Prolog

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Vor einer ganzen Weile, gut 3 Jahren genau genommen, zog ich aus Kalifornien nach Deutschland. Mein Vater hatte hier ein Jobangebot bekommen, als ich 17 wurde. Es war das grausamste Geburtstagsgeschenk, das er mir seinerzeit machen konnte.

Seine frohe Botschaft hatte mich in Tiefen gestürzt, denen ich in meinem Leben zuvor noch nie begegnet war.

Mir war vor diesem Tag nicht klar gewesen, dass ich den gesamten vorherigen Teil meines Lebens wie auf Wolken verbracht hatte, unberührt und sicher. Es hatte nicht immer so gewirkt, daran erinnere ich mich, doch dieser Tag war wie ein Schlag ins Gesicht. Dass er von mir verlangte, meine Freunde zurückzulassen und das für ein Land, dessen Sprache ich bestenfalls gebrochen sprechen konnte und das so kalt war, dass ich die ersten Monate glaubte, ich müsse sterben. Es war eine harte Zeit und es kostete mich viel Energie, hier meinen Platz zu finden. Schlussendlich war es aber, wie er es prophezeit hatte.

Ich fand mich zurecht und auch jetzt lebe ich noch hier, obwohl ich es längst nicht mehr müsste. Mich zieht es nicht zurück nach Kalifornien. Zumindest nicht langfristig. Ich fühle mich inzwischen wohl hier und habe neue Freunde, die mir sehr nahestehen. Nicht, dass ich meine alten Freunde ersetzen wollte.

Viele von ihnen entfremdeten sich im Laufe der Zeit von mir – aus den verschiedensten Gründen. Ein paar Wenige hielten die erste Zeit noch Kontakt zu mir, aber irgendwann war nur noch einer übrig: mein bester Freund seit Kindertagen. Die Verlässlichkeit in Person und Teil einer Familie, die man nur beneiden kann. Wenn ich nach Beispielen für Perfektion suchte, fielen sie mir immer als erstes ein. Ihr perfektes Haus, ihre perfekten Leistungen, ihre perfekte Firma, ihre perfekten Beziehungen. Es wäre einschüchternd gewesen, wäre Oliver nicht trotz allem am Boden geblieben. Ein ruhiger, höflicher und freundlicher Kumpane, der sich stets von all den Klischees distanzierte, die man mit den goldenen Kindern in Verbindung bringt. Ihm war unsere Freundschaft auch nach meinem Umzug tatsächlich noch wichtig und auch, wenn es nicht immer einfach war, haben wir uns mehr oder minder regelmäßig Nachrichten zukommen lassen. Nichts Großartiges und wir waren nicht mehr so eng wie früher, aber noch vertraut genug, um ihn nach wie vor als einen guten Freund bezeichnen zu können, ohne sich deswegen schlecht fühlen zu müssen.

Er schrieb mir gern Briefe, weil es sich für ihnechter anfühlte. Weil es weniger merkwürdig war, auf Antworten aus eineranderen Zeitzone warten zu müssen, wenn man wusste, dass es eben ein wenigdauern konnte.


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