Harmony - The True Gift

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Fünf Tage. Vor fünf Tagen war Amina mit ihrer Familie endlich am Ziel angekommen, doch es fühlte sich anders an, als erwartet. Sie hatte gedacht, wenn sie erst einmal hier wären, dann wäre all das Erlebte und die Strapazen der Reise vergessen, aber so war es nicht. Jetzt hatte sie das erste Mal, nach den Monaten der Flucht und der Angst, wieder Zeit richtig nachzudenken.

Sie saß am Fenster des kleinen Zimmers, dass sie sich mit ihren Eltern und ihren drei Geschwistern teilte und beobachtete die Kinder, die zwischen den anderen Containern in der Flüchtlingsunterkunft spielten. Wie konnten sie nach all dem so unbeschwert sein? Amina wusste es nicht.

Sie selbst war nur halb da, die andere Hälfte von ihr hing irgendwo zwischen ihrer Heimat, der Demokratischen Republik Kongo, und Griechenland.

Ihre Eltern bezeichneten es als ein Geschenk, dass sie nun hier waren, doch für Amina war all das Erlebte einfach zu viel. War es wirklich ein Geschenk oder nur eine scheinbare Sicherheit?

Auf der Flucht hatte Amina so viele schreckliche Dinge gesehen und selbst erfahren, dass die Erinnerungen daran sie nicht losließen. Auch in ihren Träumen wurde sie davon verfolgt. Teilweise wachte sie schreiend auf, nur um den Rest der Nacht mit glasigen Augen an die Decke des Doppelstockbettes zu starren.

Wann würden diese Dämonen sie endlich in Ruhe lassen? Und wann würde sie endlich realisieren, dass sie nun in Sicherheit war?

Aber vermutlich waren Albträume normal, wenn man so oft mit Gewalt und dem Tod konfrontiert worden war wie Amina. Doch es waren nicht nur ihre Erinnerungen, die ihr zu schaffen machten. Es war auch die Angst vor dem, was jetzt kommen würde.

Ihre Eltern hatten einen Antrag auf Asyl gestellt, doch was war, wenn der nicht angenommen wurde, mussten sie dann zurück?
Wie lange würden sie in dieser Flüchtlingsunterkunft leben müssen? Die Unterkunft war viel zu überfüllt und es gab kaum genug Sanitäranlagen für all diese Menschen... Lange würden sie es in diesem kleinen Zimmer nicht zusammen aushalten...

Außerdem beängstigte sie der Gedanke, wie sie in einem Land zurechtkommen sollte, wenn sie kein Wort der Sprache verstand.
Aminas einziger Trost war, dass sie in der Schule ein bisschen Englisch gelernt hatte, doch ihre Sprachkentnisse beschränkten sich auf ein paar einfache Worte und Sätze, da sie erst kurz vor ihrer Flucht mit dem Unterricht angefangen hatten.

Ein Klopfen unterbrach ihre düsteren Gedanken und da sie gerade alleine war musste sie selbst aufstehen, um die Tür zu öffnen.

Ein Mann mittleren Alters, mit braunen, schon leicht angegrauten Haaren stand vor der Tür und blickte sie aus warmen, grünen Augen freundlich an.
Mit einem schrecklichen Akzent begann er auf Englisch: „Hallo, ich bin Tim. Ich kümmere mich um die Jugendlichen hier. Hast du Lust mitzukommen?"
Amina verstand nicht alles, nur dass der Mann Tim hieß und sie der Geste nach, die er machte, aufforderte mit ihm zu kommen.

Sie überlegte nicht lange. Was hatte sie denn Besseres zu tun, als grübelnd mit düsteren Gedanken hier herumzusitzen? Nichts!

Nach einem kurzen Nicken folgte sie ihm. Tim führte sie in einen größeren Raum, indem schon zwei Jungen und ein anderes Mädchen waren. Die drei hatten sich mit einem möglichst großen Abstand voneinander im Raum verteilt und beobachteten sich misstrauisch. Amina fiel auf, dass die drei ungefähr in ihrem Alter waren, so um die sechzehn.

Die meisten in dieser Flüchtlingsunterkunft waren entweder Erwachsen oder kleinere Kinder. Bis jetzt hatte sie noch keine anderen Jugendlichen hier gesehen. Wo sie wohl herkommen mochten?

Tim ließ sich auf dem Boden nieder und forderte sie alle mit einer Geste auf sich ebenfalls auf den Teppich zu setzen. Nur zögerlich folgten die Jugendlichen seiner Einladung.

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