Das bin nicht ich! - Das schreckliche Gefühl von Dysphorie

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Dysphorie ist eins der schrecklichsten Gefühle, die ich kenne. 

Der Moment, wenn man in den Spiegel guckt und sich denkt: "Wer ist das? Was für eine komische Person steht da vor mir? Das bin nicht ich. Das kann nicht ich sein."

Besonders im Sommer kickt Dysphorie total. 

Da kann man ein noch so weites Shirt tragen, man spürt weiterhin, dass da etwas ist, was nicht passt. 

Wenn man duschen muss, richtet man den Blick noch oben und versucht, bloß nicht den eignen Körper anzusehen, weil man genau weiß, dass es nicht passt. 

Und wenn man es dann doch sieht, spürt man dieses schreckliche Gefühl im Bauch, man spürt die Tränen im Hals und versucht sie tapfer herunterschlucken, während der Blick verschwommen ist und man teilweise kurz vor einer Panikattacke steht. 

Es fühlt sich schlimm an, es fühlt sich falsch an, es tut weh, so wie nichts anderes wehtun können. 

Aber abgesehen von einer OP und der Einnahme von Hormonen gibt es kaum eine Option, etwas dagegen zu tun. 

Natürlich gibt es Binder, um als afab (assigned female at birth = bei der Geburt dem weiblichen Geschlecht zugeteilt)-Person die Brust abzudecken und so einen flacheren Oberkörper zu schaffen. 

Allerdings gibt es bei Bindern einige Risiken und teilweise kann man sogar dadurch sterben, wenn man sich nicht genau an die Anweisungen hält. 

Mit anderen Worten: Man muss da irgendwie durch, wenn man nicht auf Binder zurückgreifen will. Auch wenn es total wehtut und sich falsch anfühlt, man kann fast nichts dagegen tun. 

Und das hasse ich so sehr an Dysphorie. 

Gegen fast alle schlimmen Gefühle kann man was tun, aber Dysphorie ist der Endgegner. Du musst dadurch. Du kannst nichts anderes tun, außer den Schmerz auszuhalten. 

Und das ist einfach nur schrecklich. 

ICH BIN LOU! - Der lange Weg zu mir selbst als nichtbinäre PersonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt