„Das sieht mir aber ganz anders aus. Was stimmt nicht mit ihr?", sagte Merry.
Juni empörte sich, dass alles bestens mit ihr sei. Sie wolle lediglich eine Versicherung gegen Versicherungsbetrug. Das sei schließlich wichtig und richtig. Und noch zwei Menüs zum Mitnehmen. Und einen Ratgeber für ihre beratungsoffene Kollegin. Oder besser zwei. Weltraumgefahren erkannt und gebannt! Und die 10 besten Tipps für das Überleben auf einem Transportraumschiff. Es gab so viele spannende Themen. „Und nach diesem Kaffee hab ich plötzlich Lust auf Sammelfiguren. Haben Sie KosmosKekse?", fügte sie hinzu.
Merrys Blick fiel auf die Kaffeekanne, die am Boden in einer braunen Pfütze lag. „Was ist in diesem Kaffee drin?", fragte sie argwöhnisch.
„Nichts, nichts", säuselte Emilia und stopfte Juni eine Orange in den Mund, um sie von weiteren Bestellungen und Verdacht erregenden Aussagen abzuhalten.
„Wo habt ihr den her?!", rief die bullige Imbissbetreiberin und kramte hinter ihrem Rücken herum. Zwei Sekunden später zielte ein Pistolenlauf geradewegs auf die beiden Co-Pilotinnen. Ein Grinsen zog über das Gesicht der Hünin, denn im Geiste sah sie all die Vorzüge, die ein solch kauffördernder Kaffee ihrem Geschäft bot. Kunden über Kunden würden kommen, die nicht zögerten, sondern zugriffen, die nicht fragten, sondern forderten, die nicht herumnölten, sondern hamsterten, die nicht reklamierten, sondern im Rausch alles kaufen würden, was sie ihnen vor die Füße warf. Sie würde reich werden!
Der Lauf klickte, und Emilia schluckte. „Mäuschel-Clan", flüsterte sie.
Merry schüttelte den Kopf. „Nicht jeder in diesem Sektor ist Mitglied im Mäuschel-Clan. Echt mal! Es gibt auch ganz unbescholtene Gangster. Also, wo kommt dieses Gesöff her?!"
„Entschuldigung, ich wollte Ihnen nicht unterstellen, dass ...", murmelte Emilia.
„NA LOS! WO HABT IHR DEN HER?!", brüllte Merry.
„Es ist der defekte Gourmet100, der dort drüben steht", flüsterte Emilia. „Und diese Sammelfigur." Sie zeigte auf eine grübelnde Kaffeebohne, die verstohlen aus einer Packung KosmosKekse lugte, als ahnte sie, was ihr bevorstand.
Merry war skeptisch und wollte den Beweis sehen. „Die Figur in den Wandler! IMMEDIATEMENTO!", brüllte sie.
„Nicht meine Sammelfiguren!", schrie Juni und stürzte auf die Halunkin zu, um die Dezimierung ihrer geliebten Sammlung abzuwehren. Doch da ließ die Wirkung des kleinen Kaffeeschlucks schon wieder nach, sie verlor die Besinnung und ging zu Boden wie ein Fliegengewicht, das von einem Sumo-Ringer gerammt wurde.
Die Imbissbetreiberin fuchtelte mit ihrer Pistole vor Emilias Gesicht herum und hielt sie an, keine Dummheiten zu machen. Ihre Reaktionsfähigkeit sei legendär, prahlte sie. Durch jahrelanges Training und den Besuch diverser Etablissements, die mit stabilen Gitterstäben, spitzem Stacheldraht und modisch-gestreifter Kleidung aufwarten konnten, hatte sie diese zur Perfektion gebracht. Emilia schluckte abermals und gab mit zittrigen Händen die Sammelfigur in den Trichter des verfluchten Atomwandlers. Dann lehnte sie sich über das Display und rätselte, wie man einen Bagel auswählte. Das Menü war nicht sehr übersichtlich.
In der Zwischenzeit kam Juni wieder zu sich und bemerkte, dass Merry gespannt auf Emilia und deren verzweifelte Versuche, das gewünschte Gebäckstück anzufordern, starrte und ihr keinerlei Beachtung schenkte. Prima! Hektisch sah sie sich nach einer Waffe um, nach einem Werkzeug, irgendetwas, das zur Verteidigung dienen konnte, und entdeckte neben sich das Tablett mit den Menüs und mehreren Flaschen curianischem Kohlenbräu. Perfekt! Sie griff eine Flasche, schüttelte sie mit Schwung und Verzweiflung und zielte mit dem Kronkorken auf den Kopf der Hünin. Es schäumte, es zischte, es gurgelte, der metallische Verschluss löste sich mit einem Plopp. Und fiel wie ein Stein senkrecht zu Boden. Keine zehn Zentimeter von der Öffnung entfernt. „Schwach! Sehr schwach", dachte Juni.
Merry schaute sie finster an und die Co-Pilotin grinste verlegen. Dann fegte sie eilig die restlichen Verpackungen beiseite und schnappte sich das Tablett, um mit einem gezielten Wurf die Waffe aus der Hand der Halunkin zu befördern. Doch genau in dem Moment, in dem sie ausholen wollte, kroch aus einer umgekippten Schachtel ein grünes, etwas zwanzig Zentimeter langes Würmchen heraus.
„Curianische Köstlichkeit", feixte Merry und kickte das Tierchen blitzschnell mit ihrem Fuß nach vorn. Es landete auf Junis Hals und schlängelte sich darum wie ein viel zu enges Collier. Die Imbissbetreiberin nahm das Tablett an sich und knüllte es mit einer Hand zusammen, als wäre es ein Blatt Papier, drückte fester und fester zu, bis sie einen Metallball geformt hatte. Wie eine Kanonenkugel fiel das deformierte Servierutensil zu Boden und hinterließ eine Kuhle im Raumschiffboden.
„Mach schon", knurrte sie Emilia an, die verzweifelt zu ihrer Kollegin hinübersah. Juni röchelte, ihre Augen quollen hervor. Nach Luft japsend versuchte sie, das Würmchen davon abzuhalten, sich immer enger um ihren Hals zu ziehen, aber es war ein unnachgiebiges wartilianisches Würgerwürmchen, das sich instinktiv um jede Verbindung zwischen Kopf und Körper wand, als gäbe es kein besseres Ziel auf dieser Welt.
Die Würmchen bildeten den Hauptbestandteil der Curianischen Köstlichkeit und waren nur frisch genießbar. Kenner verspeisten sie vorzugsweise mit einem Hauch Petersilie, einer halben Knoblauchzehe und fischtolinischem Froschpfeffer. Vor dem Verzehr musste es der Feinschmecker allerdings schaffen, sein Essen zu erlegen, bevor das Essen den Feinschmecker erlegte. Und auch wenn es immer wieder kritische Stimmen gab, die ein Verbot dieser Delikatesse forderten, weil der eine oder andere Gast ein wenig zu langsam war, konnten sich die Liebhaber der seltsamen Köstlichkeit stets durchsetzen. Im Grunde war es ja nur fair, argumentierten die Befürworter, der Mahlzeit die Möglichkeit einzuräumen, sich zu wehren und schleunigst das Weite zu suchen.
Dieses Würmchen nutzte seine Chance mit allen Kräften. Es würgte wie ein Weltmeister, und Junis Gesicht wurde purpurrot, bevor es langsam einen bläulichen Farbton annahm.
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Kekse krümeln auch im Weltraum
HumorSpaß-Fiction in der Curium-Galaxie: Zwei Co-Pilotinnen sind in ihrem vollautomatischen Raumschiff unterwegs, auf dem es außer Langeweile und aufdringlichen Unterhaltungsprogrammen nichts zu geben scheint. Doch dann taucht plötzlich ein riesiges schw...