Kapitel 1

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Langsam kam ich zu mir, doch ich ließ die Augen noch geschlossen. Erst versuchte ich mich zu erinnern, wo ich war. Was mir partout nicht gelingen wollte. Okay, fingen wir weiter vorne an: Wie war ich hierhergekommen, an diesen undefinierten Ort? Auch das fiel mir nicht ein. Hatte ich zu viel gefeiert und es mit dem Alkohol übertrieben, dass ich mich an nichts erinnerte? Immer krampfhafter versuchte ich, meinem Gehirn irgendwelche Informationen zu entlocken, aber ich stieß nur auf gähnende Leere. Haha, witzig, aber nein, so meinte ich das nicht. Ich zweifelte immer mehr.

‚Komm schon, reiß dich zusammen -…‘ Das durfte doch nicht wahr sein! Wie viel muss man trinken, dass man sich am nächsten Tag nicht mal mehr an seinen eigenen Namen erinnern konnte?! Ich kam zu dem Schluss, dass ich kein Hangover hatte, oder zumindest, dass mein Gedächtnisverlust nicht daran lag. Ich machte mir Hoffnung, dass ich vielleicht schlauer würde, wenn ich sah, wohin es mich verschlagen hatte. Also öffnete ich langsam meine Augen und setzte mich auf. Ich hatte auf einem Bett gelegen (auf einem Doppelbett, wohlbemerkt), das in einem gemütlichen und modern eingerichteten Schlafzimmer stand. Komplett in Beige- und Brauntönen gehalten, sehr hübsch. Nur war ich nicht allein. Auf einem Stuhl neben dem Bett saß eine zierliche Frau, etwa 25 Jahre alt. Sie sah mich mit freundlichen, fast schon liebevollen Augen an und wahrscheinlich hätte ich mich fürchterlich erschrecken müssen, aber irgendwie hatte ich schon als ich meinen Gedanken nachging gewusst, dass sie da war. Das mag jetzt vielleicht seltsam klingen, aber ich konnte ihren Atem hören und ihre Anwesenheit riechen. Vielleicht war ich ein Spürhund? Die Frau lachte kurz auf, gerade so, als hätte sie meine Gedanken gehört.

„Das habe ich auch.“ Sagte sie mit einer sehr melodischen und wunderschön klingenden Stimme. Warum überraschte mich das eigentlich nicht? Ich meine, es war ja nicht normal, dass man eine Antwort auf seine Gedanken bekam… oder doch? Nein, ich konnte mich vielleicht nicht an meinen Namen erinnern, aber sehr wohl daran, dass normale Menschen keine Gedanken lasen.

„Das ist seltsam…“ sagte die Frau nachdenklich. Sah ich genauso, wobei ich nicht wusste, was genau sie meinte. Dass ich in einem fremden Haus im Beisein einer Fremden aufwachte, dass ich keine Erinnerungen hatte, oder vielleicht doch, dass meine Sinne viel zu scharf waren und besagte fremde Frau meine Gedanken las.

Glücklicherweise erbarmte sie sich dazu, mich aufzuklären: „Eigentlich meinte ich deine Erinnerungen. Den Rest kann ich dir erklären, nur diese eine Sache bereitet mir Sorgen.“ Wieder so ein fürsorgliches Lächeln. Ich spürte, wie sich eine böse Bemerkung in meinem Kopf bereit machte, aber ich würgte den Gedanken schnell ab, immerhin sollte ich jetzt, da mein Gehirn öffentlich zugänglich war, ein bisschen aufpassen, was ich dachte. Dagegen wäre es mir lieb, wenn sich mir stattdessen auch etwas von der Welt erschließen ließe, nicht nur anders herum.

„Okay, ich habe gerade etwa unendlich viele Fragen, aber fangen wir mal einfach an: Wer bist du?“

Die Person mir gegenüber setzte sich etwas aufrechter hin, atmete tief durch und fing an zu erzählen:

„Mein Name ist Serina“ und während sie eine kurze Pause machte, konnte ich nicht umhin zu denken Na immerhin eine von uns weiß, wie sie heißt. Sofort ging sie auf meine Gedanken ein:

„Oh entschuldige, ich bin ein wenig nervös. Das mit deinen Erinnerungen hatte ich schon wieder vergessen.“ Serina klang irgendwie schuldbewusst, weshalb ich mir ein bisschen mies vorkam, immerhin war es ja auch für sie seltsam, dass ich mich an nichts erinnerte.

„Okay, also was ich über dich weiß ist, dass du Evangeline Fetcher heißt, 16 Jahre alt bist, und –es tut mir leid, dir das so sagen zu müssen – dass deine Eltern und beiden Geschwister bei einem Autounfall gestorben sind.“ Ihr Blick wurde traurig, aber immer noch lag diese Schuld in ihnen. Und während Serina mir diese Dinge erzählte, erinnerte ich mich sofort daran, so als hätte ich es schon immer gewusst. Mir fiel sogar ein kleiner Teil meiner Geburtstagsfeier zum 16. ein, ich war in einem Bowlingcenter. Aber bei der Sache mit meiner Familie wurden meine Erinnerungen wieder schwammig und undurchsichtig. Irgendetwas in meinem Kopf wollte mich daran hindern, auf diese Erinnerungen zuzugreifen. Ich konzentrierte mich, um durch diese Barriere durchzusehen und für einen unfassbar kurzen Moment war ich in einem Auto, während es gegen einen Schwertransporter raste. Bevor ich mich umsehen oder die anderen Personen im Auto, meine Familie, betrachten konnte, war die Vision auch schon wieder verschwunden, und es fühlte sich so an, als wäre die Erinnerung an diese Szene weiter weg als jemals zuvor. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 23, 2013 ⏰

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