Kapitel 1 - Jeffrey

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Es war immer eisig kalt im unteren Teil des Archivs. Und auch die Feuchtigkeit hatte sich ihren Weg, aus der dunklen Erde durch die Ritzen der bröckelnden Wände in den Raum gebahnt, wo sie ihn mit Moos und anderen Flechtengewächsen schmückte. Deshalb besuchte ihn auch kaum jemand freiwillig. Zudem wurde gemunkelt, dass es dort unten spukte. Die Geister derjenigen, deren Akten seit über 20 Jahren mit dem Aufdruck "Ungelöst" vermoderten, sollten angeblich in der Dunkelheit des Kellers auf den Tag warten an dem man ihr Verschwinden oder ihren Mord geklärt hätte. Als einmal ein junger Polizist, während des Nachtdienstes für immer spurlos verschwunden war und man die Tür offen aufgefunden hatte, wurde die Schuld dafür auf die Kellergeister geschoben. Für den Fakt das später rauskam, dass dieser einfach abgehauen war und danach gefeuert wurde, interessierte sich aber niemand. Aus diesen Gründen blieb die kleine mit grüner abblätternder Farbe bestrichenen Tür, meist geschlossen. Wenn es dann doch nötig war, dass eine der unten gelagerten Unterlagen benötigt wurde, dann losten die Beamten untereinander aus, welcher Pechvogel sich dieses mal wieder hinunter wagen musste.

Im Gegensatz zu den Polizisten, hielt Jeff Moore sich gerne unten auf. Für ihn hatte das Archiv überhaupt nichts Schauderhaftes oder Unangenehmes an sich. Ganz im Gegenteil: Er mochte Orte wie diesen, an denen ihn das Rätselhafte wie eine Wolke zu umgeben schien. Orte mit zahlreichen Geheimnissen, die nur darauf warteten von ihm gelöst zu werden. Orte, an denen er ungestört in die teils haarsträubenden Geschichten eintauchen konnte. Orte, wie den Archivkeller.

Er hatte seit jüngstem Alter schon, oft viel Zeit hier verbracht. Manchmal wenn seine Mutter und auch andere Verwandten keine Zeit gehabt hatten, um auf ihn aufzupassen, dann hatte sein Vater ihn mit aufs Revier genommen. Dort hatte er schon bald die kleine grüne Tür gefunden und hatte dahinter die unglaublichen Wunder des Archivs entdeckt. Er hatte von verschwundenen Personen gelesen. Menschen, die von einem Tag auf den anderen ohne jede Spur verschwunden waren, dann aber plötzlich auf der anderen Seite der Welt wieder auftauchten. Von angeblichen Sichtungen eines Monster, dass angeblich auf der anderen Seite des Goldlake hauste. Dann aber wieder grauenhaft wahre Geschichten von Entführungen und Morden. Doch bei den meisten dieser Fälle, hatte sich früher oder später ein Täter oder eine logische Erklärung ergeben. Doch es waren nicht diese Fälle die Jeffs Faszination gepackt hatten, sondern jene über welche man sich diese Geistergeschichten erzählte. Natürlich war Jeff im Gegensatz zum Grossteil der sehr abergläubischen Bevölkerung von Mineola klar, dass Gespenster nicht existierten. Und auch wenn, dann bestimmt nicht im Archivkeller. Warum um alles in der Welt sollten sie sich genau hier unten aufhalten? Er selbst, dachte er manchmal, würde wenn schon um seinen Mörder herum verweilen, um diesem keine ruhige Nacht mehr zu bescheren. Aber so weit dachten die meisten der Polizisten gar nicht.

Von allen Fällen aber, hatte es ihm das mysteriöse Verschwinden des Rico Macaluso besonders angetan. Der 16-jährige Rico, betrat vor bald 10 Jahren laut Zeugenaussage mit einigen Freunden das berühmt berüchtigte New Hill Tal. Dieses lag hinter der Hügelkette vor dem Goldlake. An dessen westlichen Ufer, lag wiederum die Kleinstadt Mineola.

In New Hill Valley, befand sich ein Dorf, dass vor etwa 70 Jahren von einem Hurrikan zerstört worden war. Seit dem wurde es nicht mehr bewohnt und galt als ein verfluchtes Geisterdorf in dem sich die Seelen der ehemaligen Bewohner aufhielten oder auch Monster. Oder das erzählten sich jedenfalls die umliegenden Bewohner. Deshalb überquerte kaum einer die Hügel. Manche wagemutige Touristen, wagten sich bis an den Rand der Klippe, die durch einen Erdrutsch entstanden war. Doch Rico Macaluso und seine Freunde hatten es dennoch getan. In jener Nacht war er von ihnen getrennt worden. Seine beiden Begleiter, hatten erzählt dass sie unheimliche Schreie gehört hatten. Sie hätten menschlich aber dennoch animalisch geklungen. In den Berichten, beschrieben sie sie als das furchtbarste, dass sie in ihrem ganzen Leben gehört hatten. Ohne Rico waren sie zurück in die Stadt gekehrt und hatten dort die Polizei alarmiert. Zwei Monate lang, hatte man im ganzen Land nach ihm gesucht. Doch ohne Erfolg. Das einzige, dass man gefunden hatte war seine zerrissene Jacke, die er getragen hatte. Nachdem er offiziell als verschollen gegolten hatte, wurde diese an seinen Adoptivvater übergeben. Dieser lebte seit dem Vorfall in einem kleinem Haus ausserhalb der Stadt: Allein und zurückgezogen. Kein Mensch hatte auch nur die Hügel wieder betreten, was hauptsächlich daran lag, dass ein halbes Jahr nach Ricos verschwinden das ganze Areal zu Militärgebiet erklärt worden war. Man hatte einen hohen Stacheldrahtzaun errichtet und schon kurz nach dem Goldlake, standen überall Schilder herum auf denen US Military Property oder No Trespassing, "Zutritt verboten" stand. Jeff wusste dies so genau, weil er schon einige Male bis zum Stacheldraht hin gegangen war. Doch als sein Vater es herausgefunden hatte, hatte dieser ihm verboten jemals wieder in die Nähe dieser Seeseite zu gehen. Seit dem beschäftigte Jeff sich nur noch im Gedanklich oder im Archiv mit dem Fall Rico Macaluso.In den Sommerferien hatte er die meiste Zeit hier unten oder vor seinem Heimcomputer verbracht. Er hatte sich ein paar Mal mit Tony getroffen. Theo , war fast die gesamte Ferienzeit im Urlaub gewesen. Zwei Wochen aber, war auch Jeff mit seiner Familie ans Meer gefahren. Allerdings nur bis nach Corpus Christi. Er hatte zwei Wochen am Golf von Mexiko in der Sonne gelegen, doch sein Kopf war im Archiv der Mineola Police Station zurückgeblieben. Seine Mutter war davon nicht wirklich begeistert gewesen und sein Bruder war der Meinung gewesen, er solle sich lieber einmal die Mädchen auf den Partys ansehen, anstatt Löcher in den Himmel zu starren. Doch Jeff hatte ihn stumm ignoriert und weiter an einer Idee gearbeitet, die ihm schon die gesamten Sommerferien im Kopf schwirrte. Er hatte lange Zeit gewartet, um sie zu realisieren. Auf den Tag, an dem er alt genug sein würde, damit die Erwachsenen kaum mehr Probleme machen würden. Er musste lediglich noch seine beiden Freunde davon überzeugen.

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