Ohne Titel

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„Spring, spring, spring." flüstere ich. Mir gegenüber steht ein fremdes Mädchen, welches mir bekannt vorkommt. Es ist zierlich und trägt nicht mehr als ein T-Shirt, welches ihr zu groß ist. Ihre Arme sind übersät von Schnittwunden. Ihr braunes Haar ist grob bis zu ihren Ohren geschnitten. „Spring, spring, spring." flüstert nun das Mädchen. Ich flüstere synchron mit. „Spring." Dieses Mädchen verdient es nicht zu existieren.

Sie soll springen. „Spring, spring, spring." flüstere ich ihr immer schneller zu und sie macht es mir nach. Sie mag mich genauso wenig, wie ich sie. „Na los, spring." Ich flüstere nicht mehr.
Sie auch nicht. Sie starrt mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an und erwartet eine Reaktion von mir. „Spring, spring, spring." Ich sage es immer wieder und sie genauso. Die Worte verlieren ihre Bedeutung. Es ist nicht mehr als eine verzweifelte Bitte, um die man schon so oft bat. „Spring!" Wir werden etwas lauter. Sie macht
mir nach. Sie macht sich lustig über mich. Dieses Miststück hat nicht einmal eine eigene Identität. So sehr ist sie an mich gebunden. Ihre Existenz ist abhängig von meiner, aber nicht umgekehrt. Diese Fremde ist von mir abhängig. Diese Fremde, deren Gesicht mir so bekannt vorkommt. Noch immer schreien wir beide: „Spring, spring, spring." Ich falle auf meine Knie, werde leiser,schließe meine Augen und auch sie wird leiser. Ich schaffe das nicht
mehr. Die Augen noch geschlossen taste ich neben mir nach der Vase auf meinem Schreibtisch. Ich werfe sie schreiend nach der Fremden. Auch sie schreit, aber wahrscheinlich aus Angst. Da liegt sie nun.

Die Fremde liegt in Trümmern. Nun ist sie still.

Meine Mutter kommt ins Zimmer und fragt wieso der Spiegel in Trümmern läge.

Spring.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt