Kapitel 1

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Der kalte Wind zog durch die verlassenen Straßen, fegte durch die leeren Gebäude und brachte das leise Klirren zerbrochener Fenster mit sich. Cara drückte ihren Sohn Finn fest an ihre Brust, während sie vorsichtig durch die verfallene Stadt schlich. Jeder Schritt war ein Risiko, jedes Geräusch eine mögliche Gefahr. Doch sie hatte gelernt, wie man überlebt – sie musste es lernen. Für Finn.

Es war drei Jahre her, seitdem die Welt zusammengebrochen war. Drei Jahre, in denen alles, was Cara kannte, zu Asche geworden war. Doch Finn, war ihr Licht, ihr Grund, jeden Tag weiterzukämpfen. Sie hatte keine Wahl. In einer Welt, die vor Blutdurst und Verzweiflung strotzte, war sie das einzige, was zwischen ihrem Sohn und dem sicheren Tod stand.

Cara hielt an einem verlassenen Auto, hob Finn vorsichtig in die Trage an ihrer Brust und sah sich schnell um. Die Straßen waren leer – zu leer. Sie wusste, dass das gefährlich war. Stille war immer der Vorbote von etwas Schrecklichem. Sie hatte in den letzten Monaten gelernt, die Zeichen zu erkennen: den fauligen Geruch der Verwesung, das unregelmäßige Schlurfen auf dem Asphalt, und dann, das Schlimmste von allem – das Grollen. Diese markerschütternden Laute der Untoten, die durch die Straßen hallten und die Luft mit der Drohung des Todes erfüllten.

Heute war es anders. Keine Geräusche. Keine sichtbaren Gefahren. Doch Cara wusste, dass die Zombiehorden nie weit entfernt waren. Sie befanden sich immer irgendwo in der Nähe, unsichtbar, und warteten darauf, dass man einen Fehler machte. Dass man sich in falscher Sicherheit wiegte.

Finn begann leise zu quengeln, und Cara wiegte ihn sanft, um ihn zu beruhigen. „Shh, mein Kleiner", flüsterte sie. „Es ist alles gut. Mama passt auf dich auf." Sie streichelte ihm über den Kopf und spürte seine winzigen Finger an ihrer Haut. Dieser kleine Moment der Zärtlichkeit war alles, was sie brauchte, um ihre Entschlossenheit zu erneuern. Sie musste stark bleiben.

Ihr Ziel war ein altes Einkaufszentrum, von dem sie gehört hatte, dass es noch einige Vorräte beinhalten könnte. Es war gefährlich, dorthin zu gehen, aber ihre Vorräte gingen zur Neige. Finn brauchte Nahrung, und Cara konnte sich nicht mehr auf die kleinen Gelegenheiten verlassen, die sie in den letzten Wochen gefunden hatte – ein paar Beeren hier, etwas Regenwasser dort. Sie musste handeln.

Als sie die Tore des Einkaufszentrums erreichte, war die Luft drückend, und das Gebäude wirkte wie ein verlassener Koloss, der seine besten Tage lange hinter sich hatte. Zerbrochene Fenster, Graffiti an den Wänden und ein Eingang, der nur halb offen stand. Ein perfektes Versteck – für Menschen und für die Zombies. Cara blieb stehen, zog ihren Dolch aus der Tasche und atmete tief durch. Sie musste bereit sein.

Langsam schlich sie hinein, hielt Finn fest an sich gedrückt. Das Innere des Gebäudes war still und finster, und die Schatten tanzten unheimlich über die Wände. Doch die Regale standen noch, manche halb geplündert, andere fast unberührt. Sie musste jetzt schnell sein.

Sie fand einige Dosen Bohnen und ein paar Packungen Babynahrung, die wie ein Segen wirkten. Schnell packte sie alles ein, so viel sie tragen konnte, und war bereit, das Einkaufszentrum so schnell wie möglich zu verlassen. Doch dann hörte sie es – ein leises Kratzen. Ihr Herz setzte für einen Moment aus.

Cara blieb wie versteinert stehen, lauschte. Finn regte sich, und sie musste sich zwingen, ruhig zu bleiben. Das Kratzen wurde lauter, dann folgte ein tiefes Stöhnen. Sie kannte diesen Laut nur zu gut. Die Untoten waren nicht weit entfernt. Sie wusste, dass es keine Möglichkeit gab, zu entkommen, wenn sie in Panik geriet. Vorsichtig trat sie einen Schritt zurück, ging in Deckung hinter einem Regal und lauschte.

Die Schritte wurden lauter. Sie kamen näher. Cara legte eine Hand auf Finns Kopf, um ihn zu beruhigen, während sie sich so ruhig wie möglich verhielt. Ihre Augen suchten hektisch nach einem Fluchtweg, doch die Schatten bewegten sich nun schneller. Zwei, vielleicht drei von ihnen – sie konnte es nicht genau sagen.

Hoffnung der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt