Scherbenhaufen

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Giulia


Ich verpasste den Gedanken an meinen Ex Sebastian einen Tritt, wenn sie angekrochen kamen. Klappte nur nicht immer. Wie gerade. Er hatte mir jeden Tag gesagt, wie toll ich wäre, dass er mich über alles lieben würde. Das hatte sich wundervoll angefühlt. Sebastian war der erste Mann, den ich in mein Herz gelassen hatte. Umso schmerzhafter war der Sturz aus dem siebten Himmel und letztendlich der Aufprall auf dem Boden der Tatsachen. Besonders, als ich erfahren hatte, dass er die ganze Zeit nur ein Ziel mit unserer Beziehung verfolgte. Er hatte mich benutzt, um durch meinen Dad leichter an eine der begehrten Professorenstellen der West End University von London zu kommen. Dad war dort Direktor und hatte Sebastian große Hoffnung gemacht; sich für ihn eingesetzt. Es sah so aus, als würde Sebastian die Stelle bekommen. Fortan legte er sich noch mehr ins Zeug. Privat wie beruflich. Meine Eltern freuten sich für mich, dass ich so einen charmanten engagierten Mann an der Seite hatte. Um sicherzugehen, dass Dad seine Bemühungen bis zu Sebastians erhofftem Ziel durchzog, umschwirrte dieser auch meine Eltern wie eine Biene den Honig. Bis er einen Fehler beging, der ihm sozusagen das Genick brach. Er konnte seine Finger nicht im Zaum halten, hatte mich mit einer Studentin betrogen. Als ich ihn zur Rede stellte, hatte er mich auf Knien angefleht, ihm zu verzeihen. Vor allem sollte ich Dad nichts sagen. Er behauptete sogar, er könne nichts für die Affäre, die Studentin hätte ihn gedrängt. Er war also ein Opfer der Begierde. Natürlich. Ich warf Sebastian aus meinem Leben, zog aus seiner kleinen Wohnung aus und suchte Ablenkung durch die Arbeit mit meinen Kindern. Seit einem Jahr war ich mit ganzem Herzen und voller Stolz Grundschullehrerin in London. Der Traum zu heiraten und Kinder zu bekommen war erst einmal mit einem lauten Knall geplatzt. Ich seufzte und ließ die letzten fünf Stufen in den zweiten Stock des Mietshauses, in dem Sebastian wohnte, hinter mir. Mein Blick fiel auf die beiden Pflanztöpfe mit Rosen, die vor der Wohnungstür standen. Ich hatte sie damals mitgebracht, wollte sie Sebastian nicht überlassen. Der gewohnte Duft nach Bohnerwachs kroch mir in die Nase. Ich ging in die Hocke. Die Erde in den Töpfen war trocken, die Blüten welk. Ich hatte mir schon gedacht, dass Sebastian sich nicht um die Rosen kümmern würde. Sebastian und ich hatten uns die Mietkosten der Wohnung geteilt. Davor hatte ich bei meinen Eltern in Folkstone und in einer WG gewohnt. Auf finanzielle Unterstützung für eine größere Unterkunft durch meine Eltern wollte ich verzichten, auf eigenen Beinen stehen. Bei meinem Auszug hatte ich Unterlagen gefunden, die bezeugten, dass Sebastian schon länger auf der Suche nach einer Luxus-Wohnung war.

Ich vernahm Schritte. Rasch warf ich einen Blick auf meine Armbanduhr. Sebastian war um diese Zeit immer im Fitnesscenter. Ich erhob mich und drehte mich um. Er kam den Flur entlang, blieb ein paar Meter von mir entfernt stehen und starrte mich an. Er kam mir vor wie ein Fremder. Ich konnte mir nicht mehr vorstellen, dass ich je mit ihm das Bett und Zärtlichkeiten geteilt hatte, meine Geschichte, mein Leben. Genaugenommen war es auch nie so, weil es den Sebastian, in den ich mich verliebt hatte, nicht gab. Er war zu einer Art Hologramm geworden. »Ich hole nur meine Blumen«, erklärte ich monoton. Augenblicklich lud ich die Töpfe auf die Arme. Die Brille rutschte dabei ein wenig über meinen Nasenrücken. »Bist du schon oben, Professor? Beeil dich«, waberte von unten eine weibliche Stimme zu uns hoch. Ich hob eine Braue, woraufhin Sebastian die Augen verengte. Professor? Führte er bereits die nächste Studentin an der Nase herum?

Sebastian machte große Augen. »Komme gleich wieder.«

Ich schüttelte den Kopf, reckte das Kinn, um einen besseren Blick zu haben, und schob mich an ihm vorbei. Klackernde schnelle Schritte näherten sich. Ich schaffte es, die Blumen heil an Sebastian vorbei zu lotsen. Sein braunes Haar sah zerzaust aus, er war dünner geworden. Das Hemd hatte er nur halb in die Hose gesteckt, die Krawatte saß locker.

»Wo wohnst du denn jetzt? Wieder bei deinen Eltern?«, fragte er.

»In Mayfair«, erwiderte ich knapp und mit einer kleinen Genugtuung.

Sebastian zog die Brauen zusammen. »Sieh an.«

In dem Nobelviertel hatte er sich nach Wohnungen umgesehen. Studienfreunde von mir besaßen dort eine Villa. Ashley hatte sie von ihrer Grandma geerbt, wohnte mit ihrem Mann Zac aber halbjährig in Spanien. Zac war in Spanien aufgewachsen, seine Mum war von dort. Ashley und er hatten mir die Villa nach der Trennung von Sebastian als Übergangszuhause zur Verfügung gestellt, was ich sehr großzügig fand. Dort konnte ich bleiben, bis ich eine eigene passende Wohnung gefunden hatte. Sie sollte nicht allzu teuer und in der Nähe der Schule sein. Bisherige Angebote endeten in einer Sackgasse. Von der Villa aus waren es nur rund fünfzehn Minuten mit dem Rad. Meine Eltern hatten mir wieder ihre Hilfe angeboten. Das war lieb, aber ich wollte es ohne sie schaffen. Ich wollte weitergehen.

»Mayfair? Bist du doch zur Vernunft gekommen und hast dir Geld von Daddy geben lassen? Der weiß doch eh nicht wohin damit. Lass uns doch noch mal reden«, rief Sebastian mir nach.

»Nein. Nicht nötig«, erwiderte ich.

Eine junge Frau kam mir auf den Stufen entgegen. Wohl die, die nachSebastian gerufen hatte. Ihr Rock reichte nicht bis zu den Knien, in ihremBauchnabel glitzerte ein Piercing. Das schwarze Haar fiel ihr weich auf die Schultern.Ihre dunklen Augen verengten sich, sobald sie mich sah. »Passen Sie auf sichauf. Manchmal trügt der Schein«, sagte ich, als sie an mir vorbeiging. Sieantwortete nicht, was mir auch egal war.

Banished Heart - Bad Boy VibesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt