Die leeren Lande waren wirklich... leer. Runningwind war sich nicht sicher, ob er schon jemals so eine Leere gesehen hatte.
Nicht ein Büschel Gras wuchs in dieser Einöde, geschweige denn, dass hier Tiere zu sehen waren. Die Sonne schien hoch am Himmel und warf die Schatten der drei Drachen auf den kahlen Boden über den sie segelten.
Sie waren am frühen Morgen von Bloodthirst aufgeweckt worden. Sie hatte gesagt, dass sie vor Sonnenuntergang noch eine Ordentliche strecke zurücklegen wollte. Je schneller sie das Eisentor erreichten, desto besser, meinte sie.Runningwind gingen die Schattenwölfe nicht mehr aus dem Kopf. In einem Buch, welches sich mit diversen Tieren in und um das geeinigte Land beschäftigte, hatte er gelesen, dass sie größer als Mondwölfe waren, schon fast so groß wie Drachen. Sie hatten schärfere Krallen und spitzere Zähne als die harmlosen Haustiere und wurde man einmal von einem Rudel angefallen, war es um einen geschehen.
Er schluckte schwer. Er war in der Schule der schlechteste im Kampfunterricht gewesen. Seine Taktik war exzellent, aber die Umsetzung ließ zu wünschen übrig, wie der Lehrer immer gesagt hatte. Stargazer hatte das gleiche Problem nur umgekehrt. Sie schlug ohne Taktik drauf los, was eine unglaublich kräftezehrende „Strategie" war.
"Können wir eine Pause machen? Meine Flügel schlafen ein!", rief Runningwind. Eigentlich waren seine Flügel hellwach, doch Stargazer war stark zurückgefallen. Sie hatte laut Bloodthirst kaum geschlafen und war ständig aufgewacht. Der Schock und die Trauer mussten ganz schön an ihren Kräften gezerrt haben.
"Na meinetwegen. Aber nur kurz!", rief Bloodthirst zu ihm zurück und ging in den Landeanflug. Staub wurde aufgewirbelt als sie und Runningwind landeten und auf Stargazer warteten, die stolpernd auf dem Boden aufkam. Runningwind lief zu ihr und stützte sie, als sie drohte umzukippen. Ein lautes Grummeln kam von ihrem Bauch. Ein klares Indiz dafür, dass sie hungrig war.
"Finden wir hier irgendwas essbares?"
"Nein. Wenn hier etwas herumliegt, was auch nur ansatzweise den Magen füllt, dann hätten die Schattenwölfe sich das schon unter den Nagel gerissen", brummte Bloodthirst, die unbeteiligt ein paar Meter von ihnen entfernt saß.
"Aber wenn Stargazer nichts isst kann sie nicht weiterfliegen!"
"Ihr Pech. Dann fliegen wir alleine weiter." Runningwind sah den roten Drachen mit seinem bösesten Blick, der ihm möglich war, an.
"Wir werden sie nicht zurücklassen!" Bloodthirst kam zu ihm und baute sich vor dem kleinen Drachen auf.
"Jetzt hör mal gut zu, Tiny. Hier heißt es Jeder Drache für sich allein. Ich helfe euch nur, weil ich weiß, dass ihr sonst als kleine Fleischfetzen zwischen den Zähnen der Schattenwölfe hängen würdet. Also hör auf zu jammern!", knurrte sie und zeigte die Zähne. Runningwind hielt ihrem Blick stand.
"Wenn das so ist, dann bleibe ich auch zurück. Na los! Geh schon! Wir kommen auch gut alleine klar!"
"Schön! Dann flieg ich wieder zurück!" Bloodthirst drehte sich um und breitete die Flügel aus. "Undankbare Kackbratze...", murmelte sie, bevor sie abhob. Runningwind schnaufte gereizt, doch als sich seine Gedanken wieder klärten kapierte er erst was er angestellt hatte. Er hatte seine und Stargazers einzige Überlebenschance weggeschickt!
Plötzlich hatte er das Gefühl ihn würde etwas beobachten. Ruckartig riss er den Kopf hoch und sah sich mit seinen scharfen Augen um. Doch da war nichts, außer ein einsamer kleiner Strauch. Er ging zu Stargazer, die auf dem Boden zusammengesunken war und zog sie hoch.
"Lass uns zu dem Strauch gehen. Du musst aus der Sonne raus." Langsam stützte er Star zum Schatten des Strauchs und legte sie dort ab. Viel bot der Strauch nicht, doch es war besser als in der prallen Sonne zu liegen. Runningwind kniff die Augen zusammen und blickte zum wolkenlosen Himmel, von dem die Sonne gnadenlos auf sie niederbrannte. Ganz schwach konnte er den cremig weißen Streifen am Himmel erkennen.
"Ich versuche dir etwas Essbares zu finden", flüsterte er Star zu, die die Augen halb geschlossen hatte, bevor er den Schatten des Strauches verließ und in die Luft sprang. Plötzlich durchzuckte ihn eine Erkenntnis und er sah zurück zu seiner Freundin. Nun, mehr auf den Strauch, der überraschend lebendig aussah. Er musste von irgendwo her Wasser bekommen. Runningwind fasste sich an den Kopf. Die Hitze setzte ihm so sehr zu, dass er die einfachsten Schlüsse nicht ziehen konnte!
Der kleine Winddrache setzte zur Landung an und begann auf der schattigen Seite, neben Stars Körper zu graben. Als nach geraumer Zeit die Erde nicht einmal feucht wurde gab Runningwind auf. Der Strauch hatte seine Wasserquelle zu tief versteckt.Leicht hechelnd sah Runningwind sich um. Er musste etwas tun, sonst würden sie hier verenden. Er stand wieder auf und verließ den schützenden Schatten. Warum war er auch so dumm gewesen und hatte Bloodthirst weggeschickt? Oh, wie gerne er doch etwas trinken würde... Er schüttelte den Kopf und rief sich zur Ordnung. Star ging vor!
Er breitete die Flügel aus und schwang sich in die Luft. Wie ein Raubvogel suchte er den Boden nach etwas essbarem ab.
Er verlor schon beinahe die Hoffnung, als er plötzlich einen dunklen Fleck in der Ferne sah. Kräftig schlug er mit den Flügeln und flog auf den Fleck zu. Dort lag auf dem rissigen Boden die Leiche eines Wolfes. Vermutlich eines Schattenwolfes. Hungrig landete er und schnupperte. Ganz so frisch roch es ja nicht mehr, aber es war besser als nichts. Er packte den toten Wolf am Nacken und versuchte wieder abzuheben. Doch der Wolf war selber größer als er. Nachdenkend ließ der junge Drache von der Leiche ab. Ein Bein würde vermutlich schon reichen. Ohne lang zu zögern riss er dem Wolf die muskulösen Hinterbeine aus und flog mit denen im Maul los.
Schon fast am Ende seiner Kräfte landete er neben Stargazer und ließ die Wolfsbeine fallen. Er stupste Star sanft an und schob ihr eines der Beine hin."Iss. Es wird dir gut tun." Schwach hob Star den Kopf und biss ein Stück aus dem Bein. Runningwind selber kauerte sich vor das andere Bein und riss Stück für Stück raus und verschlang sie gierig. Als er jeden einzelnen Fetzen von dem Knochen genagt hatte sah er zu Star rüber, die bereits etwas kräftiger wirkte.
"Danke, Runningwind."
"Keine Ursache, Star." Runningwind dachte angestrengt nach.
"Wir müssen Wasser finden. Nur wo..." Runningwind schlug die Klauen über dem Kopf zusammen und kniff die Augen zusammen. Es war zu heiß. Viel zu heiß.
"Lass uns versuchen weiterzufliegen", meinte Stargazer, stand auf und zog Runningwind hoch. Träge öffnete er seine Flügel und zog sich mit ihnen in die heiße Luft. Stargazer war dicht hinter ihm und hielt dauerhaft nach Wasser Ausschau.
Runningwind war etwas zurückgefallen, als Stargazer ihn plötzlich an der Schulter antippte.
"Da ist eine kleine Oase!", sagte sie und deutete auf einen grünen Flecken links von ihnen. Synchron knickten sie ihren jeweils linken Flügel ein und nahmen Kurs auf die Oase. Runningwind seufzte erleichtert, als er auf dem dünnen Gras landete und durstig zu einer kleinen Pfütze ging. Er kauerte sich an die Pfütze und begann von dem wenigen Wasser dort drin zu trinken. Nach ein paar Schlucken zwang er sich dazu aufzuhören und Platz für Star zu machen, die sich daraufhin ebenfalls zum trinken an die Pfütze kauerte.
Runningwind legte sich in den Schatten eines Busches und sah mit halb geschlossenen Augen zu Star. Doch plötzlich hörte er ein Rascheln und sah einen wolfförmigen Schatten, der aus einem Strauch hinter Star schlich und sich lautlos auf den blauen Drachen zubewegte.„Star! Pass-" Plötzlich bekam er einen Schlag auf die Hörner, der ihn sofort ausknockte.
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Herrschaft der Schwingen
Fantasy"Ihr habt kein Recht mich einzusperren! Ich habe nie gegen die Regeln verstoßen!", brüllte Wisespeech und wehrte sich heftig gegen ihre Ketten. "Und was ist damit?", fragte der Kommandant, ein stämmiger, muskulöser Drache, und hielt ihr ein Pergamen...