Kapitel 1 (Einführung, ein normaler Schultag)

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Isabella, 17 und rückblickend:

Es weht der Wind, der Herbst macht sich bemerkbar. Gestern war ich noch 16 und ich finde es heftig wie sich Dinge im Leben ändern. Man sieht Ereignisse nie kommen und kann sich nicht auf diese einstellen. Hätte mir jemand wenigstens ein Buch geben können, in welchem sowas wie eine Anleitung steht; "Wie komme ich mit x klar? Wie soll ich weitermachen? Was hätte ich noch machen können? Hab ich was Falsches gemacht?". Manchmal hätte ich mir sowas echt gewünscht, und ich denke, dass ich mir über einiges mehr Sorgen bzw. weniger machen hätte sollen. Es geht jedem so, das ist total menschlich. Ich hab definitiv einiges letztes Schuljahr gelernt, genug um zu wissen, dass ich jetzt so ein Buch voller Anleitungen nicht mehr benötige...

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Isabella, 16, mitten im Schuljahr:

Ich realisiere, dass soeben die Glocke geläutet hat und ich mich im Klassenzimmer befinde. Stundenbeginn! Neben mir ist meine engste Freundestruppe und scheint sich in tiefen Gesprächen zu befinden. Gerade fühl ich mich jedoch nicht dazu, mitzuquatschen. Ich höre stattdessen einfach zu, streiche mir durch meine brünetten Haare und frage mich, wo überhaupt Giulia steckt. Sie ist immer noch nicht da und ich vermute, dass sie wieder zu spät aus dem Haus gegangen ist, höchstwahrscheinlich, weil sie zu viel getröddelt hat. Zugegeben, das passiert mir auch, aber da ich neben meiner Schule wohne, komm ich trotzdem pünktlich an.

Mit Giulia verstehe ich mich derzeit am besten, dennoch finde ich es bescheuert, meine Freunde in beste und nicht beste Freunde einzuteilen. Ich hab stattdessen einfach mehrere gute Freunde, aber das ist jetzt nicht wichtig. Durch meine Erfahrungen habe ich Abstand von solchen Dilemmata genommen. In der Volksschule hatte ich eine langjährige Dramasituation innerhalb einer Dreierfreundschaft, die durch die Fragen und Streitereien ausgelöst wurde, von wem die beste Freundin ist. Seitdem lege ich auf sowas keinen Wert mehr.

Mir kommt der Impuls hoch, mich einfach auf einen Tisch draufzulegen und wenigstens für 5 Minuten zu schnorren bis der Lehrer kommt. So müde habe ich mich lange nicht mehr gefühlt. Dass ich müde in der Schule sitze, kommt eigentlich selten vor. Aber was tut man nichtalles für seine Freunde? Giulia brauchte wen zum Reden und deshalb hab ich mit ihr die halbe Nacht gechattet. Ich bin froh, dass sie danach eingeschlafen ist, sodass wenigstens einer von uns ein wenig Schlaf abbekommen hat. Für seine Freunde und deren Probleme muss man halt da sein, das hat oberste Priorität. Ich hab nicht einschlafen können, warum auch immer. Ich hab mir wahrscheinlich zuviele Gedanken über Unnötiges gemacht. Mal wieder.

Während ich in meinen Gedanken versunken bin, bekomme ich nicht einmal richtig mit, dass ein Lehrer das Klassenzimmer betreten hat. Eine Vertretung, na super. Das bedeutet es gibt einen Arbeitsauftrag, der sich eindeutig lang ziehen wird. Ich schaue genauer hin, wer die Vertretung ist. Okey, kenn ich nicht. Es ist wahrscheinlich ein neuer Lehrer und dieser sieht richtig jung aus. Sogut wie ich meine Klasse kenne, weiß ich, dass die Mädels anfangen werden, sich um den Lehrer zu schmiegen. Es läuft meistens so ab, weshalb ich jetzt nicht verwundert wäre, wenn es auch dieses mal so ist. Die Lehrervertretung ist am Pult angekommen und bittet:,, Guten Morgen zusammen! Mein Name ist Herr Professor Lukesch und ich vertrete den Herrn Marschke. Er hat mir einen Arbeitsauftrag für euch hinterlassen und bereits ausgedruckte Schularbeitstermine. Bitte erledigt die Aufgaben und bis zur nächsten Stunde mit eurem Lehrer solltet ihr fertig sein." Er dreht sich um und wendet sich der dunkelgrünen Tafel zu. Verwirrt durch die Tatsache, dass die Kreiden viel zu kurz sind, versucht er bestmöglich die Aufgaben irgendwie an die Tafel zu schreiben. Er gibt keinen Mucks von sich und bittet nicht, dass jemand neue Kreiden aus dem Sekteriat bringen sollte, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass ihn das gestört hat.

Schließlich ist er fertig und teilt die Blätter aus. Ich hoffe dass die Schularbeiten nicht aneinandergeschoben sein werden, ich hasse es wenn ich mich auf drei Schularbeiten auf einmal konzentrieren muss. Als ich mein Blatt bekomme, muss ich zu meinem Bedauern feststellen, dass genau dieser Fall eingetroffen ist. Muss ich ernsthaft jede Woche gefühlt drei Schularbeiten aufeinmal schreiben? Der April ist total von Klassenarbeiten befreit, dafür der Mai vollgestopft. Sehr ausgeglichen. Nagut, dann muss ich mich damit halt anfreunden, was solls. Einfacher wirds sicher auch nicht mehr.

Endlich klopft jemand an der Tür und da ich in der hintersten Reihe sitze, mache ich die Tür auf. Giulia! Wurd aber auch Zeit! Mit ihren Stiefeln die meiner Meinung eine zu dicke Sohle haben, trottet sie zum Platz neben mir. "Entschuldigen Sie meine Verspätung!", ruft sie zum Lehrer hin und legt erstmal ihre Sachen ab. Mit einem verwunderten Blick fange ich ein Gespräch mit ihr an:,, Du hast dich dieses Mal echt übertroffen, nur 5 Minuten zu spät haha!". Sie schubst mich leicht und kichert:,, Jaja, dafür hab ich meinen Eyeliner hinbekommen im Gegensatz zu dir. Wie ich sehe sind die Schularbeitskalender schon da? Zeig mal her." Ich schiebe ihr die Zettel zu. "War ja klar", meint sie. Wir wenden uns schließlich den Arbeitsaufgaben zu und erledigen diese so schnell wie möglich.

Die Pausenglocke läutet und das halbe Klassenzimmer entleert sich nach und nach. Die Gesprächsthemen sind größtenteils wie vermutet der junge Lehrer. Ich verlasse mit Monica und Giulia den Raum. Moni gehört zu meinen engsten, sie ist groß, blond und einer der einfühlsamsten Menschen die ich kenne. Auf dem Gang seh ich viele bekannte Gesichter. Ich kenne viele Menschen in meiner Schule, und am Gang halte ich ab und zu an, um mit ihnen zu quatschen. Das benötige ich derzeit, ich bin einfach zu müde und die Menschen sind praktisch mein Koffein. Hört sich etwas lustig an, wenn ich so darüber nachdenke. Es ist aber so.

Dann gibt es aber auch diese Art von Leuten, die einem einfach so ein kleines abstoßendes Gefühl geben, jeder kennt das sicher. Es zieht einem etwas die Laune runter, weil man sich eventuell mit dieser Person auseinandergelebt hat oder einfach eine schwere Situation miteinander zurzeit hat. Ist ja völlig normal. So gehts mir gerade mit einer Freundin von mir namens Maelle. Ich hab sie echt gern gehabt, ob noch immer, bin ich mir derzeit unsicher, wie ich darüber denken soll, aber seitdem ich sie mit meiner guten Freundin Jennifer bekannt gemacht habe, haben wir irgendwie den Draht zu einander verloren. Ich bin die letzte Person, die sich über sowas zuviele Gedanken macht, denn ich finds toll, dass sie sich so gut verstehen, aber trotzdem gibt mir das immer noch so ein komisches Stechen ab, wenn ich die beiden so sehe. Jedoch habe ich beide echt gern und das ist noch lange nicht die gesamte Vorgeschichte. Ich bin mir unsicher ob ich von Eifersucht reden kann oder nicht, ich merke dass ich dringend meine Gedanken sortieren muss. Währenddessen haben Monica und Giulia eindeutig mitbekommen, dass ich einfach zu lange auf Jennifer und Maelle gestartt habe. Ich hab ihnen die Geschichte bereits erzählt und bin ihnen wahnsinnig dankbar, dass sie mir tatkräftig zugehört haben. Bevor ich was sagen kann, legt jemand seine Arme auf meine Schulter und begrüßt mich freundlich. Nämlich mein nächstes Gefühlsproblem; Jonas.

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