Flüche der Nacht

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Disclaimer!!!! In diesem Kapitel sind verstörende Inhalte eingebaut, um den Zustand des Protagonisten erklären zu können. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass dieses Kapitel Szenen mit Blut, Entstellung und Suizid enthält. Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit diesem ersten, kurzen Kapitel.

Die letzte Dämmerung

"Träume sind weit aus mehr als nur Bilder unseres Unterbewusstseins, mehr als nur sinnlose Ereignisse. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes Tore zu einer vergessen oder noch bevorstehenden Welt".

Die Nacht verabschiedete sich und begrüßte mit tausenden Hilfeschreien die Morgensonne. Der Boden war getränkt mit Blut, entstellte Körperteile lagen umher. Menschen wurden abgeschlachtet wie nutzloses Vieh. Keine Gnade begleitete die Nacht, sondern kalte, gnadenlose, Stahlhiebe gefolgt von Feuer, welches die noch lebenden in den ewigen Schlaf schickte. Die entstellten Körperteile lagen verteilt in alle Richtungen. Der Boden, auch wenn er sich schon mit Blut vollgezogen hatte, hinterließ eine riesige Pfütze, in der die verwahrlosten Überreste von Menschen dahinglitten. Der furchtbare Gestank von aufgeschnittenen Eingeweiden und Innereien verbreitete sich in der nahen Umgebung und lockte in kurzer Zeit hunderte, wenn nicht sogar tausende Raben und andere Beutetiere an, die sich an den Überresten der Menschen vergnügten. Man hätte alles in dieser Nacht erwarten können, doch kein Erbarmen, keine Hoffnung auf Rettung, nichts Überkam die Nacht außer Schmerz und gnadenloser Tod.

Der Vormittag war besonders ruhig, die nebelumhüllte Gegend zeigte keinerlei Anzeichen von Leben. Das gewöhnliche Bellen der Streuner sowie das Zwitschern der Vögel war verstummt. Man hatte für einen kurzen Augenblick den Eindruck die Zeit wäre angehalten worden und die Erde würde sich aufhören zu drehen. Unter den tausenden und abertausenden von Toten, zuckte plötzlich eines der leblosen Körper am Boden. Übersäht mit Blut und Dreck, hob er sein Haupt, um richtig atmen zu können. Noch immer von der Angst gepackt, tat er das so leise wie möglich, für den Fall, dass die Monster, die dieses Gemetzel angestellt haben, noch in der Gegend waren. Langsam öffnete er die Augen und riskierte einen Blick über die Landschaft, mit der Hoffnung jemanden zu sehen, der noch am Leben war, doch sein Blick traf auf Berge von Menschen, die aufeinandergestapelt waren, wie ein Blätterhaufen an einem kühlen Herbstmorgen. Die Angst packte ihn wieder und so schloss er rasch seine Augen und hoffte, dass das Geschehen damit ungeschehen werden würde. Doch die Bilder des Abends holten ihn wieder ein und in diesem Moment wusste er ganz genau, auch wenn er die nächsten Tage überleben würde, auch wenn er es schaffen würde, danach noch ein Leben aufzubauen, so würden ihn die grauenhaften Momente dieses Abends ein Leben lang begleiten.

Mehrere Stunden lag er regungslos am Boden und wartete. Der Nebel verging und die Mittagssonne kam zum Vorschein. Die plötzlich eintretende Sommerhitze brannte auf seinen Hinterkopf, der nicht mit Matsch bedeckt war. Er musste weiter, dass wusste er, doch die Angst entdeckt zu werden war viel zu groß, um einen Muskel zu zucken. Seine Gedanken wirrten um seinen Kopf, als wäre er in einem Fiebertraum. So erweckte er für einen kurzen Moment, immer wieder den Mut, aufzustehen und davonzulaufen, nur um dann wieder von furchtbaren Gedanken davon abgehalten zu werden. 

Nach einer Weile nahm die Hitze zu und der Gestank wurde immer unerträglicher. Eine gute Idee wäre es gewesen auf die Dunkelheit zu warten, um im Schutze der Nacht zu verschwinden, doch was ist, wenn jemand bis dahin zurückkehrt? Schließlich kam er zu dem Entschluss das es auch andere Überlebende geben könnte. So hob er wieder sein Haupt, langsam, mit bedacht und öffnete sein linkes Auge, während seine rechte Gesichtshälfte im Matsch lag. Er sah nichts außer Leichen und Tod, das zuvor blumenumhüllte Feld, auf dem sich dieses Verbrechen verübt hatte, sah nun aus wie ein Meer aus Blut, welches bis zum Waldrand herunter reichte. Fassungslos schaute er um sich, all diese Menschen, seine Freunde, seine Verwandten, seine geliebten, all diese schönen Erinnerungen ertranken nun in diesem roten Meer. 

Als er es für richtig hielt, versuchte er sich mühevoll aufzurichten. Er war mit seinen Kräften völlig am Ende und schwankte von links nach rechts, wie ein Kind, dass zum ersten Mal das Gehen lernt. Sein Bein war verletzt und mit Dreck und Schlamm überzogen. Da versuchte er halb professionell die Wunde zu säubern, ein tiefer Schnitt, in der länge seines Zeigefingers und halb so tief, dass man schon fast den Knochen sehen konnte. So fing er langsam an, in Richtung des Waldes zu humpeln, dabei hielt er die Augen, für weitere Überlebende, offen. 

Mühevoll und vor allem kräftezerrend bewegte er sich weiter und stieß hin und wieder auf die Überreste von Freunden, Verwandten und Nachbarn, Menschen, mit denen er gestern noch lachte und seine Freude teilte. Schließlich überkam ihm erneut die Trauer, sodass er in Tränen ausbrach aber das Weinen an sich unterdrückte, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Wo sollte er nur hin? Was sollte er nun tun? Alles woran er sich hätte festhalten können, ist nun weg. Alles, was seinem Leben einen Sinn gegeben hat ist nun Tod, wieso sollte er also weiterleben? Wieso sollte er weiter Atmen? Wieso sollte er weiter Hoffen? Und falls er dies tue an was sollte er Hoffen? Auf ein neues Leben? Wie sollte dieses Leben aussehen und was sollte ihm von nun an noch Freude schenken? Das alles ist nun vergangen. 

Mit diesen Gedanken hielt er an und plötzlich überkam ihn eine Hoffnungslosigkeit, die man mit bloßen Worten nicht beschreiben könnte. Blutgemischte Tränen liefen seine Wangen entlang und schlugen auf den Boden ein, während seine Hand nach einer Klinge griff, die ihm gleich zu Füßen lag. Er zog die Klinge aus dem Boden und richtete sie gegen seine Pulsader am Hals und sagte zu sich selbst: „Wieso habe ich so lange gewartet? Wieso habe ich Angst gehabt? Wovor hatte ich Angst? Vor dem Tod? Vor den Schmerzen? Vor dem Jenseits? Alles, was ich hatte, ist weg, verschlungen von diesem Meer aus Blut und ich werde nun ein Teil davon sein, ich möchte wieder mit ihnen sein". 

Mit einer raschen Bewegung fühlte er ein leichtes Brennen am Hals, dabei schaute er hoch in den Himmel und fiel dabei auf die Knie. Der blaue Himmel verblasste langsam und seine Sinne gaben nach, bis er sich in völliger Dunkelheit wiederfand. Um ihn herum war nichts, kein Jenseits, kein vertrautes Gesicht, auf das er gehofft hatte. Nur endlose Stille und eine Finsternis, in dem sogar das grellste Feuer erlöschen würde. Da trieb er nun furchtlos umher, dort, in der ewigen Dunkelheit, keine Träne wurde vergossen und keine Gedanken an furchtbares verschwendet. Er war in Frieden, als hätte er niemals existiert, gelebt, geatmet oder Erinnerungen gemacht. 

Plötzlich formte sich ein Licht in der Ferne, viel mehr ein Funken welches mit jeder Sekunde größer wurde. Dabei hörte er eine Stimme, eine vertraute Stimme und selbst der Klang dieser zierlichen Stimme, erinnerte ihn Plötzlich an ein Dasein, welches er noch nie gelebt hatte aber ihm trotzdem nicht fremd vorkam. Mit jeder weiteren Sekunde wuchs dieses Licht, dieser Funken, bis auch der letzte Schatten dieser furchtbaren Finsternis zurückwich.


„Wach auf!", schrie Marie und schüttelte verzweifelt ihren Sohn, „Wach auf Eren, bitte wach endlich auf!". 

Eren blinzelte und der schwere Nebel des Schlafs lag noch auf seinen Augengliedern, das leise Ticken seine Wanduhr und das feine Licht seiner Nachttischlampe zusammen mit den Worten seiner Mutter rissen ihn nun völlig aus dem Schlaf. Wie aus dem Nichts schossen seine Hände aus der Bettdecke und griffen nach seinem Hals, wie jemand der versuchte eine offene Wunde zuzuhalten. Seine Mutter, erschrocken von dieser Reaktion, wich rasch zurück. Doch nun war er sich sicher, es war wieder mal ein Traum. Ein furchtbarer, gnadenloser Traum und zu seinem Bedenken, war es wieder der gleiche Traum.

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⏰ Last updated: Aug 11 ⏰

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