-1- Lynn

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Regen. Regen. Regen. Dachte sich Lynn O'Connor während sie aus dem Fenster des kleinen Hauses in Derrysilagh blickte. Mehr war nämlich nicht zu sehen von ihrem Fenster aus. Nur wenn der Regen mal etwas nachließ konnte man die Schafe sehen die hinter ihrem Haus standen. James, John, Jeremy, Josephine und Louise. Ein Schaf süßer als das andere. Manchmal fürchteten sich manche von ihren Klassenkameradinnen vor Johns blöken, doch Lynn war mit ihnen aufgewachsen, hier in der Provinz in Irland wo es fast jeden Tag regnete. Lynn war 16 Jahre alt und ging auf die Kerry Highschool in Tralee, etwa eine Autostunde entfernt von ihrem Zuhause. Aufgrund der langen Fahrzeit lebte sie unter der Woche bei ihren Freundinnen Lisa und Lou in der Oakpark Road im Zentrum von Tralee, nur am Wochenende und in den Ferien kam sie zu ihrem Vater, dem Schafshirten Ryan O'Connor. Wer ihre Mutter war wusste sie nicht und ihr Vater wollte ihr auch partout nicht erzählen wer es war. ,,Es ist besser so Kind", sagte er meist nur und trank weiter sein Guinnes. Ihr ganzes Leben war so wie das Wetter im Süd-Westen von Irland. Jeden Tag sehr ähnlich und nur selten sonnig und fröhlich. Meistens aber sehr anstrengend. In der Schule war sie sehr gut, was aber egal war, da sie nach ihrer Schullaufbahn sowieso den Schafshof von ihrem Vater übernehmen würde. Um dann jeden Dienstag und Donnerstag auf dem Markt von Dingle Schafskäse und Schafsmilch zu verkaufen. So oft hatte sie ihrem Vater schon erzählen wollen, dass sie mit ihren Noten eher auf ein Collage gehen sollte anstatt hier in der Provinz zu versauern. Ihr Vater war so oder so etwas seltsam. Bei Elternabenden an ihrer Schule wurde er immer komisch angeguckt, mit seinem ungepflegten Bart und seinen immerwährenden Gestank nach Schafen. Doch Lynn konnte damit leben, dass alle über ihren Vater dachten, dass er verrückt wäre, nur die Smiths mit ihren Töchtern Lisa und Lou wussten, wie ihr Vater eigentlich war. Wahrscheinlich hatte sie deshalb kaum Freunde in der Schule, außer eben die Zwillingsschwestern. Doch damit kam sie gut klar, denn sie waren einfach die besten Freundinnen die man haben konnte. Ein Donner riss sie aus ihren Gedanken. ,,Jetzt gewitterts auch noch", dachte sich Lynn und verdrehte die Augen. Heute war einfach nur ein Tag zum Schlafen und ausruhen. Man konnte nichts tun, denn sobald man draußen war, war man nach maximal 20 Sekunden völlig durchnässt. Also blieb ihr nichts anderes übrig als sich wieder auf ihrem Bett umzudrehen und ihre zwanzig Comichefte wieder alle hintereinander durchzulesen. Sie nahm das erste in die Hand. ,,Wonder Woman gegen die Scarlet Witch", sie kannte es schon fast auswendig: Erscheinungsjahr 2017 und seitdem bestimmt auch genauso oft gelesen. Doch was anderes konnte man hier einfach nicht machen. Ohne Internet am Ende der Welt. Immerhin war sie so schlau gewesen und hatte sich bei Lou und Lisa ein paar Filme und Songs auf ihr iPad runtergeladen, allerdings kannte sie auch die schon fast auswendig. Also blieben ihr nur noch die Brettspiele. Zwar hatten sie einen Schrenk mit haufenweise Brettspielen: Da war alles von Mensch ärgere dich nicht bis hin zu Monopoly in der Süd-Irland Edition. Doch ihr Vater hatte nie Lust mit ihr Brettspiele zu spielen, lieber las er seinen Zeitung oder guckte aus dem Fenster. Manchmal guckte er such fern, aber die zwei Programme die sie empfingen zeigten meistens nur Schund. Außer am Sonntagabend. Da saß Ryan O'Connor wie gebannt vor dem Fernseher, wenn die Highlights des letzten Gaelic Football Spiels gezeigt wurden. Man konnte ihn durch die ganze Straße schreien hören, wenn Kerry einen Punkt oder sogar ein Tor erzielt hat. Doch Lynn fand diesen Mischmasch aus Rugby und Fußball einfach nur langweilig. Und als sie den ersten Comic durchgelesen hatte, setzte sie sich wie jeden regnerischen Tag an ihren Schreibtisch und malte. Meistens malte sie Flugzeuge, mal Lufthansa, mal KLM aber meistens AerLingus. Sie wusste von allen Maschinen die für AerLingus fliegen die Kennung und das Baujahr. Sie war schon von klein auf fasziniert von den großen Metallkolossen. Allerdings hatte sie noch nie eins aus nächster Nähe gesehen, geschweige denn dass sie mit einem geflogen wäre. Nur manchmal an wolkenlosen Tagen konnte sie ein paar Flugzeuge sehen die auf dem Weg zu Landung in Shannon waren. Doch das waren nur sehr wenige am Tag. Ihr Traum war es eines Tages zum Dublin International Airport zu fahren. Doch sie wusste wie unwahrscheinlich das war, da ihr Vater weder die Zeit noch das Geld hätte um sie zu fahren. Also blieb ihr nichts anderes übrig als Flugzeuge in ihr Notizbuch zu zeichnen während der Regen gegen ihr Fenster prasselte. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 23 ⏰

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Lynn - Zwischen den Fronten der ElfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt