The Henry Stickmin Collection - Rebuilding a Life

Alive, Scarred, Lost

Henry stand an der Klippe, vor dem Grab seines besten Freundes. Der Wind riss unbarmherzig an seinem hellblauen Hoodie, doch er spürte die schneidende Kälte kaum. Als er leise Schritte neben sich hörte und sich umdrehte, erkannte er seine ebenfalls beste Freundin, Ivy, die neben ihn trat. Sie hatte die olivgrüne Jacke, die einst Charles gehört hatte, zugemacht, um sich gegen den Wind zu schützen. Dunkle Augenringe zeichneten ihr hübsches Gesicht und Henry wurde die Vermutung nicht los, dass sie wieder nicht geschlafen hatte. Doch er sprach die Vermutung nicht aus, sondern legte einfach nur milde lächelnd eine Hand auf ihre Schulter. Es war ein stummes Versprechen, dass er sie nicht im Stich lassen würde und Henry konnte alleine an Ivy's Blick erkennen, wie dankbar sie ihm war. Charles' Tod war für sie beide unerträglich gewesen. Ivy konnte nicht mehr schlafen, ohne die explodierende Raumstation zu sehen, die ihren besten Freund dahingerafft hatte und Henry hatte panische Angst vor Raketen und Explosionen bekommen. General Galeforce hatte ihnen Frei gegeben, für wie lange sie eine Pause auch brauchten, um sich wieder zu sammeln. Doch wenn Henry Ivy und zugegebenermaßen auch sich selbst ansah, dann fragte er sich, ob sie jemals bereit waren ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

„Wir sollten zurück. Bei deiner Verfassung solltest du nicht zu lange in der Kälte bleiben", schlug Henry vor, auch wenn sie beide wussten, dass er Ivy nur von Charles' Grab lösen wollte. Als sie in Henrys Auto gestiegen waren und er die Landstraße entlangfuhr, entging ihm nicht, dass Ivy trotz ihrer Jacke zitterte. Ohne zu zögern, zog Henry seinen Hoodie aus, unter dem er noch ein zweites Oberteil trug, und gab ihn Ivy, die ihn nach kurzem Zögern unter die Jacke zog.

„Danke", meinte sie mit leiser Stimme und kauerte sich in ihrem Sitz zusammen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie Ivy an ihren schwarzen, fingerlosen Handschuhen zupfte. Henry konnte nur vermuten, wie sehr Charles' Tod sie mitnahm. Sie hatte den Helikopterpiloten immerhin wesentlich länger gekannt als Henry. Er wandte den Kopf ab und sah auf die leere Straße vor ihm.

Nach einer viertel Stunde Fahrzeit waren sie in der Stadt und Henry parkte vor dem Haus, in dem sie beide wohnten. In der Wohnung gab Ivy Henry wieder seinen Hoodie zurück und verzog sich dann in ihr Zimmer. Der achtundzwanzig Jährige sah ihr kurz noch nach, ehe er an ein Fenster trat und nachdenklich hinaussah.

Nach einigen Minuten wandte er sich ab und betrat sein Zimmer, wo er den Hoodie auf sein Bett warf und dann sein Handy aus der Hosentasche zog. Doch da war nur eine Nachricht von General Galeforce, der ihn fragte, ob sie sich in den nächsten Tagen treffen könnten, um zu reden. Henry tippte kurz eine Zustimmung, ehe er sich auf sein Bett legte und an die Decke starrte. Henry war ein wenig von sich selbst verwirrt. Er hätte nie gedacht, dass er in der Lage wäre sich so um jemanden zu kümmern. Doch Charles und Ivy hatten ihn sofort verstanden, als sie sich das erste Mal getroffen hatten.

Henry schüttelte den Kopf und sah dann zu seinem Nachttisch, auf dem ein gerahmtes Foto von ihnen drei stand. Henry lächelte und setzte sich auf, um das Bild in die Hand zu nehmen. Er hatte das Bild eigentlich nicht machen wollen, doch Charles und Ivy hatten ihn schließlich doch überreden können. Jetzt war er froh, dass sie das getan hatten. Er stellte das Bild zurück und sah auf die Uhr, die über der Tür hängte. Es war kurz vor fünfzehn Uhr. Henry stand auf und ging in die Küche, wobei er kurz stehen blieb und lauschte, ob irgendwelche Geräusche aus Ivy's Zimmer kamen. Doch die gesamte Wohnung war totenstill, weswegen er kurz an ihre Zimmertür klopfte.

„Ich mach Mittagessen. Irgendwelche Wünsche?"

„Stehen Pfannkuchen zur Verfügung?", fragte Ivy leise und öffnete die Tür.

„Natürlich", meinte Henry lächelnd und setzte seinen Weg in die Küche fort, wo er begann den Teig zusammen zu rühren. Ivy nahm unterdessen zwei Holzbretter, Besteck und Belag aus den Küchenschränken und dem Kühlschrank und verteilte sie auf dem Esstisch, bevor sie sich wieder zu Henry gesellte.