Erstes Kapitel, Etamnia, Fluss der Schwarznixen

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Lazaros stand im seichten Wasser des vor ihm fließenden Flusses und starrte wie betäubt auf das glitzernde Blau hinunter. Tränen rannen seine Wangen hinab, sammelten sich in seinen Mundwinkeln. Er hob den Kopf. Sah hinauf zum sternenverhangenen Himmel, tankte etwas von der frischen Oktoberluft. Ein letztes Mal. Lazaros schloss die Lider. Er musste gehen, diesem Schmerz, dieser Leere endgültig die Stirn bieten, endlich alles beenden. Doch so sehr es auch wollte, irgendetwas tief in seinem Inneren schrie ihn förmlich an diesen Schritt nicht zu gehen, dem Leben nicht den Rücken zu kehren, nicht jetzt, nicht hier. Lazaros öffnete die Augen wieder. Woher aber sollte er die Kraft nehmen, weiter zu leben? Es gab keinen Grund mehr, weiter auf dieser Erde zu bleiben! Oder doch? Nein! Entschieden setzte der junge Mann sich in Bewegung und schon kurz darauf spürte er, wie sich das Wasser immer weiter an ihm hoch fraß. Plötzlich wurde Lazaros vor Angst ganz schlecht. Panik keimte in ihm auf, erfasste seinen gesamten Körper und raubte ihn auch den letzten Funken der noch vor kurzem vorhandenen Todessehnsucht. Nein! Er wollte das hier nicht! Es musste einen anderen, einen einfacheren Weg geben! Raus! Raus hier! Weg! Nur raus aus diesem Fluss! Fort von diesem Ort des Grauens! Lazaros drehte sich um die eigene Achse. Ein Blick zum Ufer genügte, um die in ihm lodernden Flammen der Angst in ein wahres Inferno zu verwandeln. Er war viel zu weit vom Festland entfernt. Lazaros machte ein paar Schritte nach hinten und genau in diesem und keinem anderen Augenblick wurde er von der plötzlich aufkommenden Strömung nach hinten gerissen! Ein stummer Schrei löste sich aus seiner Kehle, ein Laut, der jedoch in den tosenden Wassermassen verhallte. Wer sollte ihn auch schon hören? Mitten in der Nacht. Lazaros ruderte mit den Armen und versuchte, sich irgendwie über Wasser zu halten. Er war ein miserabler Schwimmer, das wusste er nur zu gut. Gab es für ihn überhaupt den Hauch einer Überlebenschance? Oder war hiermit sein Schicksal besiegelt? Ertrinken? Hatte er nicht genau diese Art zu Sterben gewählt? Lazaros schüttelte den Kopf. Die Angst siegte über den Wunsch nach Erlösung. Kleine Wellen peitschten gegen den Körper des jungen Mannes, während der Fluss ihn weiter mit sich zog. Aus dieser blauen Hölle gab es kein Entkommen! Niemals! Wie sehr er es auch versuchte, die Natur hatte hier das Sagen! Und das ließ sie Lazaros am eigenen Leib erfahren! Irgendwann hörte er auf, sich zu wehren, kämpfte nicht mehr, trieb einfach so dahin, müde, von jeglicher Hoffnung verlassen. Je schneller die Strömung wurde, desto weniger konnte er sich noch über Wasser halten. Wieder und wieder ging Lazaros unter und irgendwann trieb ihm die Erschöpfung die Tränen in die Augen. Ein silberweißer Strahl des am Himmel schimmernden Mondes fiel auf das nächtliche Wasser hinab und verwandelte die gesamte Umgebung in ein wahres Meer aus purer Helligkeit. Der junge Mann seufzte schwer und hob die Arme in die Höhe, bereit, in der schäumenden Gischt zu versinken. Keinen Herzschlag später packte jemand ruckartig sein Handgelenk. Erschrocken riss Lazaros den Kopf herum und blickte geradewegs in das Gesicht eines ihm nicht unbekannten Mannes.

Wie heißt der Mann der Lazaros das Leben rettet?
Wie sieht er aus?
Wie stehen Lazaros und er zueinander?
Wie rettet der Mann Lazaros?

Tränen aus purem Bernstein (Mitmach-Buch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt