Was ist ein Mike?

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Es ist spät Sonntagnachmittag als ich bei mir zu Hause, mit meiner Gitarre in der Hand ankomme. Ich bin ziemlich im Eimer da wir am Vortag noch einen Auftritt hatten. Vermutlich unseren letzten...ich bin mittlerweile 23 Jahre und uns ist immer noch nicht der Durchbruch gelungen. Auch der Rest der Band hat mittlerweile aufgegeben. Wir haben genug von Bierzelt Auftritten und unbekannten Festivals bei der uns das Publikum keinerlei Beachtung schenkt. Ich stecke den Schlüssel in das Schlüsselloch und drehe gerade rum als mich jemand anspricht. „Herr Spencer?" Verdutzt drehe ich mich um. „Ja?" Eine Frau ca. mitte dreißig spricht mich an. Was will die olle Schabracke von mir? Ich will nur zwei Sachen...unter die Dusche und dann ins Bett und ich hoffe das ich erst nächstes Jahr wieder aufwache. Die Frau grinst mich an und ich verziehe das Gesicht. Sie kommt mir irgendwie bekannt vor. „Ich bin Alice von nebenan." Ach ja,...daher kenn ich sie, sie ist meine Nachbarin. „Einen schönen guten Tag Frau Nachbarin...aber ich bin..." „Könnten sie auf Mike aufpassen?" Ich lege meine Stirn in Falten. Was ist ein Mike? „Ich verstehe nicht." Sie lächelt mich sanftmütig an. „Mike ist mein Sohn. Er ist fünf." WAS? Ich und auf ein Kind aufpassen?! Nie und nimmer! Schau ich aus als wäre ich blöd? Ich kann mit solchen Dingen nicht umgehen! „Ähm..." „Nur eine Stunde...höchstens. Ich müsste kurz weg und ich kann meine Schwester nicht erreichen." Ich kratze mich am Kopf. „Äh..." Sie kommt auf mich zu gerannt und umarmt mich. „Vielen, vielen, vielen Dank! Sie helfen mir sehr damit!" Sie dreht sich um und fängt zu schreien an „Mike! Komm her! Onkel Spencer passt auf dich auf!" Onkel? Ich glaub die hat sie nicht mehr alle! Ich hebe den Zeigefinger, um zu protestieren, aber da ist sie auch schon weg. Ich schaue an mir herunter und erschrecke. „Huch!" Vor mir steht ein kleiner Junge. Er grinst mich breit an. Er deutet auf meinen Gitarrenkoffer. „Was ist das?" Ich runzle die Stirn und hole tief Luft. Beruhig dich Colin. Es ist nur ein kleiner Junge. Ich deute zu Tür und frage unsicher „Wollen wir reingehen?" „Mhm." Der kleine Junge schleicht sich an mich vorbei und tritt vor die Tür und wartet darauf das ich aufsperre. In der Wohnung angekommen macht es sich der Knirps sofort auf der Couch bequem. Ich schaue ihn mit äußerster Skepsis an. „Wie alt bist du?" Stolz gibt er zur Antwort „5!" „Ahja...willst du Fernseh schauen?" Er schüttelt vehement mit dem Kopf. Ich beuge mich zu ihm hinunter. „Was willst du dann?" Er steht auf und schleicht durch meine Wohnung. Er nimmt alles ganz genau unter die Lupe. Ich würde so gern ins Bett! Plötzlich beginnen seine Augen zu leuchten und deutet in die Ecke. „Was ist das?" Ich kratze mich am Kopf. Ich frage mich ob der junge jemals rausgelassen wurde. „Das ist eine Gitarre." Er starrt auf meine Gitarre und schaut schon beinahe ehrfürchtig sofern das ein 5-jähriger kann an. „Darf ich das mal anfassen?" „Nein." Aber da tatscht er sie auch schon an. Ich kann es nicht leiden, wenn man meine Gitarren anfasst. Ich verdrehe die Augen und seufze angenervt. Ich lasse mich auf meine Couch fallen. Der Kleine starrt immer noch auf meine Gitarre. Mir solls recht sein. Muss ich nicht weiter auf ihn acht geben. Ich schalte den Fernseh ein und schalte durch die Programme. Nur Mist in diesem Kasten. Meine Augen werden immer schwerer... ich werde von meinem Halbschlaf gerissen als sich ein ekelhafter Ton in meiner Wohnung ausbreitet. Ich schaue sofort zu dem kleinen Jungen, der mich unschuldig ansieht. Ich glaub ich spinne! Es ist eine Saite meiner Gitarre gerissen! „Was hast du gemacht? Wie um alles in der Welt hast du das geschafft?" Er steckt seinen kleinen Finger in den Mund und schaut beschämt zu Boden. Kinder! Eine echte Plage! Ich stehe auf und bücke mich zu ihm runter. „Was hast du getan? Sag es mir!" Keine Antwort. Kinder haben eine echt krasse Ausdauer. „Entschuldigung." Ich runzle die Stirn. Er kann reden...Vielleicht sollte ich es mal ein bisschen sanfter versuchen. „Wie ist das passiert?" Er deutet auf die Gitarre. „Ich habe nur einmal kurz hin gefasst und dann ging das kaputt." Er setzt einen Hundeblick auf und ich kann ihm nicht mehr böse sein. Ich wuschle ihm durch die Haare. „Schon gut kurzer. Vermutlich war sie schon angerissen." „Kann man das reparieren?" Ich winke ab. „Na logisch." Der Junge dessen Name mir entfallen ist fängt zu schniefen an. Ich schiebe Panik. Er soll jetzt bloß nicht zu heulen anfangen! Er fängt lauthals zu weinen an. „Ich habe dein Ding kaputt gemacht!" Oh mein Gott! Ein weinendes Kleinkind. Ich bin komplett überfordert! Ich weiß nicht was ich jetzt machen muss. „Nicht doch...du hast sie mir nicht kaputt gemacht. Es ist doch nur eine Saite gerissen!" Das Wort 'gerissen 'scheint es nur noch schlimmer zu machen. Er pegelt seine Lautstärke nochmals hoch und ich halte mir die Ohren zu. Das hält doch keiner aus! Da kommt mir eine Idee! Ich laufe in meine Abstellkammer und zieh aus dem hintersten Eck eine uralte Gitarre hervor. Schnell laufe ich mit ihr zurück zu dem weinenden Kind. Ich drücke sie ihm in seine kleinen Hände. „Hier, für dich." Er verstummt augenblicklich und ich atme erleichtert aus. Ich klopfe mir innerlich selbst auf die Schulter. Der Junge schaut sie erstaunt an. Absolut begeistert setzt er sich damit auf das Sofa. Er streift über die Saiten und eine absolut grässliche Melodie kommt zum Vorschein. Davon bekommt man ja Zahnweh! Ich bin buchstäblich vom Regen in die Traufe gekommen. Ich will mich gerade zu ihm setzten als es an der Tür klingelt. Meine Nerven hängen nur noch an einem seidenen Faden. Ich will doch nur meine Ruhe haben und ins Bett! Genervt stampfe ich zur Tür. Ich öffne sie und erschrecke. „Stacy was machst du denn hier?" Sie zieht die Augenbraue nach oben. „Wir waren verabredetet hast du das etwas vergessen?" Ich kratze mich am Hinterkopf. „Verabredet? Heute? Kann ich mir nicht vorstellen." „Colin du bist so ein ..." Sie verstummt als sie das geklimpert hört und quetsch sich an mir vorbei. „AHHHHH wie süß ist dass denn?" Ich verdrehe die Augen. Sie hat den Zwerg entdeckt. Sie steht vor ihm und himmelt ihn an. So leicht ist man also abgeschoben. „Ich wusste gar nicht, dass du einen Neffen hast." „Er ist nicht mein Neffe." Sie setzt sich zu ihm auf die Couch. „Na wer bist du denn?" Der kleine stellt sich ihr brav vor. „Ich heiße Michael." Sehr gut...jetzt weiß ich wie er heißt. Hatte den Namen völlig vergessen. „Ich bin Stacy. Eine Freundin von Colin ." Ich hebe protestierend den Finger. „Stacy...können wir dieses Treffen bitte vertagen?" Ich lass die Schultern hängen. Sie hört mir überhaupt nicht zu. „Warum hast du nicht gleich gesagt das du solch netten Besuch hast." Ich lehne genervt am Türrahmen. „Weil ich es selbst nicht wusste. Er wurde einfach bei mir geparkt." Sie kommt auf mich zu und bleibt vor mir stehen. „Dann verschieben wir die Probe einfach." Ich runzle die Stirn. Probe? „Ach ja die Probe!" Ich hatte ihr versprochen sie mit der Gitarre zu ihrem Gesinge zu begleiten. Jetzt ist es mir wieder eingefallen. Ich lasse einen erleichterten Seufzer von mir. Doch kein Date. Bin ich ein Glückspilz. Ich verliere allmählich den Überblick. Sie grinst mich vergnügt an. „Süß von dir dem kleinen Gitarre spielen beizubringen." Was? „Ähm..." Sie geht an mir vorbei Richtung Tür und meine Augen verharren sich unabsichtlich an ihrem Hintern. Sie dreht sich blitzschnell um. „Starrst du mir etwa gerade auf den Arsch?!" Ich schüttel energisch mit dem Kopf und schaue unschuldig. „Niemals!" Sie stemmt ihre Hände in die Hüften während vom Wohnzimmer her grausamer Gitarrensound kommt. Ich fletsche die Zähne „Also was ist nun? Verschieben wir die Probe oder soll ich mir jemand anderen suchen?" Ich werde noch heute den Verstand verlieren! Ich fahre mir mit der Hand über das Gesicht. „Ich ruf dich an okey?" Sie zwickt die Augen zusammen und sieht mich finster an. „Ja...schon klar..." Mit diesem Satz dreht sie sich um und verlässt die Wohnung. Angefressen von der Gesamtsituation schlürfe ich zurück ins Wohnzimmer. Ich schaue Mike beim Spielen zu und muss plötzlich zu schmunzeln anfangen. Ich glaub ich habe mich anfangs genauso angestellt. Die Gitarre ist fünf Nummern zu groß für ihn aber eine kleinere habe ich nicht. Ich setzte mich zu ihm. „Warte mal..." Er sieht mich mit seinen runden Kinderaugen erwartungsvoll an. Ich nehme ihm die Gitarre ab. „Ich zeige dir jetzt einen ganz einfachen Riff. Dafür brauchst du nicht mal deinen Greifarm." Er neigt seinen Kopf zur Seite. „Was ist ein Greifarm." Ich halte meine linke Hand in die Luft. „Das ist die Hand, mit der du das Griffbrett der Gitarre hältst." Er reibt sich die Augen. „Griffbrett?" „Ja, so nennt man das." Ich drehe mich ihm zu. „Die Gitarre ist in drei Hauptgruppen unterteilt. Kopf, Hals und Korpus." Seine Augen werden immer größer. „Die Gitarre hat einen Kopf und einen Hals." „Ähm...ja." „Hat sie auch Augen?" „Nein." „Braucht sie Luft, wenn sie einen Hals halt?" Ich bin verwirrt. Was stellt der für komische Fragen? „Nein, sie braucht keine Luft." „Aber wieso hat sie dann einen Hals, wenn sie keine Luft braucht?" Kinder denken echt kompliziert. „Das nennt man nur so. Die Gitarre ist kein Lebewesen und braucht somit auch keine Luft zum Atmen." „Achso." Er gibt sich mit meiner Antwort zwar zufrieden, aber es ist ihm deutlich anzukennen, dass er es immer noch nicht gepeilt hat. Ich lege mir die Gitarre auf den Schoß und streiche über die Saiten und...erschaudere! Sie ist mega verstimmt. Grauenhaft! So kann man ja nicht vernünftig spielen. Ich drehe an den Wirbeln und zupfe an den Saiten. „Was tust du da?" „Ich stimme die Gitarre." Er steckt sich einen Finger in die Nase und schaut mir gespannt zu. „Kannst du das bitte lassen? Das ist abartig!" Er nimmt den Finger aus der Nase und zupft an meinem T-Shirt. Lecker! „Du...ich muss mal aufs Klo." „Durch die Tür durch und dann gleich rechts." „Wo ist rechts?" Ich vergesse das ich es hier mit einem 5-jährigen zu tun habe. Ich stehe auf und fühle mich wie 50ig. Jeder Muskel schmerzt. „Komm mit. Ich zeige es dir." Er springt auf und nimmt meine Hand. Leicht irritiert darüber das er sich meine Hand gekrallt hat führe ich ihn in das Badezimmer. Ich rümpfe die Nase. Sollte dringend mal wieder aufräumen. Mike bleibt im Badezimmer stehen und sieht mich beschämt an. „Was ist?" „Ich ähm...ich kann mich noch nicht selbst abputzen." Ich verfalle in eine Schockstarre. Das kann jetzt nicht sein Ernst sein! Ich bin doch kein Erzieher! Ich bin doch einfach nur Colin! Noch bevor ich reagieren kann hat er sich die Hose runtergezogen und klettert auf die Toilettenschüssel. Er sieht mich an „Ich kann nicht, wenn du mir dabei zu kuckst." Ich stehe immer noch wie angewurzelt da, drehe mich tonlos und steif wie ein Brett um und gehe zu Tür hinaus. Ich kralle mich an der Wand fest. Das ist mit abstand der schlimmste Tag in meinem Leben! Ich werfe einen Blick in meinen Garderobenspiegel und erschrecke vor mir selber. Scheiße! Mir stehen bereits meine langen schwarzen Haare zu berge. Vom Badezimmer schallt eine piepsige Kinderstimme zu mir. „Ich bin fertig!" Ich zucke heftig zusammen. Ich kralle meine Finger in die Haare. Schickt mir 100 Nymphomaninnen...kein Problem. Damit werde ich fertig. Doch ein 5jähriger...der macht mich kaputt.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 09 ⏰

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