche letzte Nacht ebenfalls auf Patrouille gewesen waren.

Acroth nahm ebenfalls an der Besprechung teil. Er stand an der Wand ihr gegenüber angelehnt und machte keinen Anschein, sich setzen zu wollen. Mae verstand nicht, warum er bei jeder Besprechung dabei sein musste. Nur weil er der am besten bezahlte von ihnen allen war hieß das nicht, dass er auch alles wissen musste. Er bildete sich viel zu viel auf seine Stellung ein.

Das Arbeitszimmer war vier Mal so groß wie ihre eigenen Räume. Wenn man in den Raum trat, musste man erst einmal an dem langen Besprechungstisch vorbei gehen, um zu Egvins massivem Schreibtisch im zweiten Teil des Raumes zu gelangen. Hinter dem großen Schreibtisch am Ende des Raumes prangte ein riesiges Gemälde an der Wand. Auf diesem war Egvin zu sehen, wie er fast schon königlich auf einem Sessel saß. Doch anstatt eines Zepters in seine Hand, befand sich dort sein Schwert. Mae traute Egvin zu, dass er sich als König der Assassinen sah. Damit war er aber auch der Einzige, der so dachte. Die Wände links und rechts waren zu seiner persönlichen Bibliothek umfunktioniert worden. Dort standen riesige, bis zur Decke reichende Bücherregale. Niemand außer er durfte diese Bücher anfassen.

Eine Schande, fand Mae. Sie liebte Bücher. In ihrem Zimmer gab es aber leider nicht genug Platz für alle, die sie jemals gerne lesen würde. Also musste sie ihre Sammlung auf ein paar ihre Lieblingsbücher beschränken.

„Guten Morgen!" Donnerte Egvins Stimme durch den Raum, als würde er, statt zu acht Leuten, zu achthundert sprechen. Wäre Mae nicht daran gewöhnt, wäre sie mit Sicherheit zusammengezuckt. So wie die Assassine neben ihr es tat. Egvin bemerkte es und schenkte ihr einen scharfen Blick.

„Also, meine Schüler. Erstattet mir Bericht. Ich will nichts Belangloses hören. Beginnen wir."

Rohry begann fleißig das gesamte Gespräch zu dokumentieren und die Feder kratzte durchgehend über das Blatt Papier, welches er vor sich liegen hatte. Der Assassine, welcher Mae schräg gegenübersaß, fing an zu berichten.

Mae fiel auf, dass sie als letztes dran sein würde. Also lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück, verschränkte ihre Arme und versuchte nicht einzuschlafen. Denn die anderen erzählten nicht gerade spannende Sachen. Der eine berichtet von einem plötzlichen Viehsterben eines Bauern. Der andere hatte mitbekommen, dass eine Taverne ganz in der Nähe pleite war. Egvin schien vollkommen ruhig da zu sitzen und seinen Schülern zu lauschen, aber Mae erkannte an dem Funkeln seiner Augen, dass er von den Berichten ganz und gar nicht begeistert war.

Scharf sog er die Luft ein und brachte die Assassine, die neben Mae saß und gerade davon erzählte, wie eine Priesterin dabei erwischt wurde, Opium zu rauchen, zum Schweigen.

„Hast du irgendetwas nützliches zu berichten?", fragte Egvin sie leise, aber herausfordernd. Die Assassine schüttelte langsam den Kopf und fing leicht an zu zittern. Mae würdigte sie nicht eines Blickes. Wie sollte aus ihr eine gute Assassine werden?

Aim For MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt