Länder ohne Zeit

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Ich saß mit meinen Freunden herum, wir plauderten ein wenig. Alle waren recht gut drauf, eine leichte, einfache Stimmung. Ich hielt mich aus dem Gespräch heraus und wanderte langsam in meine Gedanken ab. Hab immer von anderen Dingen geträumt, etwas aufregendes vielleicht. Das, was vor meiner Nase passierte, langweilte mich meistens.

Ich bemerkte nicht wirklich, dass sich das Gespräch langsam legt. Die ersten gingen, kurz darauf auch der Rest. Ich verabschiedete mich, sagte, dass ich noch ein wenig sitzen bleibe.

Ich schaute ein wenig aufs Wasser hinaus. Meine Gedanken wurden leise, die Träumereien verblassten. Ich stand auf und ging, einen Schritt vor den anderen. Vom Seeufer weg, an den Häusern entlang, die ihn umgeben bis an den Feldweg, der mich nach Hause führen sollte. Es war warm genug, um ohne Jacke herumzulaufen, mein Rucksack war leicht, es war ein schöner Tag. Ich lief durch einen kleinen Waldabschnitt, wo ich die Vögel besonders laut hörte.

Heute war nichts mehr zu tun, dachte ich mir, ich könnte den restlichen Tag auf dem Sofa verbringen, oder im Bett, kurz das Leben genießen. Vielleicht war die Arbeit schon in den letzten Monaten getan, die sehr anstrengend waren, ein ständiger Kraftakt. Irgendwelchen Leuten etwas beweisen. Kurz begann ich wieder zu träumen, von einer Welt, wo ich nichts beweisen musste, wo mir sofort vertraut wurde und ich nicht erklären musste, wer oder was ich bin.

Doch ein Geräusch zwischen den Bäumen weckte mich aus meinen Gedanken auf, ich erschrak kurz und sah dorthin, von wo ich das Geräusch vernommen hatte und sah einen Schatten davonhuschen. Ich bemerkte, dass ich stehen geblieben war. Ich hatte das Bedürfnis, ihm hinterherzuspringen. Es hat mich übermannt wie eine Angst, die mich zur Flucht trieb, es war keine Anziehung, keine Neugierde. Ich blieb stehen, der Regung zum Trotz. Ich bekam eine Gänsehaut. Doch was soll das schon, dachte ich mir, ich hab schon komischeres erlebt.

Mein Handy klingelte. Auf dem Bildschirm stand ein Name, den ich kannte. Eine Starre schoss mir bis in die Knochen. Ich nahm ab und hielt das Handy an mein Ohr.

Wie geht es dir? Wohin möchtest du? Ich kann dir helfen, wenn du was brauchst.

Warum hast du meine Anrufe so oft ignoriert? Ich wollte schon längst gehen, aber du lässt mich nie das sagen, was du hören musst. Nimm dir die Zeit, Noah, sonst wird sie niemals kommen.

Die Stimme kommt nicht aus dem Handy. Der Schatten erscheint zwischen den Bäumen, schwebt langsam auf mich zu und hüllt mich ein. Ich spüre Todesangst. Ich verliere langsam das Bewusstsein und gleite in eine andere Welt. Eine andere Zeit vielleicht.

RUHE NACH DEM STURM

Ich nenn es Intuition, jedenfalls spricht was in mir
Meine innere Stimme, mein Gewissen. Ich brauch nur in mich hineinzuhören. Das Gefühl unterscheidet zwischen wohlüberlegter Handlung und Impuls. Entscheidet, ob die Ausführung des Impulses notwendig ist oder nicht. Bremst, wenn nötig, feuert nach, wenn es sein muss. Objektiv betrachtet eine Entwicklung einer besser überdachten Handlungsweise. Eine, wo Konsequenzen berechenbarer werden. Dummes Beispiel, doch genau diese Überlegungen hindern mich vor einer Stunde dran, an eines der Wägen, die ich gerade beschrifte, einen blöden Witz zu schreiben. Die Sachlichkeit steht ja im Vordergrund, außerdem will ich in diesem Kontext ja ernst genommen werden und möglicherweise sogar ein Verhältnis aufbauen, welches über längere Zeit fruchten könnte.

Ich reiße keine dummen Witze, gebe mir Mühe, hänge nicht rum, naja, hin und wieder vielleicht mal kurz, kommuniziere zuvorkommend und höflich, sage Bescheid, wenn ich was brauche und übernehme Verantwortung. Versuche, selbst eine Lösung zu finden, bevor ich jemanden um Hilfe bitte. Bis jetzt scheine ich einen guten Eindruck zu hinterlassen. Ich glaube, dass man mir vertraut, jedenfalls genug, um mir nicht komplett im Nacken zu sitzen.

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