4. (Schnee) Chaos im ♡

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Als wir das Lokal betraten, empfing uns ein leise gespielter Weihnachtssong, außerdem wurde man regelrecht vom göttlichen Duft frisch gebackener Pizza erschlagen. Augenblicklich knurrte mein Magen. Wann hatte ich das letzte Mal gegessen? Wenn der kleine Joghurt in der Mittagspause nicht zählte, heute wohl noch gar nicht. Aber ich sagte ja, das war echt nicht mein Tag. Kurzerhand entledigten wir uns unserer Mäntel und ich folgte Martin zielstrebig zu einem Tisch, weil er seine Herzdame scheinbar bereits gesichtet hatte.

Ohne zu zögern, beugte er sich zu ihr hinab und küsste sie, als hätten sie sich monatelang nicht gesehen und nicht grade mal vor eine Viertelstunde. Aber was wusste ich schon? Selbst wenn ich verliebt war, so waren die Typen in meinem Leben irgendwie nie scharf drauf, Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit auszutauschen. Klar, ich war geoutet, hatte keine Probleme mit meiner Sexualität, aber ich hatte bis jetzt auch immer Glück gehabt und nie einschlägige Erfahrungen machen müssen. Pöbeleien ja, vor allem in der Schule noch, wer kannte das nicht, aber eben nichts, was ich nicht wegstecken und mit „Idioten" abhacken konnte. Von daher hatte ich tatsächlich nichts dagegen, mich auch mal in der Öffentlichkeit zu umarmen, zu küssen, oder lediglich mal händchenhaltend durch die Welt zu spazieren. Aber vielleicht, irgendwann, würde ich ja einem, meinem, Märchenprinzen begegnen, der wie ich tickte. Da wir schon an Märchenprinzen dachten, hackte mein Hirn gleich mal mit ein, ob der Kerl aus der U-Bahn vielleicht so einer war? So entspannt, so selbstbewusst wie er auf mich gewirkt hatte, lief er bestimmt, mit erhobenem Haupte durch die Welt und nichts und niemand konnte ihm was anhaben.

Seufzend fuhr ich mir durchs Haar und merkte da erst, dass mich zwei Augenpaare fragend musterten. Wann hatten die denn aufgehört zu knutschen? Und wann war ich so schnell wieder zurück in ihren Fokus geraten?

„Laura, das ist Felix, mein Bruder!", stellte mich Martin überflüssigerweise vor, denn wenn diese Laura nur halb so intelligent wie hübsch war, dann hatte sie wohl eins und eins zusammen gezählt. Außer mein Bruder brachte ständig irgendwelche Kerle mit sich, wo von ich nicht ausging. Zumal wir ja zu dritt verabredet waren.

Lächelnd erhob sich das brünette Mädchen, und bis ich mich versah, hatte sie mich schon in eine herzliche Umarmung gezogen. „Hey Felix, freut mich, dich kennenzulernen. Martin hat schon so viel von dir erzählt" Und dann hauchte sie mir auch noch zwei Küsschen links und rechts auf die Wangen.
„Setzt euch", bat sie anschließend und nach Abschließen der Vorstellungsrunde, nahmen wir gemeinsam Platz.

„Wo ist Noel? Wolltet ihr nicht gemeinsam essen?", fragte mein Bruder, während er eine der Karten, die der Kellner soeben gebracht hatte, zu mir hinüberreichte. Hungrig griff ich danach und find an daran zu blättern.
„Er hat mich sitzen lassen", seufzte Laura da schon und verzog ihre Lippen zu einem Schmollmund, wie ich es zuvor noch am Weihnachtsmarkt getan hatte. Ah ja, hier schmolz mein Bruder natürlich sofort dahin, kein Wunder, dass ich es vorhin so schwer gehabt hatte, bei solch einer Konkurrenz. Aber gut, ich wollte mal nicht so sein und es sei ihm verziehen. Schließlich liebte ich ihn ja und gönnte ihm sein Glück.

„Wie das?", wollte mein Bruder wissen, während ich mich fragte, wer dieser Noel war und warum Laura mit ihm ein Date hatte.

„Eine tragische Liebesgeschichte!", seufzte die Kleine mir gegenüber und ihre großen braunen Augen leuchteten auf. Ich wusste ja, dass die meisten Menschen auf dieser Welt braune Augen hatten, aber dennoch, seit wann bitteschön hatten die Leute solch große, schöne Iriden, solch lange dunkle Wimpern? Auch wenn mich manch einer wegen meiner grünen Augen beneidete, so waren sie nichts im Vergleich zu dieser Schönheit. Ob ich es mit Augen hatte? Ja, auf alle Fälle! Und es lag ganz bestimmt nicht nur daran, dass ich meine Brötchen als Augenoptiker verdiente.

„Erzähl!", stieg mein Bruder gleich darauf ein und beugte sich noch tiefer über den Tisch. „Ich dachte, er hätte die Kerle an den Nagel gehängt, seit das mit diesem komischen Typen in die Brüche gegangen war."
„Ja, das dachte ich auch, aber scheinbar war es Liebe auf den ersten Blick!", lachte Laura auf und es hatte grade noch gefehlt, dass sie in die Hände geklatscht hätte.
„Hat er das gesagt?", fragte mein Bruder nach und ich schien gänzlich vergessen worden zu sein.
„Nein, du kennst doch Noel, sowas sagt er nicht. Aber wie er von diesem Kerl erzählt hatte und wie seine Augen dabei geleuchtet hatten, das hättest du sehen müssen."
Mit einem kurzen Seitenblick zu mir erklärte Martin, dass Noel Lauras kleiner Stiefbruder war und dass sie sich von klein auf super verstanden, dieser aber keinerlei Glück mit der Liebe hatte, wie ich. ‚Danke auch liebster Bruder, das wusste ich auch ohne, dass du es mir hier so öffentlich auf die Nase bindest ...', dachte ich seufzend, nickte aber gequält lächelnd.
„Wir haben sogar dran gedacht, euch beide zu verkuppel", beendete er seine Ausführungen lachend. „Aber Laura meinte, wir sollen uns nicht einmischen."

Schnee ♡ ChaosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt