Arcelia 19.07.1504
Das leise Klopfen an der dunklen Eichentür lässt den feuerroten Drachen aufhorchen, was Rhydian ein Lächeln entlockte. Dass sein Drache auf jedes fremde Geräusch achtete, bewies den Scharfsinn und die Bereitschaft, die Aufgabe als Beschützer zu erfüllen. Rhydian wandte den Blick von seinem Freund ab und sah zur Tür.
„Herein.", bat der Kronprinz von Arcelia, die fremde Person, einzutreten. Einer seiner persönlichen Diener betrat den Raum und stellte die silbrige Speiseglocke, auf dem schwarzen, runden, etwas niedrigeren Couchtisch, die auf vier geschwungenen Tischbeine die spiegelnde, dunkle Tischplatte hielt. Aus dem Augenwinkel konnte Rhydian erkennen, wie sich sein kleiner Beschützer wieder entspannte. Mit einer einfachen, geübten Geste wies der Prinz seinen Diener an, den Raum wieder zu verlassen, bevor er sich aufrichtete und die wenigen Meter zum Tisch mit schnellen, festen Schritten hinter sich brachte. Mit der Speiseglocke in der Hand, drehte sich Rhydian um, nur in den neugierigen Augen seines Drachens zu schauen. Schmunzelnd schritt Rhydian den gleichen Weg wieder zurück und stellte das Tablett direkt vor das dunkelrote Sitzkissen, das Rhydian dem kleinen Drachen zuvor geschenkt hatte.
„Was wäre ein Geburtstag ohne das passende Mahl?" fragte der Prinz, hob den Deckel und stellte das Tablett mit den saftigen, zurecht geschnittenen, Stake Stückchen direkt vor Koa's Nase hin. Die Freude war dem kleinen Drachen sofort anzumerken, denn dieser flatterte mit seinen ledernen Flügeln und mit dem Schwanz so stark, dass sich Funken bildeten.
„Happy Birthday", wünschte Rhydian bereits zum zwanzigsten Mal an diesem Tag.
„Ich danke dir, auch wenn heute nicht mein wirklicher Geburtstag ist. Ich finde nach wie vor, dass es lieber ‚Happy get home Day' heißen soll." erklang die freudige, etwas tiefe Stimme in seinem Kopf und Rhydian lachte kurz auf. Koa ließ wirklich keine Gelegenheit verstreichen, um Rhydian davon zu überzeugen, den Tag umzubenennen.
„Als du vor mittlerweile neun Jahren zu mir gekommen bist, hat doch dein Leben hier im Schloss angefangen. Kommt das nicht einem Geburtstag gleich?" Aber der kleine Drache antwortete nicht darauf, sondern verschlang seine Mahlzeit genüsslich, bis zum letzten Bissen. So ein Verhalten war dem Prinzen vertraut und es amüsierte ihn mehr, als es ihn ärgern würde. Koa von etwas zu überzeugen, war schwieriger, als die schwarze Marmormauer zu erklimmen, die das Schloss umgab. Doch beschweren wollte sich der Kronprinz auf keinen Fall, denn ohne sein Feuerdrachen, wäre sein Leben um einiges trostloser und düsterer. Dieser kleine, unscheinbar wirkende, rot leuchtende, Feuerdrache begleitete ihn bereits seit seinem neunten Lebensjahr und kam der Aufgabe als Beschützer jeden Tag nach. Koa zu seinem Beschützer zu ernennen, hatte die Königin entschieden. An jenem Tag war sie es, die die sieben Drachenjungen in ins Schloss gebracht hatte. Der ganz unscheinbare Tag hatte einen ganz besonderen Platz in Rhydians Herzen erhalten.*
An jenem Tag schien die Sonne zum ersten Mal seit Wochen wieder durch die düstere Wolkendecke und gab einen Blick auf den hellblauen Himmel frei. Rhydian lag der Königin bereits seit den frühen Morgenstunden mit der Bitte, im Schlossgarten spielen zu dürfen, in den Ohren. Die ganzen Unterrichtsstunden und die langweilige Zeit, die er in der Bibliothek verbringen musste, um sich irgend eine blöde Regel zu merken, hatten den neunjährige Kronprinzen geprägt. Er hatte schier keine Lust mehr!
„Bitte Mutter, nur heute! Vater befindet sich gerade nicht im Schloss, also wird es ihm nicht auffallen." Die Bittende und verzweifelte Stimme des Kronprinzen, hallte von den hohen gotischen Wänden der Schlossgänge wieder. Rhydian hoffte, dass seine Mutter endlich nachgab. Das tat sie ab und an, was seinem Vater überhaupt nicht gefiel. Jedes Mal, wenn der König erfuhr, dass Rhydian seine Pflichten vernachlässigte oder nur ein wenig früher mit den Aufgaben aufhörte, bestrafte dieser Rhydian mit zusätzlichen Aufgaben. Diese fielen unterschiedlich aus, je nachdem wie groß sein Fehler war. Am Ende hieß es für Rhydian entweder mehr Stunden in der Bibliothek, wo er zusätzliche Bücher auswendig lernen oder abschreiben musste, bis dem kleinen Prinzen die Augen oder die Finger weh taten, oder härtere Trainingsstunden mit Waffen, die Rhydian über sich ergehen lassen musste.
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an unexpected guardian
Fantasy„Happy Birthday", wünschte Rhydian bereits zum zwanzigsten Mal an diesem Tag. „Ich danke dir, auch wenn heute nicht mein wirklicher Geburtstag ist. Ich finde nach wie vor, dass es lieber ‚Happy get home Day' heißen soll." erklang die freudige, etwas...