Teil 12 - Amber

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Amber

Diese miese, miese Frau Schmitt!, dachte ich mir auf dem Heimweg, während ich wütend alles aus dem Weg kickte, was mir in die Quere kam. In New York gab es da recht viel. Steinchen, Eicheln, Stöcke, Energy-Drink-Dosen, Verpackungen ... Eigentlich hätte ich nach der letzten Stunde Chemie noch mit meiner Clique abhängen können, doch sie waren schon weitergezogen, nachdem Frau Schmitt gesagt hat, wir müssen "unbedingt zu zweit über mein Verhalten reden."

Ich habe gewusst, welche Sprüche mich erwarten: "Eine Unart", "Ich hasse sowas!", und die Krönung: "KEINE WIDERWORTE!"

Wie nur, wie nur schaffte es eine Lehrerin, ein Mädchen mit so banalen Sprüchen beinahe zum Weinen zu bringen? Vielleicht lag es an ihrem Mundgeruch.

Aber egal. Ich hatte Wochenende! Ich würde meinen Eltern schreiben, dass ich noch kurz bei Khadiira vorbeischauen würde, und Frau Schmitt einfach vergessen.

Hi Dad, ich mache einen Abstecher zum Tierheim und komme etwas später, ok? Ich sparte mir Herz-Emojis. Wahrscheinlich interessierte ihn das eh nicht.

Überraschend schnell kam eine Antwort.

Hallo Schatz, komm bitte unverzüglich zur Bank.

Besorgt blickte ich wieder nach vorne, beschleunigte meine Schritte jedoch nicht. Dad interessierte mein Leben nicht, also würde ich nicht Hals über Kopf seines retten wollen!, kam mir der Gedanke.

Zum Glück lag Dollar$ Manhattan gleich ein paar Meter weiter vorne.

"Oh nein...", entfuhr es mir, als ich einen PKW der Polizei erblickte. Ich hatte von den vielen Einbrüchen in letzter Zeit gehört, was war, wenn ...

Gerade führte eine streng dreinblickende Polizistin zwei Männer zu diesem Wagen und unwillkürlich begann ich, zu joggen. Oje, das sah ernst aus!

Nur noch ein paar Meter... Ich sah meinen Dad aus der Bank heraustreten. "Hi Dad, was ist passiert?"

"Gut, dass du da bist. Hier wurde über Nacht eingebrochen. Der Täter wurde bereits gefasst, aber es sind große Schäden entstanden." Das war ja schrecklich!

"Das tut mir leid!", erwiderte ich und sah den PKW davonfahren. Direkt danach kam ein kleiner Streifenwagen an und parkte vor dem Gebäude. Ein extrem übergewichtiger Polizist stieg aus und ließ den Blick über die Bank schweifen. Dann stieg er aus. Die Automatiktür öffnete sich, worauf er den Eingangssaal betrat. Aus der Tür sprang... Moment, sah ich nicht richtig? Nein, es musste wahr sein. Unter eintausend schwarzen Katzen würde ich meine Khadiira wiederkennen. "Dad, was um Gottes Willen macht sie hier?!", fragte ich erschrocken. Dann nahm ich meine Lieblingskatze auf den Arm, nicht dass sie auf die Straße lief! Ich glaube, mein Vater wollte beginnen zu erzählen, aber der Polizist kam uns entgegen. "Brown mein Name, Polizeikomissar des Stadtteils Manhattan." Er zeigte einen Ausweis vor. "Ist das deine Katze, Mädchen?"

"Nein, eigentlich nicht! Sie lebt im Tierheim, aber ich besuche sie täglich. Und wie sie hier herkommt, das kann uns Mr. Woodward erklären."

"Um eine Erklärung geht es mir eigentlich nicht, ich will nur mitteilen, dass Ihre Katze eine hervorragende Leistung erzielt hat. Möchten Sie Ihre Katze in der Spürhundstaffel anmelden? Na ja, meinetwegen Spürkatzenstaffel." Träge lachte Mr. Brown über den Witz. "Moment, das geht mir hier alles ein wenig zu schnell!", ging ich dazwischen, obwohl ich eigentlich recht eingeschüchtert von dem Polizisten war. Dad seufzte.

"Schatz, ich erzähle alles zu Hause, okay? Ich muss hier noch etwas klären." Oh Mann, Dad, ich bin 13! Ich weiß sehr wohl, was ein Einbruch ist!, wollte ich noch sagen, aber hielt dann doch den Mund und trat ein paar Schritte zurück. Ich kraulte Khadiira am Hals – da, wo sie es am meisten mochte – und versuchte, mir alles selber zusammenzureimen. "Also hat Dad dich aus dem Tierheim ausgeliehen, moment, ausgeliehen? Das darf man doch gar nicht! Und du hast den Täter erspürt? Das kann ich irgendwie nicht glauben." Die schwarze Kätzin berührte mich mit der Vorderpfote, so, als würde sie mich an etwas erinnern wollen. Ich seufzte und vergrub meine Nase in ihrem warmen, weichen Fell. "Ich wünschte, du wärst meine Katze", flüsterte ich, "so richtig meine..."

Ich weiß nicht, ob da oben im Himmel jemand sitzt, der Wünsche erhört.

Aber heute könnte es haargenau so gewesen sein.

Der kräftig gebaute Komissar und mein Dad kamen auf mich zu.

"Mr. Brown und ich haben uns entschieden", begann Dad nach kurzem Räuspern, "dass Khadiira von nun an zusammen mit der Polizei Verbrechen aufklären wird. Sie scheint wirklich begabt zu sein." Bevor ich etwas einwenden konnte, ergänzte der Polizist: "Allerdings muss das Tier aus rechtlichen Gründen dafür adoptiert werden."
Mein Augen trafen die von Dad. Er nickte.
Ich kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder, in der Erwartung, aus dem schönsten Traum meines Lebens zu erwachen.
Aber Mr. Brown stand noch immer da.
Dad war immer noch da.
Khadiira lag immer noch in meinen Armen.
Quietschend fiel ich meinem Vater um den Hals, so gut wie es mit einer Katze auf dem Arm eben ging, und wischte mir eine kleine Freudenträne aus dem Auge. "Selbstverständlich bist du für ihre Pflege zuständig. Ich und Julie kümmern uns nur um die Polizeieinsätze und Tierarztbesuche." "Na klar, Dad!", antwortete ich und gab meiner Katze einen dicken Kuss zwischen die Ohren.
Lächelnd verabschiedeten wir uns von Mr. Brown und machten uns auf dem Weg ins Tierheim, um alles zu klären.
"Ach so, Amber", fiel Dad ein, "das Training für Khadiira findet morgens statt. Das heißt, bis sie hilft, ernsthafte Fälle zu lösen, habe ich den ganzen Nachmittag Zeit für dich."
Mein Grinsen wurde breiter.

Khadiira, a Manhattan heroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt