Road Wolf

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Abby blieb im Dunkeln zurück und sah Sara hinterher, die mit dem Arschloch verschwand. Ihre linke Gesichtshälfte schmerzte von dem Faustschlag. Er war es wert gewesen. Sie zog trotzig die Nase hoch und bemerkte erst jetzt, dass sie blutete. Fluchend wischte sie das Blut mit dem Ärmel fort. Sie hatte schon schlimmere Wunden davongetragen. Ihre Werwolfgene würden es richten.

Sie grinste. Der Typ hatte sich voll in die Hose gemacht. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass er von einem Mädchen verprügelt werden würde. Dem hatte sie es gegeben. Sie kicherte. Schade, dass die Jungs nicht dabei waren. Wenn das Rudel da gewesen wäre, hätten sie diesen schäbigen Drecksladen in Schutt und Asche gelegt. Allein – so vernünftig war sie – wagte sie es nicht.

Sie warf einen letzten Blick auf das »Sunset Beer«, die abgewrackteste Hafenbar der Atlantikküste, und würgte die Tränen nieder. Sie hatte ein Talent dafür, sich in die falschen Frauen zu verlieben. Sie kickte wütend eine Bierflasche über den Asphalt.

Ok, komm runter. Sie hat dich als Bodyguard engagiert und dich entlassen, als du deinen Job gemacht hast. Da war nie was zwischen euch. Da wird nie was zwischen euch sein. Sara steht auf Arschlöcher, nicht auf dich.

Abby warf den Kopf in den Nacken und stieß ein wütendes Wolfsgeheul aus. Der Wolf in ihr prickelte unter ihrer Haut. Entschlossen riss sie die Autotür auf. Sie würde wegfahren und verschwinden und Sara Moreau vergessen. Sie sank auf den Fahrersitz und ließ den Wagen an. Aus dem Radio plärrte »Fox on the Run« von Sweet.

Beim Anfahren kurbelte sie das Fenster herunter. Langsam fuhr sie über den staubigen Parkplatz, als sie das hektische Klack-Klack hoher Hacken heranlaufen hörte. Sie schloss die Augen. Egal, was sie sagte, dieses Mal war es vorbei. Ende und aus. Genug ist genug. Sie fuhr weiter und achtete nicht auf Rück- oder Seitenspiegel.

»Abby?«, schluchzte Sara.

Abby stoppte den Wagen und sah sie an. Sara zog ihre Pumps aus und warf sie fort. Ihre Haare waren zerzaust, ihr Make-Up war zu einer nachtschwarzen Flut über ihr Gesicht zerlaufen, ihr Kleid hatte sie wohl ihm Gehen notdürftig übergestreift. Abby seufzte.

»Du hattest recht, ok? Ich war dumm. Ich war ein Arsch. Es tut mir leid, ok?«, sagte Sara. Ihre Stimme war dünn, wie kurz vorm Heulen.

»Ich bring dich in die Stadt, aber dann bin ich weg, klar?«, sagte Abby düster und bewusst eine Oktave tiefer als sie sonst sprach.

Sara lief um den Van herum, setzte sich auf den Beifahrersitz und sah Abby an, die sie ignorierte und wieder losfuhr. Sie kuppelte in den nächsten Gang und fuhr auf die Landstraße. Saras Hand legte sich auf ihre.

»Abby«, flüsterte sie.

Abby ignorierte sie.

Lass dich niemals mit einer Kundin ein, verlieb dich niemals in eine Kundin, dachte sie, verlieb dich niemals... ach, scheiße...

Sie fuhr abrupt rechts ran und begegnete Saras blick, bereit, ihr eine Standpauke über arschiges Verhalten zu halten. Sie wollte ihr ein paar Takte darüber erzählen, dass man nicht mit den Gefühlen anderer spielte, und dass sie nicht für solche Spielchen zu haben war, und darüber, dass sie sie vom ersten Moment an geliebt hatte. Sie seufzte.

Sara beendete ihren Vortrag, bevor sie etwas sagte. Ihre Lippen lagen auf ihren, ehe Abby Luft holen konnte. Ihr Kuss waren Überfall und Erlösung zugleich. Abby versank in ihm und in ihr. Sie ließ sich in die Berührung und das Verlangen fallen, das sie erfüllte. Saras Lippen trugen sie hinfort, ihr Duft hüllte sie ein wie jedes Mal, wenn sie ihr zu nahe kam. Abby zog sie zu sich. Ihr war schwindelig und heiß und sie wollte nichts anderes mehr, als...

»Abby«, stöhnte Sara leise, »Oh, Abby, warte.«

»Ich habe schon so lange gewartet.«

»Das ist es nicht«, sagte Sara und drückte sich weg von ihr. Ihr Atem ging schnell und sie leckte sich über ihre Lippen. Ihre Wangen waren gerötet. Nervös blickte sie zur Heckscheibe hinaus. Im Radio lief »Highway to Hell«.

»Ich habe das Arschloch umgebracht. Wir sollten hier verschwinden.«

Abby blinzelte. Es dauerte einen Moment, bis sie realisierte, dass in voraussichtlich drei Minuten das komplette Loups Noir Rudel ihnen auf den Fersen sein würde. Sie schaute in den Rückspiegel. Noch standen die Motorräder der zweitmächtigsten Werwolf-Bikergang der Atlantikküste friedlich im Mondlicht, aufgereiht wie Dominosteine. Sara beugte sich zu ihr und leckte ihr über den Hals bis zu ihrem Ohr. Ein Schauder zitterte durch ihren Körper und sie stöhnte auf.

»Na dann fahren wir mal lieber«, murmelte sie und trat aufs Gas. 

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Danke für's Lesen :)! Wenn dir diese kleine Geschichte gefällt, freue ich mich über deinen Like und einen Kommentar :). Wenn dir Abby & Sara gefallen, könnte ich mir vorstellen, mehr aus dieser kleinen Geschichte zu machen.

Abby Blackwood ist übrigens ein Charakter, der als Nebencharakter in meiner Novelle mit dem Arbeitstitel "Tango und Tod" entstanden  ist. Die Novelle gehört auch zu meinen Darkadium-Texten (wie auch "Der Kuss des Mondes") und wird voraussichtlich im Hybridverlag erscheinen. Wann, kann ich noch nicht sagen. Auf meiner Website https://phantastopia.de informiere ich über meinen Newsletter über Neuigkeiten. Außerdem bin ich sehr aktiv auf Instagram.

Road Wolf - Darkadier-FragmenteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt