Kapitel 12 - Bevor die Uhr drei schlägt.

17 5 13
                                    

"Wird es dir fehlen?", half Anne ihrem Sohn beim Packen.

"Was meinst du?"

"Die Stadt, die Schule und die Menschen?"

"Kann ich nicht behaupten. Du und die Kollegen aus dem Aquarium, aber ansonsten habe ich hier nichts mehr, was mich hält."

"Hat er sich nochmal gemeldet?", traf Anne einen wunden Punkt.

"Nein, und das ist vielleicht auch gut so."

Harry konnte, seitdem Louis seinen Weg gekreuzt hatte, nicht mehr klar denken, und seitdem er ihn als Egoist betitelt hatte, wollte er nur noch raus aus dieser Stadt. Gewissermaßen weg von diesem Einheitsleben, in dem es für ihn kaum erträglich geworden ist, zwischen dem trist gewordenen Alltag und den langweiligen Schulstunden die Zeit vergehen zu sehen.

Er wollte weg. Einfach weg. Einen Neustart woanders.

Raus aus seinem Kopf, in dem sich alles nur um den einen Typen drehte, in die Welt hinaus, um neue Facetten zu entdecken, die Lichter in der Ferne glühen zu sehen, um das Leben außerhalb dieser Stadt zu erkunden. Er glaubte, dass er nur so Durchzug in seinen Kopf bekommen könne.

"Nicht, dass es eine Rechtfertigung ist, aber im Grunde meinte er es bestimmt gut."

"Mag schon sein...", versuchte Harry, die Worte seiner Mutter in sich aufzunehmen. "Aber irgendwie hätte ich mir gewünscht, dass er mich dabei unterstützt und sich für mich freut."

"Was empfindest du denn für ihn?", fragte Anne neugierig, als Harry ein Shirt in seinem Koffer zusammenlegte.

"Mama!", lächelte er verlegen.

"Was denn? Ich hab dich noch nie so aufgebracht gesehen. Da darf ich doch wohl mal nachfragen."

"Zum Glück ist das kaum unangenehm", murmelte Harry vor sich hin.

"Okay, dann: Falls du wirklich etwas für ihn empfindest, dann solltest du mit ihm reden. Manche Beziehungen sind einfach dazu bestimmt, zu funktionieren, obwohl sie nicht immer einfach sind." Anne setzte an, den Raum zu verlassen. "Okay, eine Sache noch."

"Mama!", war Harry die Thematik sichtlich unangenehm.

"Wenn er es ernst mit dir meint, dann wird er um dich kämpfen, und, wenn dir es mit ihm ernst sein sollte, dann solltest du ihm seine Fehler vergeben."

"Dafür fehlt ihm der Mut und wahrscheinlich ist sein Stolz zum Kämpfen zu groß", murmelte Harry zu sich selbst und ließ seine Mutter das Zimmer verlassen.

Was du mir bedeutest, Louis? Das weiß ich doch schon längst, aber was soll ich denn machen? Dich vergessen, um dich kämpfen, um uns kämpfen? Aktuell fühlt es sich einfach nur danach an, als ob ein Krieg zwischen meinem Kopf und meinem Herzen tobt. Mein Herz hat sich verloren in den Momenten, in denen wir lachten, gemeinsam trauerten, für einige Augenblicke glücklich waren, in denen du für mich gesungen hast, und mein Kopf redet alles nur schlecht, spielt Dinge herunter, die eigentlich positive Erinnerungen sind.

Harry wollte doch auch, dass es funktionierte, aber da war eben auch das Stipendium, das auf ihn wartete, auf welches Harry Ewigkeiten gewartet hatte.

Louis. Ich hoffe, dass wir uns eines Tages wiedersehen werden und unsere Geschichte gemeinsam zu Ende schreiben können. Es fühlt sich einfach nicht danach an, als wäre es so bestimmt im Hier und Jetzt zu enden. Schließlich suchte sich eine Träne den Weg seine Wangen hinunter.

Louis spielte das erste Mal seit seinem Auftritt wieder auf der Gitarre seines Vaters. Dieses Mal war es jedoch nicht der alte Groll, den er ihm gegenüber hegte. Viel zu schwer lagen die Erinnerungen an diesem Abend in seinem Kopf. Er sang einige Zeilen gedankenlos vor sich hin, bemerkte kaum, dass er einen Text zur Melodie geformt hatte.

Louis x Harry - Ozean PerleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt