Kapitel 15: Der schlimmste Albtraum

24 5 3
                                    

Der Schultag beginnt also mit Chemie.

Das Labor ist ungefähr so groß wie das an der NSG, allerdings stehen hier weniger Tische und mehr Reagenzgläser und Bunsenbrenner herum.

Die Lehrerin, Miss Burgeois, zwingt mich zu einer kurzen Vorstellung, bevor ich mich neben Christine setzten darf.

Glücklicherweise war der Platz neben ihr frei, was mich wegen der Tatsache, dass sie die meisten hier so ansieht, als wären sie nur ein Stück des Schimmels auf ihrem Brot, auch nicht sonderlich verwundert.

Mary fängt die ersten beiden Stunden übrigens mit Physik statt Chemie an – wir haben also alle einen eher miesen Montagmorgen.

Miss Burgeois benutzt die Kreide scheinbar als einen Hammer und schlägt die Buchstaben geradezu an die Tafel wie Nägel in Holz.
Gleichzeitig versucht sie, glaube ich, mit uns die verschiedenen Schalenmodelle zu wiederholen, aber sie "schreibt" lauter, als dass sie redet, also kann es auch sein, dass ich da was komplett missverstehe.  

„Egal, was du machst: Sie gibt wohl allen die gleiche mündliche Note.", wispert Christine mir zu, während Miss Burgeois einen Kreis an die Tafel malt.

„Woher weißt du das?", frage ich.

„Hat mir ein Mädchen aus der Jahrgangsstufe über uns erzählt. Du könntest im Unterricht schlafen, und würdest mit einer zwei den Raum verlassen. Allerdings wäre das doch nicht so schlau, weil sie wohl sehr streng im Bewerten von unangekündigten Tests ist."

Mathe und Englisch verlaufen ähnlich uninteressant.

In beiden Fächern muss ich mich kurz vorstellen, wenn also die Leute, die mit mir in bisher allen Fächern gesessen haben, meinen Namen immer noch nicht kennen, weiß ich wirklich nicht, wie löchrig ihr Gehirn sein muss.

Vor den selbst gewählten Dramakursen steht das Mittagessen an.

„Was ist es denn heute?", fragt Christine den Mann, der mit ausdruckslosem Gesicht die Teller vor uns abstellt.

„Hühnchen mit Spinatsoße und Vollkornpasta.", antwortet er spitz.

„Wieso haut ihr eigentlich überall Spinat rein?! Ist es so schwierig, den Spinat einfach mal zu vergessen?! Ich meine, sehen sie mich an: Muss ich in jeder Sekunde zum Spinat greifen?! NEIN! Und ich überlebe doch auch - "

Der Mann seufzt, und wendet sich von unserem Tisch ab, ohne auf Christines emotionalen Monolog zu reagieren.

Überraschenderweise schmeckt das Essen heute deutlich besser als gestern, was eine wirkliche Erleichterung in Anbetracht meines knurrenden Magens ist. 

Draußen schlagen die kleinen Hagelkörner so fest gegen die hohen Fenster, wie Miss Burgeois die Kreide gegen die Tafel.

„Du tust mir wirklich leid.", sagt Mary mitleidig und schiebt sich ein großes Stück Hähnchen in den Mund. „Der Weg schur Hütte ischt nich' überdacht -", sie schluckt kurz „und du wirst wahrscheinlich ziemlich nass."

„Sie hat doch einen Regenschirm.", meint Christine schulterzuckend. „Außerdem bilden die Bäume doch garantiert so eine Art Dach."

Wir gehen gemeinsam zurück in unser Zimmer, weil Christine ihre Stifte holen will, und ich meinen Regenschirm brauche. Mary kommt nur mit, weil sie nicht allein unten warten möchte.

Mein Regenschirm ist kurz davor, als kaputt zu gelten, aber noch hält er glücklicherweise. Es sei denn, der Wind ist zu stark, was also hoffentlich nicht der Fall ist.

„Du weißt, wie du zu der Hütte kommst?", fragt mich Mary, während ich mir meine Regenjacke überziehe.

„Ja.", antworte ich. „Roter Weg zum Wald, dann einfach geradeaus, einmal rechts und man ist angekommen."

Girl of Blood - [ONC2024]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt