Ich trommelte mit meinen Fingern über, die von Narben übersäte Tischplatte.
Jede einzelne erinnerte mich daran, wie viele ich selbst besaß. Einmal auseinander gefallen und wieder zusammen geflickt.
Meine Hand faltete sich langsam zu einer Faust zusammen. Es schmerzte. Mehr als das. Die Narbe war frisch und brannte, wie der Rauch es in meiner Lunge getan hatte. Der Schmerz war nur eine reine Erinnerung an den Tag, wo die Ungerechtigkeit überhandgenommen hatte.
Nachdem ich die Hand wieder geöffnet hatte, konnte ich nur noch erahnen, wo einmal die Narbe gewesen sein musste.
Es drehte mir den Magen um, als ich auf die kleine Blutlache schaute. Doch wie bei so vielen schrecklichen Dingen, gelang es mir nicht den Blick abzuwenden.
Schon oft hatte ich an diesem Tisch gesessen und dem gleichen Spektakel zugeschaut. Jedes Mal wurde mir übel. Es war nicht mein Blut. Es war das vergossene Blut meiner Freundin an jenem Tag.
Eine Träne mischte das Blutbad und ließ es noch düsterer wirken. Ich wusch meine Hand nicht. Denn ein Tropfen des Bluts meiner Freundin war wertvoller als meine gesamten fünfeinhalb Liter, die in meinem Körper transportiert wurden.
Meine Augen verfolgten das Glitzern, welches sich dunkel widerspiegelte. Bewegungen. Alle, die ich ausführte, fühlten sich surreal an. Auch nur das Blinzeln mit den Augen gab mir die Erinnerung an die mächtigen Gegenspieler Tod und Leben, Leute, die es nicht verdienten zu leben, lebten und Leute, die ein Leben verdienten, starben.
So war das Leben und für viele war es kein Problem. Denn jeder sollte für das Leben dankbar sein. Dankbar, dass man eine zweite Chance bekam. So waren andere Leute. Aber nicht ich. Ich wusste wie kostbar das Leben war und genau aus diesem Grund verstand ich nicht, warum ich lebte und sie tot unter der Erde lag. Vermutlich auf dem Weg in den Himmel.
Diese Ungerechtigkeit wollte einfach nicht in meinen Kopf. Ich sollte Tod sein - nicht sie.
Es war schon eine große Ungerechtigkeit, dass sie mit mir befreundet sein musste. Sie hätte etwas Besseres verdient gehabt. Jemand loyalen, netteren und schlaueren. Würde ich auch nur einer dieser Eigenschaften besitzen, wäre ich nie in diese Notlage gekommen, einen toten, Blut überbadeteten Körper zu sehen und das gequetschte Lächeln, dass ihre Lippen bei der Annahme, sie würde sterben hervorbrachten.
Ein Schauder durchfuhr meinen Körper. In meinem Kopf nahm ich jedes einzelne Geräusch, jede Bewegung und jede Anzeichen, dass sie lebte, wahr. Letzteres war wohl das Schlimmste.
Ich wünschte, ich könnte vergessen. Leben. Aber so war dem nicht. Ein Leben lag, würde mich diese Erinnerung an den Abgrund treiben. Alleine.
Ich hatte keine Angst. Es war eher mein Wille, niemanden je wieder so weh zu tun. Denn ich wusste, dass ich nicht mit dem Leben bezahlen musste. Ich würde leben. Mit allen Erinnerungen. Das war die Strafe, die ich mit mir trug. Für immer. Ich würde mit dem Leben bestraft werden. Was für andere ein Segen scheint, war für mich ein Fluch.
»Entschuldigen sie, aber sie bluten an der Hand.« Mein Kopf neigte sich zu Seite und ich hatte fast Schwierigkeiten den Mann, der mir dies mitteilte, überhaupt zu sehen. Wie sich herausstellte, gab es sowieso nicht wirklich etwas anzuschauen.
Der Junge - wie sich herausstellte - hatte seine schwarze Kapuze in sein Gesicht gezogen. Die Haare waren in dem Schatten nur schwer zu vernehmen. Doch ich vermutete, dass sie Schwarz mussten.
Mit meinem gleichgültigen Gesicht versuchte ich seinen Augen, die sich wie Feuer in meine brannten, standzuhalten. Feuer. Überall waren Erinnerungen. »Ich weiß.« Meine Stimme bohrte sich in mein Gehör. Es wären vermutlich dieselben Wörter, die ich auch dafür verwenden würde, wenn ich starb.
CZYTASZ
Stuff Book
Short StoryHier kommen meine Abgaben zu Wettbewerben rein. Außerdem vielleicht auch mal kleine Kurzgeschichten zu denen ich lust hatte oder ähnliches.