[Zahnräder]

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Sirenen, Polizei, Feuerwehr...alle sind am Hofe verteilt während sie mit besorgten Blicken zu mir hinauf schauen. Aber auch die ganzen scheiß Reporter, die jemandem beim Fallen LIVE aufnehmen wollen, um ein interessanteres Thema für ihre Zeitung zu haben und mehr Zuschauer zu zeugen. Wie verloren diese Welt doch war.
Wie üblich bei uns Japanern, zog ich meine Schuhe aus und genoss noch ein letztes Mal die Brise die durch meine Haare ging und mich die Freiheit fühlen ließ. Meine Eltern schauten mit ängstlichen und feuchten Augen mich an doch seit wann sorgten sie sich schon um mich. Da änderte ihr winseln meine Entscheidung, zu springen, auch nicht. Das einzige, was mich kurz zögern ließ, war der letzte Anblick meines Bruders, der vor Tränen ganz nass im Gesicht wurde und sich durch die Polizisten zu mir nach oben drängte. Wenn er schon hochkommen wollte, wollte ich noch ein letztes Mal mit ihm reden und ihm für seine treue danken.

,,Ryu..."

Langsam drehe ich mich um und gucke in seine roten Augen.

,,Ryu...bitte komm runter. Bitte."

,,Ich will aber nicht, Ken."

,,Ryu, du willst das nicht. Das weiß ich. Komm nimm meine Hand."

,,Bitte Ken, komm nicht näher."

Je näher er kam, desto mehr distanzierte ich mich von ihm bis meine Fersen rausguckten.

,,Ryu, glaub mir, wenn du springst, springe ich dir hinterher."

,,Das sagst du doch nur, damit ich runter komme."

,,Nein. Ich schwöre dir bei allem was ich liebe. Ich springe dir nach."

,,Warum solltest du? Dein Leben ist nicht so wie meins. Die geht's gut."

,,Weil du mein Bruder bist. Wir sind Zwillinge, Ryu. Ein Zwilling ist kein Zwilling ohne sein Zwilling. Ryu, wir gehören aneinander. Wie sollte ich ohne dich weiter leben. Wir sind wie Zahnräder. Das eine Rad dreht sich nicht ohne das andere. Wenn es dich nicht mehr gibt, dann bin ich ohne dich auf dieser Welt überflüssig."

Seine schluchtzenden schmerzvollen Worte ließen mich nachdenken. Ich wusste, dass er wirklich mir nach springen würde. Also würde ich mit dieser Aktion auch ihn umbringen.

,,Komm Ryu. Es wird alles gut. Du wirst nie wieder leiden. Ich weiß, das Verhalten von Vater, hat für all das gesorgt. Aber Ryu, wer ist schon ein Vater, der sich nicht wie ein Vater verhält. Egal, was er über dich oder dir sagt, er hat Unrecht. Lebe weiter, bis das eine Wunder geschieht, was dich für immer glücklich macht."

Es munterte mich zwar nicht auf, aber ich wollte dieses Leid Ken nicht antun.

,,Nur für dich, Ken, werde ich es nicht tun."

Mit einem erleichterten Lächeln wollte er langsam auf mich zukommen. Doch ich stand schon so sehr am Rand, dass ich mein Gleichgewicht verlor und fiel.

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