Ein Dröhnen in seinem Kopf. Licht, krell und unangenehm, drang durch seine geschlossenen Augenlider.
In seinem Kopf, nichts. Absolut nichts.
Vorsichtig versuchte der Junge die Augen zu öffnen, doch das Licht blendete ihn zu sehr und er kniff sie sofort wieder zusammen. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sein Kopf schien in Zeitlupe zu arbeiten und jeder Versuch, einen Gedanken zu bilden, endete in noch mehr Kopfschmerzen.
"Du bist wach." Ertönte plötzlich eine Stimme. Sie klang nicht besorgt, nicht mal überrascht. Eher ungeduldig? So als hätte die Person schon die ganze Zeit darauf gewartet, dass der braunhaarige Junge endlich aufwachte.
Und wie er die Stimme gehört hatte, begannen die Kopfschmerzen langsam weniger zu werden. Aus einem schwindelerregenden Pochen in seiner Stirn wurde ein dumpfes, fast nicht spürbares, Drücken. Auch die Augen des Jungen gewöhnten sich langsam an das Licht über ihm. Sobald er etwas klarer im Kopf war, begann sein Herz zu rasen. "Wo bin ich? Wer bin ich? Was ist das?" waren nur einige der Fragen, die ihm durch den Kopf schossen. Der Junge riss erschrocken die Augen auf. Schlechte Idee. Sofort wurde ihm schlecht und er lies sich erneut erschöpft auf die Liege unter sich fallen und schloss die Augen schnellstmöglich wieder. "Hey, hey - ganz ruhig. Wir haben alle Zeit der Welt. Erstmal zumindest." Da war sie wieder, die körperlose Stimme. Und langsam machte sie den Jungen aggressiv. Die Stimme war so gelassen, klang fast schon belustigt. Was war hieran bitte lustig?
Weitere Sekunden vergingen und der Junge hielt sich schwach die Hand vor seine Augen, so als hätte er eine schlimme Migräne. Wenige Sekunden später kam von seiner Seite ein ungeduldiges Seufzen. "Oh man, langsam wird's aber echt langweilig hier. Möchtest du nicht doch langsam mal aufstehen, Chris?" fragte die Stimme. Langsam öffnete der Junge seine Augen einen Spalt breit. "Chris?" Das war das erste mal in all der Zeit, dass er sprach und seine Stimme war rau und kaum zu hören. "Oh, das bist du! Ganz vergessen, da wirst du dich momentan nicht dran erinnern können. Aber das ist gar ni-" "Sag mal, redest du immer so viel?" Unterbrach die Stimme von Chris den Fremden. "Das hält man ja nicht aus." Vorsichtig stützte er sich auf seine Ellenbogen und öffnete nun zum ersten mal seine Augen komplett. Er befand sich in einem Raum, welcher komplett weiß war. Der Raum erinnerte Chris an ein Krankenhauszimmer, nur hatte man es geschafft, diesen Raum noch ein Stückchen liebloser einzurichten. Ein Bett, auf dem er lag, und ein Stuhl. Das war's. Eine Tür befand sich noch am anderen Ende des Raum's. "Hey, werd' mal nicht frech!.. hehe, nein Spaß! Ich verstehe schon, du fühlst dich wahrscheinlich grade nicht so gut. Wir sind alle mal schlecht drauf, huh?"
Oh, stimmt. Eine Sache war noch in dem Raum. Ein Mann. Er war kleiner als der Durchschnitt und definitiv kleiner als Chris. Rote, unordentliche Haare lagen auf seinem Kopf und ein dickes, schwarzes Brillengestell umrahmte seine Augen. Bei genauerer Betrachtung konnte man eine Zahnlücke zwischen seinen zwei vordesten Zähnen erkennen, wenn er grinste. Und das tat er die ganze Zeit. "Hast du noch Kopfschmerzen?" fragte der Rotschopf und beugte sich besorgt vor. "Ja, und du machst es nicht besser." zischte Chris. "Oh Chris, ich weiß - das mag gerade alles verwirrend sein, und du hast Kopfschmerzen und bist wütend und weißt nicht wo du bist un-" "Richtig! Genau! Ich weiß nicht wo ich bin. Aber wo du doch schon in so 'nem Redefluss bist, willst du's mir vielleicht sagen?" Chris setzte ein falsches Lächeln auf und legte dann seine Hände wieder genervt an seine Schläfen. "Oh, ja -natürlich! Aber.. so einfach ist das nicht. Für dich zumindest nicht!" Die Stimme des Fremden wurde plötzlich ruhiger. Man könnte fast sagen, da läge Mitleid in seiner Stimme. "Ich bin übrigens Mitchell!" fügte er dann noch bei. Seine Stimme war schon wieder viel fröhlicher. Mitchell war die Verkörperung von Stimmungsschwankungen. "Freut mich dich kennenzulernen, Mitchell!" sagte Chris, der Sarkasmus klar in seiner Stimme. "Und jetzt sag an, wo bin ich?"Mitchell guckte unsicher im Raum herum und kratzte sich geistesabwesend am Kopf, bevor er anfing zu sprechen. "Ich kann dir jetzt noch nicht alles sagen. Du hast deine Erinnerung größtenteils verloren. Sie wird zurück kommen, irgendwann. Ich kann dir nur die gröbsten Details geben. An den Rest musst du dich selbst erinnern. Du würdest die ganze Wahrheit wahrscheinlich jetzt eh noch nicht vertragen." Mitchell nuschelte den letzten Satz und noch bevor Chris fragen konnte, was er damit meinte, redete er schon weiter. "Dein Name ist Chris. Christopher Kyle eigentlich. Du hattest einen.. Unfall. Und jetzt bitte erschrecke dich nicht,ok?" Mitchell schaute Chris durchdringend an. Dieser nickte nur leicht. "Du liegst im Koma. Das hier.." Mitchell zeigte mit seinem Finger einmal auf Chris und lies ihn dann durch den Raum kreisen ".. ist nicht wirklich echt." Chris schaute ihn einfach nur verwirrt an. Entweder er war komplett durchgedreht und bildete sich das alles ein, oder er lag aus irgendeinem Grund tatsächlich im Krankenhaus und irgendein Spinner ist in sein Zimmer eingebrochen und erzählte ihm jetzt irgendwelche Märchengeschichten. "Du willst mir also jetzt weismachen, dass ich ihm Himmel bin?" Chris schnaubte verächtlich und zog eine Augenbraue hoch. "Nein, nein!" lachte Mitchell. "Das hier ist nicht der Himmel. Das hier ist nur ein Zwischenschritt. In den Himmel kommt man, wenn man tot ist. Du liegst im Koma, Dusselchen. Deine Seele bleibt hier bis sich dein Körper erholt hat. Und dann gehst du zurück auf die Erde und lebst dein Menschlingsleben und all das hier ist vergessen." Chris konnte den Mann vor sich jetzt nur noch ungläubiger anstarren. Der konnte das doch nicht Ernst meinen! "Ach ja? Und was ist, wenn ich nicht wieder gesund werde? Wenn ich nicht mehr aufwache?" Mitchell schaute Chris ein paar Sekunden an, und da war er wieder, dieser Anflug von Mitleid in seinem Gesicht. "Darauf hoffen wir einfach mal nicht!" Er grinste übertrieben, und falsch. Dann lief er ohne einen weiteren Satz zur Tür und öffnete diese. Er blieb noch kurz in dem Raum stehen und sagte zu Chris: "Ruhe dich jetzt erstmal aus. Ich glaube das war ganz schön viel für dich. Ich komme später nochmal!" bevor er mit einem Lachen durch die Tür verschwand und einen zutiefst verwunderten Chris in dem Raum zurück lies.
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Late Miracle
General FictionVielleicht musste Chris sterben, damit er anfangen konnte zu leben.