So ein Mist! Ich hatte mich definitiv verlaufen. Wer hatte sich diesen seltsamen Teamausflug bloß ausgedacht? Mit der Person würde ich nie ein Team werden wollen. Schon gar nicht wollte ich an meinem freien Tag durch einen Wald laufen und über Wurzeln stolpern.
Mein neuer CEO, den noch niemand von uns zu Gesicht bekommen hatte, veranstaltete hier eine Schnitzeljagd, so eine Art Teamtraining, mitten in einem finsteren Wald! Jedes Teammitglied musste sein Handy gegen eine Karte und einen Kompass tauschen. Super! Was hätte ich jetzt für ein GPS-Gerät gegeben.
Keineswegs war mir der Umgang mit Karte und Kompass fremd. Nur heute funktionierte das irgendwie nicht. Die Nadel drehte sich wie wild im Kreis, es war mir unmöglich, eine Richtung zu bestimmen. Derweil zog sich der Himmel immer mehr zu und Regen setzte ein. Man konnte kaum noch einen Schritt vor den anderen setzen. Es wurde nicht besser, denn was hatte ich nicht an? Richtig! Wetterfeste Kleidung. Warum auch?
Irgendein Unterschlupf vor dem immer stärker prasselnden Regen wäre jetzt nicht schlecht. Das Rauschen der Bäume im Wind und das erste Grummeln einer herannahenden Gewitterfront ließen meine Schritte schneller werden, in der Hoffnung, einen sicheren Platz vor dem Unwetter zu finden. Die anderen 20 Mitglieder des Teams würden ja irgendwann merken, dass ich nicht am Ziel ankam.
Ich erinnerte mich an eine alte Sage, die mir meine Großeltern vor langer Zeit erzählt hatten. Wenn man einen Wald betrat, sollte man immer den ersten Baum begrüßen und umarmen, und ihn darum bitten, den Wald betreten zu dürfen. Dieser Baum würde dann alle Bäume im Wald darüber informieren, dass man durch ihn hindurch wanderte. Vielleicht hätte ich das mal machen sollen, dann würde ich jetzt hier nicht so umherirren. Instinktiv umarmte ich den Baum, der mir am nächsten stand. Die Rinde fühlte sich rau an und doch hatte das Berühren dieses Baumes etwas Beruhigendes auf mich. Im Knarzen der Bäume und durch das Rauschen des Windes glaubte ich, ihre Stimmen zu hören.
Nicht allzu weit entfernt erblickte ich plötzlich eine kleine Hütte zwischen den Bäumen. Das war keine Minute zu früh, denn das Wetter wurde immer schlechter. Es hatte geholfen! Der Baum und der gesamte Wald hatten wohl Mitleid mit mir.
Schnellen Schrittes näherte ich mich der Hütte und klopfte an die Tür, doch niemand öffnete. Im Inneren brannte Licht, also musste ich davon ausgehen, dass jemand da war. Zaghaft drückte ich die Türklinke hinunter und betrat die Hütte. Der warme Schein einer Kerze erhellte den Raum.
Niemand war zu sehen, also zog ich meine nasse Jacke aus und legte sie über die Lehne eines Stuhles, der mitten im Zimmer stand.
Das Knistern des Holzfeuers im Kamin, vor dem ein kleines Sofa stand, beruhigte mich. So kalt und durchnässt, wie ich war, empfand ich Dankbarkeit für diesen Ort und machte es mir auf dem Sofa gemütlich. Das Feuer wärmte mich und die wohlige Atmosphäre des Raumes ließ mich langsam entspannen.
Mit einem Seufzer der Erleichterung schloss ich meine Augen und lauschte den Regentropfen, die heftig gegen die Fensterscheiben trommelten.
Oh Gott! Offensichtlich war ich eingenickt. Mein Kopf brauchte einen Moment, um sich zu orientieren, und mein angstvoller Blick starrte in dunkle Augen, die mich aufmerksam betrachteten. Der düstere Blick war kaum zu beschreiben und mein Körper erschauderte. Ein alles durchdringender Blick, ein Ort der Finsternis, an dem man seine Seele begraben konnte. Vielleicht waren meine Empfindungen auch davon verursacht, weil ich vorher einen wirklich wüsten Traum gehabt hatte. Ich war erfüllt von Panik.
In meinem Traum ging ich durch einen Wald. Ich kam vom Weg ab, hatte mich verlaufen, und es zog mich immer tiefer in den Wald hinein. Ein riesiger Wolf stand plötzlich vor mir. „Na, kleines Mädchen, möchtest du spielen? Du bist in meinem Reich. Hmm, so leckeres zartes Fleisch. Wir werden viel Spaß miteinander haben." Der Wolf trat dicht an mich heran und leckte mit seiner rauen Zunge über meine Wange. Verängstigt wich ich zurück. Er war ein böses Monster, der böse Wolf, und bereit zu töten und zu fressen. Ich hatte keine Chance auszuweichen, eine Flucht schien unmöglich. Ich wollte mich niederknien und um mein Leben flehen, als er mir seine Pfote entgegenstreckte. Ich griff nach ihr, berührte sie, und blickte tief in seine Augen, die mir von Schmerz und tiefer Traurigkeit erzählten. Leise summte ich eine liebliche Melodie. Als ich dachte, mein Leben sei vorbei, ließ der Wolf von mir ab und strich mit seiner Pfote über die Hand, die den Mut gefunden hatte, ihn zu berühren. Zum ersten Mal in seinem Leben war er nicht allein.
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Karin Baumann: Bad Wolf - Dem neuen CEO verfallen
FantasyDer neue CEO hat ein Teamtraining mitten im Wald angesetzt. Kristin ist davon nicht sonderlich begeistert, erst recht nicht, als sie sich in ihm verläuft. Der Mann, der sie vor dem nahenden Unwetter rettet und in dessen Waldhütte sie Schutz findet...