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"Das ist doch nicht euer verdammter Ernst!" fauchte Geißel und seine langen, verstärkten Krallen zogen Furschen in den imaginären Waldboden. "Könnt ihr einen denn nicht einmal in Ruhe lassen? Ich dachte, wenn ich tot bin, habe ich die ewige Ruhe. Was soll dieser Quatsch?"

"Geißel, ich glaube, das wird dir guttun. Außerdem ist es deine einzige Möglichkeit, auf die Erde zu kommen." erwiderte der Erzengelkater Gabriel ruhig. "Und, ich bitte dich, du solltest dir das einmal ansehen. Vor allem, weil die Clans, die du kennst, schon lange nicht mehr da sind."

Geißel legte den Kopf leicht schräg und überlegte. "Dann kann ich mich also nicht einmal an Feuerstern rächen. Wahnsinnig toll." knurrte er.

"Geißel, das Leben besteht nicht nur aus Rache!" Gabriel guckte streng, was Geißel aber ignorierte. Er ließ sich nichts vorschreibe- "Außerdem kannst du so Kontakt mit deiner Tochter aufnehmen." Tochter? Welche Tochter? Und wenn er schon Junge hatte, von denen er nichts wusste, warum dann keinen Sohn?

"He, Moment, das geht gar nicht." wandte Geißel ein. "Ich bin schon ewig tot, wieso sollte dann meine Tochter noch leben?" Haha, du Angeberengel!

"Sie ist nicht direkt deine Tochter, aber die Tochter von irgendeiner Verwandten von dir." präzisierte Gabriel.

"Und warum hast du das dann gesagt?" wolltze Geißel wissen.

"Weil ich denke, dass es dich interessiert. Sie führt eine Streunergruppe an, die sich Die Gilde der Diebe nennt."

Die Gilde der Diebe? Oh, das klang doch schon interessanter. Langsam hatte der Erzengel ihn überzeugt. "Also gut." knurrte Geißel. "Und wessen Schutzengel soll ich spielen?" Bitte keine gewöhnliche, unbedeutende Katze, bitte nicht, das wird langweilig...

"Es ist eine Schülerin des SchattenClans. Ihr Name ist Pechjunges. Mach keinen Quatsch, ihr seid unser Testpaar." antwortete Gabriel nach einer kunstvollen Pause.

"Ernsthaft? Ein Junges? Eine Kätzin? Bist du verrückt geworden?" fauchte Geißel. "Lächerlich! Außerdem widersprichst du dir selbst. Du hast gesagt, sie ist Schülerin."

"Unterschätze sie nicht!" widersprach Gabriel, ohne auf seine Bemerkung einzugehen. "Das gehört nämlich auch dazu: Sie hat das Herz eines Kriegers, die Augen einer unschuldigen Kätzin und das Erscheinen eines hilflosen Junges, doch ihre Seele ist die einer Verräterin."

"Eine Prophezeiung? Für ein Junges? Also, eins muss man den Clankatzen lassen, ihr Leben scheint schon in ihrer Zeit als Kätzchen vorausgeplant zu sein." spottete Geißel. "Wetten, dass das mal wieder total übertrieben ist? Und weiß sie überhaupt davon, dass ich ihren Schutzengel spielen soll?"

Jetzt sah der Engel etwas ertappt aus. "Nein, noch nicht. Und es soll auch nicht jeder erfahren, also mach keinen Unsinn. Ich werde mich darum kümmern, dass sie es erfährt. Wenn ich wiederkomme, geht es los." Er wandte sich ab.

"Moment. Als was bin ich dann eigentlich da? Als Geist? Und wer kann mich sehen und wer nicht?" fragte Geißel, langsam neugierig.

"Als Geist. Sehen kann dich aber jeder, du wirkst wie ein ganz normaler Kater, nur mit einem leichten Schimmer." antwortete Gabriel. "Jag denen keinen Schrecken ein!" Dann war er weg.

Geißel legte sich auf den kühlen Boden des Todeswaldes und schnurrte. Er würde den Clankatzen heimzahlen, was passiert war, egal, ob sie nun dieselben waren wie vor vielen Jahren oder nicht. Und er musste unbedingt mit dieser Diebe-Anführerin reden.

Das war seine Chance, einen neuen BlutClan aufzubauen. Und er hatte nicht vor, sie zu verpassen.

Pechschwarzer EngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt