Zuhause

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Ich war eine kleine Ewigkeit nicht hier gewesen. Vor mir lag das einst so bekannte Anwesen, das Haus selbst stand traurig und verlassen da, als schien es zu warten. Auf mich, dass ich wieder, so wie als Kind, lachend durch die Gänge renne, dass wieder Kornblumen die leicht verstaubten Regale schmücken und ein süßer Duft in der Luft liegt.
Oh, wie lange musste es her sein? Zehn Jahre? Länger? Die Zeit war vor meinen Augen verschwommen, genauso wie die Erinnerungen an diesen Ort.
Seufzend lasse ich die Zigarette fallen und trete sie aus.
Ich zögere, als meine Finger das kalte Eisen des Tores berühren und ein kühler Windhauch die herbstlichen Blätter aufwirbelt. War ich überhaupt schon so weit? Seit dem Tod meiner Eltern war ich nicht mehr hier gewesen. Seitdem fehlt mir jedes Gefühl von Heimat, doch ich wollte nicht vergessen.
Ich fasse einen Entschluss, öffne schwungvoll das Tor und gehe  den kurzen Weg zur Haustür hinauf. Meine schweren Stiefel knirschen auf dem Kies.
Dieses Haus gehört mir, vollkommen rechtmäßig. Entweder kann ich das alte Landhaus verkaufen, nur falls die Erinnerungen zu schmerzhaft sind, oder ich hatte endlich ein Zuhause gefunden.
Ich drehe den Schlüssel, welchen ich zu meinem 21. Geburtstag vor einigen Tagen bekommen hatte, im Schloss herum und es klickt leise.
Knatschend öffnet sich die Tür.
Der Flur liegt im halbdunkel vor mir und eine Staubschicht bedeckt die Möbel.
"Hallo?", versuche ich mein Glück, wissend dass mir niemand antworten wird. Vorsichtig mache ich einen Schritt ins Innere des Hauses.
Das Parkett knatscht leise unter meinen Stiefeln. Ich betätige den Lichtschalter neben der Tür und flackernd geht die Deckenlampe an. "Na dann.", murmele ich zu mir selbst und durchquere den Flur.
Vor der Kommode mit dem Großen Wandspiegel bleibe ich stehen. Das braune Holz wird immer noch verziert von einem Spitzendeckchen, darauf eine Vase die weiß ist, wenn man sie erst vom Staub befreien würde und darin, noch immer, nach all den Jahren... ein Strauß Kornblumen.
Ich nehme eine aus der Vase und halte sie ganz fest, als könnte sie zurückbringen was ich verloren habe. Dann nehme ich den Bilderrahmen in die Hand und Puste den Staub vom Glas.
Es ist ein Familienfoto. Es zeigt mich, kaum älter als sieben und meine Eltern.
Schnell stelle ich das Foto zurück. Ich will und kann hier jetzt nicht rührselig werden.
Innerlich kochend hebe ich wieder den Blick, nur um im Spiegel die Wut in meinen Augen brennen zu sehen.
Sie hatte mich zerstört, das war mir bereits klar gewesen und es wurde mir wieder klar, jetzt gerade. Der wütende Blick, die gefärbten Haare und die Piercings; das war nichts was ich sein wollte. Das ist nicht was ich bin.
Als ich das Wohnzimmer betrat, konnte ich die Emotionen nicht länger unterdrücken. Ich brach zusammen, eine Hand auf den Kerben am Türrahmen.
Nuka 11 Jahre
Nuka 9 Jahre
Nuka 8 Jahre
Das war nicht fair! Ich wollte sie einfach nur zurück! Wollte wieder mit meinem Vater im Garten spielen, bis Mama uns rief. Ich vermisste sie so sehr, mit ihrem lieblichen Gesang und ihrem Parfüm, das nach Blumen roch. Ich vermisste es, wie sie mir Geschichten erzählte.
Ich vermisste mein Zuhause.
Ich konnte das Haus nicht verkaufen, denn es war wie ein Teil von ihr. Ein Teil von mir.
Ich war zuhause. Endlich.

November 2023, 553 Wörter

Just Some little WordsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt