Prolog

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Leben. Was ist Leben? Je mehr man darüber nachdenkt, umso mehr fragt man sich, welchen Sinn das Ganze überhaupt hat. Man wird geboren, wandelt auf unbestimmte Zeit auf Erden, gestaltet es nach seinen Vorstellungen, nur um dann letztendlich doch zu sterben. In letzter Zeit stellte ich mir diese Frage häufiger und fing an meinen Werdegang in Frage zu stellen. Wofür studierte ich, wenn ich doch irgendwann gar nicht mehr existieren würde? Ich steckte wortwörtlich in einer mentalen Krise und wurde erdrückt vom Prüfungsdruck. „Joleen! Hörst du mir überhaupt noch zu? Wir müssen wirklich für die Psychologieprüfung lernen!" Genervt erklang eine Stimme direkt neben mir, die mich aus meiner Gedankenblase riss. Verdutzt sah ich meine Mitbewohnerin an und schüttelte mich kurz, bevor ich mich wieder im hier und jetzt befand. Celina sah mich teils verständnislos, teils besorgt an und schien mich mit ihren stechend grünen Augen zu analysieren. „Tut mir leid... Ich schätze ich bin im Moment nicht so aufnahmefähig.", antwortete ich schließlich nach einer kurzen Pause. „Du verhältst dich merkwürdig... Muss man sich Sorgen machen?", fragte sie misstrauisch und klappte seufzend den Ordner zu. Ich hielt nicht fiel davon mich vor ihr zu offenbaren und mochte es absolut nicht, wenn man sich Gedanken um mich machte. „Nein, ich habe einfach nur schlecht geschlafen. Morgen bin ich wieder fit!" Mit solchen kleinen Notlügen gelang es mir oft mich aus Situationen zu flüchten, die mir unangenehm waren. Prinzipiell war ich eine eher zurückhaltende Persönlichkeit. Ich bevorzugte es allein zu sein und war nicht sonderlich an zwischenmenschlichen Interaktionen interessiert, was allerdings nicht bedeutete, dass ich Menschen nicht leiden konnte. Ganz im Gegenteil. Ich studierte Medizin und wollte den Menschen mit meinem Einsatz helfen. Die Anforderungen verschlangen mich aber förmlich und ich wusste immer noch nicht, für welchen Fachbereich ich mich entscheiden sollte und diese Tatsache stresste mich enorm. „Na wenn du meinst... Kommst du eigentlich heute Abend zur Party? Eventuell würde es dir guttun, wenn du mal wieder aus der Wohnung rauskommst!", fragte Celina erwartungsvoll und ordnete nebenbei ihren Kram. Wirklich besser gefiel mir diese Thematik nicht, da ich auch auf Partys eher der introvertierte Typ war und mich eher am Rande aufhielt. Jedoch wusste ich, dass sie keine Ruhe geben würde, also nickte ich und willigte ein. Dabei tat ich so, als wäre ich ganz ihrer Meinung, damit ich meinen Frieden hatte. Hätte ich gewusst, was mir der Abend für ein Ergebnis brachte, hätte ich es mir vermutlich anders überlegt und wäre zu Hause geblieben. Kurz bevor wir uns auf den Weg zur Studentenparty machten, kontrollierte ich noch einmal meine Handtasche. Neben den Dingen, die wohl jede junge Frau immer bei sich hatte, packte ich eine Flasche Wasser ein, da ich keinen Alkohol trank. Schließlich machten wir uns auf den Weg. „Hast du nicht etwas anderes zum Anziehen gefunden?", Fragte Celina mit hochgezogener Augenbraue. Ich konnte es mir nicht verkneifen mit den Augen zu rollen. „Eigentlich hatte ich ein anderes Kleid ausgesucht, aber es hatte einen Fleck." Log ich und hoffte, dass sie es damit gut sein lassen würde. Es musste ja schließlich nicht jeder wie eine Nutte rumlaufen und außerdem war ich froh, wenn man mir einfach keine Beachtung schenken würde. Ich sehnte mich danach, dass der Abend schnell ein Ende finden würde und war fest entschlossen mir ein ruhiges Plätzchen zu suchen, sobald wir ankommen würden. Gesagt getan. Ich verschwand unauffällig in einer Sitzecke und wollte gerade einen Schluck aus meiner Wasserflasche trinken, als ich von jemanden auf der Schulter berührt wurde. „Hey Joleen! Wie geht es dir Süße? Mit dir habe ich heute Abend gar nicht mehr gerechnet.", sprach mich eine bekannte Stimme an. Leicht gestresst und langsam drehte ich mich um. Meine Vermutung wurde bestätigt und innerlich schrie ich. Kein anderer als Joshua stand mir direkt gegenüber und setzte sich lässig zu mir. Auch das noch, dachte ich und war nicht sonderlich erfreut darüber diesem Idioten hier zu begegnen. Vor allem störte ich mich an seiner Arroganz und an der Tatsache, dass er auf mich stand und kein Geheimnis daraus machte. Allerdings machte ich auch keines daraus, dass ich nicht das Selbe für diesen Spinner empfand. „Hallo.", antwortete ich ihm und lächelte gekünstelt. Ich wusste jetzt schon, wie diese Begegnung enden würde. Er würde mir versuchen etwas zu trinken anzubieten. Ich würde ablehnen und nach weiteren Überredungsversuchen, würde er beleidigt abziehen. Zumindest lief es so die letzten Male. Er war einfach zu berechenbar und genau wie ich es prophezeit hatte, passierte es auch. Es war einfach ein unangenehmes und beklemmendes Gefühl, welches mich wieder nachdenklich stimmte. Nachdem er verschwunden war, suchte ich kurz das Bad auf, um mich frisch zu machen und zu beruhigen. Ich zeigte meine Emotionen nicht gern und in diesem Moment fühlte ich mich so überladen, dass ich mich am liebsten versteckt hätte. Ich fragte mich ohnehin schon, warum ich mich dazu gezwungen hatte, hier her zukommen. Ich gehörte doch ohnehin nicht dazu und im Grunde würde es doch keinen kümmern, ob ich da war oder nicht. Ich atmete auf der Toilette tief durch und versuchte meine negativen Gedanken hinfort zu schieben, da ich mich ansonsten wieder in ihnen verlieren würde. Nach einem kurzen Blick in den Spiegel huschte ich wieder zu meinem Plätzchen zurück und kramte anschließend in meiner Tasche nach meiner Wasserflasche. Ich trank einen großzügigen Schluck und spürte, wie die kühle Flüssigkeit meine trockene Kehle hinunterlief. Schon viel besser! Ich lehnte mich entspannt zurück und beobachtete von meinem Platz aus das bunte Treiben. Meine Mitbewohnerin war das komplette Gegenteil von mir und tanzte ausgelassen mit zwei Typen gleichzeitig, was mich etwas amüsierte. Ich sah ihr noch einige Minuten zu und entschied mich dann zu gehen. Beim Aufstehen überkam mich ein eigenartiges Gefühl, was ich nicht zuordnen konnte. War ich denn wirklich so erschöpft? Meine Sicht war ebenfalls einen kurzen Augenblick beeinträchtigt, was mich glauben ließ, dass ich müde wurde. Ohne mich zu verabschieden, begab ich mich auf den Heimweg und lief wackelig durch die dunklen Gassen der Stadt. Es konnte doch nicht sein, dass reine Müdigkeit mich so dahinraffte. Ich fühlte mich fast wie betrunken, obwohl ich doch nur Wasser trank und das aus meiner eigenen Flasche. Wie aus dem Nichts, griff eine Hand nach meiner, sodass ich zur Seite gerissen wurde. Ich schnappte nach Luft und wollte vor lauter Schreck aufschreien, jedoch wurde mir sofort der Mund abgedrückt. Eine große, dunkle Gestalt mit Kapuze stand mir direkt gegenüber. „Du dämliche Schlampe hast es nicht anders gewollt!", sprach der Angreifer aufgebracht. Ich erkannte die Stimme sofort und wurde panisch. Mein Herz überschlug sich fast, als ich realisierte, dass es sich um Joshua handelte. Was sollte das werden? Was hatte er vor? Wie konnte das nur passieren? Plötzlich fiel mir auf, dass ich meine Tasche kurz aus den Augen gelassen hatte. Sie stand kurzzeitig unbeaufsichtigt auf meinem Platz, als ich auf der Toilette war. Er muss mir mit Absicht etwas in mein Wasser gekippt haben, aber warum? Wollte er mich gefügig machen? Wollte er mir wirklich etwas antun? Ich mochte Joshua zwar nicht und traute ihm vieles zu, aber so etwas hätte ich ihm nicht zugeschrieben. Er zog die Kapuze ab und sah mich mit einem fast schon hasserfüllten Blick an, der mich erschaudern ließ. Ich konnte immer noch keinen Laut von mir geben, da er mich grob gegen eine Hauswand drückte. Meine Atmung ging schnell und unregelmäßig und ich hatte Angst. „Es hätte nicht so weit kommen müssen! Du zwingst mich doch dazu!", sprach er mit rauer und vorwurfsvoller Stimme. Wollte er sich für sein grauenhaftes Vorgehen etwa rechtfertigen? Nur weil ich ihn nicht wollte, konnte er doch nicht so etwas abziehen! Allmählich beschlich mich auch das ungute Gefühl, dass ich aus dieser Nummer nicht mehr unbeschadet herauskommen würde. Weiter darüber nachdenken konnte ich jedoch nicht und spürte nur noch einen brutalen, stechenden Schmerz in meiner Brust. Innerhalb von wenigen Sekunden rammte er mir ein Messer direkt in meine Herzmitte. Er gab mir keine einzige Gelegenheit, um ein letztes Mal zu sprechen. Immer noch drückte er mir den Mund ab und der Schrei steckte mir förmlich in der Kehle fest. Ich sackte zusammen und wusste, dass nun mein Leben vorbei war. Für mich würde es keine Hilfe mehr geben und ich sollte Recht behalten. Dieser Mistkerl hatte mich wirklich umgebracht.

Tell me lies - Verbotene LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt