Die Schmetterlingsquelle

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Die Schmetterlingsquelle(ein chinesisches Märchen,nacherzählt von Heidi Grünwedl)8.10.2020

Es war einmal ein junges Mädchen,das lebte mit seinem Vater,der ein Bauer war,in einem kleinen Häuschen.Es war sehr zart von Gestalt,nicht so,wie die anderen Bauernmädchen im Dorf.Das Mädchen ging jeden Tag an eine Quelle,um Wasser zu holen.Stets kam ein kleines Vögelchen zu ihr,wenn sie dort war und sie liebkoste es zärtlich.
Einmal aber verdüsterte sich der Himmel und das Vögelchen flatterte aufgeregt um sie herum.Sie konnte sich dies nicht erklären,als plötzlich lauter Vögel,aufgeschreckt durch irgendetwas, vorbeiflogen.Plötzlich rannte ein Rehlein auf sie zu,dem ein Pfeil im Rücken steckte.Genau vor ihr brach es zusammen und blieb halb tot liegen.
Das Mädchen merkte,dass das Herz des Rehleins nur noch schwach schlug und sie beschloß,es mit nach Hause zu nehmen.Doch da griff sie plötzlich ein riesiger Adler an,der ihr das Tier rauben wollte.Sie wehrte sich verzweifelt.Dies bemerkte Huang-Ho,ein junger Mann,der den Vogel mit einem Hieb betäubte und ihn so kampfunfähig machte.Danach hob er das Mädchen auf und pflegte des Rehleins Wunde,indem er den Pfeil herausnahm und einen Kräuterverband anlegte.Er fragte das Mädchen,wo es wohne und wunderte sich,dass so ein zartes Wesen,ein Bauernmädchen sei.
Auch hatte er den Pfeil erkannt.Dieser gehörte dem grausamsten Gutsbesitzer,der in dem Gebiet herrschte.Wenn Tscheng,so hiess dieser Mann,seine unerbittliche Jagd machte,flohen alle,sowohl Tiere,wie auch Menschen.Huang-Ho bewunderte das Mädchen,weil sie nicht geflohen war vor dem Raubvogel und mit ihm gekämpft hatte.
Plötzlich hörten sie Pferdegetrappel.Die beiden flohen,wurden aber gesehen.Eine wilde Verfolgungsjagd begann.Da tat sich plötzlich vor den beiden ein tiefer Abgrund auf.Sie waren ratlos.Doch da kam ihnen das Vöglein von der Quelle zu Hilfe.Es zeigte ihnen einen Unterschlupf unterhalb der Steinwand,wo sie sich noch gerade rechtzeitig,bevor die Verfolger herbeikamen,niederkauerten.Tscheng und Fang,sein böser Ratgeber,waren wütend,dass die beiden verschwunden waren.Ob sie in den Abgrund gefallen waren?Aber sie würden sie schon noch finden,wenn nicht heute,so denn morgen.
Das Mädchen nahm Huang-Ho,ihren Retter,mit nach Hause,um ihn ihrem Vater vorzustellen.Der Vater fand Gefallen an ihm und sie feierten bis spät in die Nacht.
Aber der Abschied kam.Huang-Ho und das Mädchen hatten sich liebgewonnen.Er versprach ihr so bald wie möglich zurückzukommen und bei ihrem Vater um ihre Hand anzuhalten und er steckte ihr eine Lotusblüte ins Haar,denn so war ihr Name.Dann ritt er davon.
Nun kam eine glückliche Zeit für Lotusblüte.An der Wasserquelle tanzte sie mit den Vögeln und dem Rehlein und sang und lachte,weil sie immer an ihren Geleibten denken musste.Darüber vergass sie sogar manchmal den Krug,der schon am Überlaufen war.
An solch einem Tag kamen plötzlich Tscheng und Fang mit dem Gefolge angeritten.Lotusblüte erschrak.Sie grüßte ehrerbietig und wollte sich leise enfernen,aber Tscheng folgte ihr.Fang flüsterte ihm hämisch grinsend ins Ohr:"Tscheng,nimm' ihr doch die Lotusblüte weg und du wirst wissen,warum sie so glücklich getanzt hat."Tscheng stahl ihr die Blume aus dem Haar.Mit einem spitzen Schrei liess Lotusblüte den Krug fallen,sodass er zerschellte.Dies aber hatte ihr Vater gehört.Er rannte schnell herbei und nahm das Mädchen in seine starken Arme.Für dieses eine Mal ließ Tscheng das Mädchen noch in Ruhe,aber er schmiedete grausame Pläne,wie er an das Mädchen herankommen könnte,denn dessen zarte Gestalt reizte ihn sehr.
Eines Abends sassen Lotusblüte und ihr Vater zu Hause,als es anfing zu stürmen.Es blitzte und donnerte...
Doch,was war das?Jemand klopfte an die Haustür.Der Vater öffnete die Tür,da er meinte,es hätte sich jmd.verirrt und suche Schutz vor dem Unwetter.Doch sobald er die Tür geöffnet hatte,wurde er von Fang niedergeschlagen.Nun war es ein Leichtes,das wehrlose Mädchen zu rauben.Als das Rehlein das Unglück bemerkte,beschloss es den Mann zu holen,der einzig und allein Lotusblüte retten könne.
Im Hause des Tscheng wurde Lotusblüte zu ihrem Entführer geführt.Dieser besass immer noch ihre Lotusblüte,die er ihr damals weggenommen hatte.Er wollte sie ihr ins Haar stecken,aber sie wehrte sich heftig dagegen.Also versuchte er es mit goldenem Schmuck,den er ihr um den Hals legen wollte,doch auch dieses Mal wehrte Lotusblüte verzweifelt ab.Da wurde Tscheng wütend und er befahl Fang,das Mädchen auszupeitschen,damit sein Widerstand gebrochen werde.Dieses ließ sich der böse Fang nicht zweimal sagen.Er verwundete das arme Mädchen schwer und ließ es schliesslich im Kerker liegen.Lotusblüte war ganz schwach.Vor ihr lag noch die Lotusblüte.Sie nahm sie an sich.Das war nämlich das einzigste,was sie noch von Huang-Ho hatte.Sie wusste,dass sie sterben würde,wenn niemand sie retten würde.Ausserdem müsste sie sonst das ganze Leben bei diesem verhassten Tscheng bleiben und leben.
Auf einmal zwitscherte es über ihr.Das Vöglein war gekommen,um ihr zu helfen.Sie steckte ihm die Lotusblüte in den Schnabel und sagte:"Flieg' zu Huang-Ho!Er allein wird mir helfen können." Das Vöglein flog zum Fenster hinaus und wer stand dort an der Treppe?Es war Huang-Ho.Das Rehlein hatte ihm schon Bescheid gesagt.Huang-Ho wusste nun,wo seine Geliebte gefangen war und mit einer Kraft,die einem Retter würdig war,brach er das Schloss zum Kerker auf und befreite Lotusblüte.Die Wiedersehensfreude war groß,aber die beiden mussten so schnell,wie möglich fliehen,denn Tscheng hatte Huang-Ho wohl bemerkt.Huang-Ho nahm Lotusblüte auf seinen weissen Schimmel und galoppierte in die dunkle Nacht hinein.Tscheng und sein Gefolge verfolgten die beiden sofort.Seine Augen funkelten vor Wut und seine vor Wut sich überschlagende Stimme,feuerte das zu Tode erschrockenen Pferd,auf dem er ritt,zu immer größerer Schnelligkeit an.
Plötzlich hielten sie an.Vor ihnen lag wieder der Abgrund,an dem die beiden schon einmal verschwunden waren.Auch dieses Mal hatten sich Huang-Ho und Lotusblüte ängstlich in ihrem Unterschlupf versteckt.Doch Tscheng wusste nun,dass sie ein Versteck hatten,und er wollte sie um jeden Preis bekommen.Er ließ seinen Adler fliegen,der sich majestätisch in die Lüfte erhob und,der über dem Fluß,der unten im Tal lag,kreiste.Seine Augen spähten beobachtend umher.Die Versteckten hielten den Atem an.Der Adler hätte sie wohl bald erblickt,wenn nicht das kleine Vöglein gewesen wäre.Mutig flog es zum Adler und lenkte ihn ab.Doch lange konnte es sicher nicht mehr durchhalten.Huang-Ho rührte diese Aufopferung des Vögleins,aber er konnte nicht mitansehen,wie ihr treuer Freund immer schwächer wurde.Er schoß einen Pfeil ab.Zum zweiten Mal war der Adler getroffen.Doch nun wusste Tscheng,wo die Gesuchten waren.Er befahl Fang,sie herbeizuführen.
Lange schauten sich Huang-Ho und Lotusblüte in die Augen.Tscheng weidete sich schadenfroh an dem Anblick der Liebenden,denen der Abschied so schwer fiel.Was er aber nicht hörte,waren die Worte,die die beiden einander zuflüsterten.Lotusblüte sagte:"Ich werde dich nie vergessen!"Huang-Ho erwiderte:"Nie,weder im Leben und im Tod."Dann gingen sie langsam auf den Abgrund zu.Sie waren ihren Peiningern entronnen.Als Tscheng merkte,dass die beiden hinabgesprungen waren schrie er vor Wut auf.
Der Fluss floß einige Zeit danach,nicht mehr dort.Er hatte sich einen anderen Weg gesucht.Dort unten hatte sich stattdessen ein kleiner See gebildet.Über diesem schwebten oft kleine Schwärme von Schmetterlingen und es war,als ob sie sich einander die traurige Geschichte erzählten,die hier einstmals stattgefunden hatte.
ENDE

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