!Triggerwarnung: Homophobie (in der Familie), toxische Männlichkeit !
Er schreckte auf. Schon wieder war er weg genickt. Er richtete sich auf und brauchte einen Moment, um sich zu orientieren.
Er war zuhause, in seinem Wohnzimmer und der Fernseher lief. Neben ihm saß seine Mutter, die einen Arm um ihn gelegt hatte. Seine Großmutter saß auf ihrem Schaukelstuhl in der Ecke und seine Tanten hatten sich auf Stühlen im Raum verteilt. Sie redeten alle lautstark durcheinander, während sie das Geschehen auf dem Bildschirm mit großen Augen verfolgten.
Der Hauptprotagonist küsste seine große Liebe gerade leidenschaftlich. Vorher hatte er sie gerettet. Das gehörte dazu, so viel hatte Lito gelernt."Er sieht so gut aus, nicht?", rief seine Tía Maria in die Runde. Alle stimmten zu, Lito innerlich auch.
Die Haare des Mannes wirkten perfekt zerzaust und seine Augen funkelten."Eines Tages wirst du das sein", sagte seine Mutter und sah ihn voller Stolz an. "Mein wunderhübscher Junge mit einen wunderhübschen Mädchen."
Lito betrachtete die junge Frau im Fernseher. Sie war sicherlich hübsch, aber er konnte es nicht wirklich beurteilen. Für ihn sahen alle Mädchen recht ähnlich aus. Er fand sie langweilig. Aber vielleicht war es anders, wenn er älter war.
Die Kussszene zog sich jetzt schon eine ganze Weile und je länger sie andauerte, desto unverständlicher war es Lito, was seine Mutter und ihre Schwestern daran fanden. Es sah ziemlich eklig aus. Trotzdem konnte er seinen Blick nicht von dem dunkelhaarigen Helden abwenden. Irgendetwas an ihm war unendlich faszinierend, dass Lito partout nicht weggucken konnte.
"Ich will das auch machen", sprach er seine Gedanken aus. „Was willst du machen? Ein schönes Mädchen küssen?", lachten seine Tanten.
"Nein. Filme machen."
Es stimmte. Er war gut darin, auf dramatische Art Menschen aus seinem nahen Umfeld nachzuahmen. Es machte ihm Spaß, so zu tun, als wäre er jemand anderes. So konnte er das niedrige Selbstbewusstsein überspielen, welches ihm einredete, dass er nichts besonderes war, uninteressant und wertlos.Er genoss Aufmerksamkeit, und wenn sie mal ausfiel, nahm er es schnell persönlich. Man konnte es verwöhnt nennen, aber er konnte es nicht gut haben, wenn er links liegen gelassen wurde. Als Schauspieler könnte er die Rolle des Helden, den er so gerne spielte für längere Zeit übernehmen.
"Oh", machte seine Mutter. „Erzähl das nicht deinem Vater, er wird das nicht gern hören."
"Warum nicht?"
"Er findet, Männer müssen was ordentliches machen. Nicht...sowas."
"Aber warum ist das schlimm?"In diesem Moment trat sein Vater in das dunkle Wohnzimmer. Im ganzen Haus waren die Fenster so niedrig, dass sie nur wenig Licht hereinfallen ließen. Das einzige, was den Raum ein wenig heller machte, war die Lampe hinter dem verschlissenen Sofa, die ihr schummriges Licht in das Zimmer strahlte. Sie waren nicht wirklich reich. Zwar auch nicht arm, aber sie hatten nicht viel Geld. Vielleicht bekam man als Schauspieler genügend Geld, dann könnte er seiner Familie ein größeres Haus kaufen. Mit hohen Fenstern und mehreren Stockwerken.
"Warum ist was schlimm?", fragte sein Vater in den Raum. Anscheinend hatte er den letzten Satz mitgehört.
"In Filmen zu sein", sagte Lito, ohne nachzudenken.
"Lito, schhh!", zischte seine Mutter und stupste ihn warnend in die Seite.Aber es war zu spät: sein Vater polterte los: „Warum das schlimm ist? Da spielen nur Schwuchteln mit! Schwuchteln und Huren. Schau sie dir doch an!"
Er wies mit hektischen Gesten auf den Fernseher. Lito wusste weder, was Schwuchteln waren, noch, was eine Hure war, aber er traute sich nicht, nachzufragen."Abartig, sowas. Gut, dass wir solche Leute nicht in der Familie haben. Du machst das wie ich, ja, Junge? Findest eine gute Arbeit für einen richtigen Mann, so wie ich auch. Schauspieler kommen mir nicht ins Haus."

DU LIEST GERADE
Sense8
FanfictionHab gesehen dass es deutlich zu wenig Sense8 Content hier gibt, also dachte ich, ich schreib mal das, was ich dazu gerne lesen würde :))