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Wichtig:
kursiv  = es wird portugiesisch gesprochen

Kenma POV

Rio de Janeiro.

Kenma war wirklich in Rio de Janeiro. Er war ganze 21 Stunden geflogen. Er war auf der anderen Seite der Welt. Kenma konnte es noch nicht ganz glauben.

Seine Eltern hatten ihn ausgelacht, als er ihnen davon erzählt hatte. Gerade er, der die letzten Monate so gut wie nie aus dem Zimmer gekommen war. Wenn Kuroo nicht gewesen wäre, hätte Kenma in der gesamten Zeit wohl keinen menschlichen Kontakt gehabt.

Kuroo hatte ihm oft gesagt, dass er zu einem Hikikomori wird. Japaner, die sich Zuhause einsperrten und nicht mal zum Einkaufen das Haus verließen. Als Kenma dann eines Abends in seiner App den Wocheneinkauf bestellte und seine Lieferadresse eintippte, wurde ihm klar, dass sein Kindheitsfreund recht hatte.

Er musste etwas ändern.

Dabei hatte ihm selbst sein Therapeut, mit dem er nur noch über Videochat telefonierte, gesagt, dass er mit seiner sozialen Phobie und seinen Panikattacken erstmal einen kleinen Schritt nach draußen wagen sollte. Ein Café oder ein Kinobesuch. Das wären Anfänge gewesen.

Doch wenn Kenma etwas tat, dann tat er es richtig. Und extrem.

Am nächsten Tag hatte er sich einen Direktflug nach Brasilien gebucht. Warum es gerade Brasilien sein musste, wusste er selbst nicht. Er konnte die Sprache nicht und sein englisch war ebenfalls grottig.

Außerdem war gerade Dezember. Es war Weihnachtszeit. Kenma wusste nicht, wieso er gerade an Weihnachten den Drang verspürt hatte, vor seiner Familie zu flüchten und lieber alleine zu feiern.

Wahrscheinlich, weil er das ewige Genörgel, dass er sich endlich einen "richtigen" Job suchen sollte, nicht mehr ertragen konnte.

Dabei verdiente er in seinem "unprofessionellen, vergänglichen" Job - wie es seine Eltern so schön beschrieben - jeden Monat einen überdurchschnittlich hohen Betrag. Um genau zu sein, gehörte er zu den wenigen privilegierten in seinem Alter, die sich reich nennen durften.

Er war Youtuber und das funktionierte gut. Er musste die Wohnung nicht verlassen und wurde dafür bezahlt, in eine Kamera reinzureden. Doch davon verstand die ältere Generation nichts.

Wenn es wenigstens das einzige wäre, was an ihm kritisiert wurde.

"Such dir endlich eine Frau. Ich hätte so gerne Enkelkinder."

"Deine Haare sehen aus, als würdest du zu einer Gang gehören. Färb dir wenigstens den Ansatz."

"Soziale Phobie? Was soll das sein? Das ist doch wieder nur eine Ausrede deiner faulen Generation."

"Red doch endlich mal mehr. Du bist immer so still."

...

Kenma liebte seine Eltern. Aber manchmal waren sie unerträglich.

Mit einem roten Koffer stand er am Flughafen. Er trug einen übergroßen Hoodie und hatte die Kapuze übergezogen. Der Hoodie lag so locker, das nur noch seine Fingerspitzen raussahen.

Außerdem trug er eine Sonnenbrille. Nicht, weil er sie bräuchte. Immerhin schien die Sonne nicht in den Flughafen rein. Doch er fühlte sich in der Menschenmasse so wohler. Es war alles etwas abgedunkelt, was Kenma innerlich beruhigte. Trotzdem starrte er die ganze Zeit auf dem Boden.

Mit schweißnassen Händen suchte er den Ausgang. Er hasste Flughäfen. Sie waren immer so unübersichtlich riesig und Kenma verstand nur die Hälfte von dem, was auf den Beschilderungen stand. Sie waren wenigstens auf englisch. Wären sie auf portugiesisch würde er gar nichts verstehen.

Du und ich sind völlig verschieden, verstehst du mich? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt