Kapitel 1

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Sam Scott erwachte abrupt, seine Augenlider flatterten, bevor er die Augen öffnete. Sofort überkam ihn eine Welle der Orientierungslosigkeit. Wo war er? Die Welt um ihn herum war verschwommen, die Luft kalt und trocken. Seine Hände tasteten nach Halt, doch als er sich bewegen wollte, spürte er den harten, metallenen Widerstand um sein rechtes Fußgelenk. Eine Kette klirrte leise. Panik schoss durch seinen Körper, als er realisierte, dass er an ein Bett gefesselt war. Die Matratze unter ihm war dünn und feucht, der Stoff der Decke rau und kaum in der Lage, die Kälte abzuwehren, die den Raum durchzog. Er fror bis auf die Knochen, jeder Atemzug fühlte sich an, als würde er Eisluft einatmen. Der Raum war schummrig, nur ein kleines Fenster in der Ferne ließ schwaches, graues Licht herein. Sam blinzelte, um sich besser zu orientieren, und erkannte, dass er in einer Hütte war. Die Wände aus grobem Holz wirkten alt und undicht, an mehreren Stellen zog es durch die Ritzen. Überall um ihn herum hingen Spinnweben, und der muffige Geruch von Staub und Feuchtigkeit stieg ihm in die Nase.

»Jay...« Sams Herz begann schneller zu schlagen. Instinktiv versuchte er, den Rudellink zu Jay zu aktivieren, um ihn zu erreichen, ihm zu sagen, wo er war, aber ... nichts. Absolut nichts. Seine Verbindung zu Jay war wie gekappt, ein tiefes, schwarzes Loch, das auf seine Gedanken antwortete. Die Panik wuchs, als er noch einmal versuchte, den Link zu aktivieren, sich auf Jays Anwesenheit zu konzentrieren – doch es war, als ob er in völliger Stille sprach.

»Verdammt! Was passiert hier?« Seine Gedanken rasten, während er sich aufrichtete, aber die Kette an seinem Fuß hielt ihn zurück. Die Wände kamen ihm enger vor, die Luft drückte auf seine Brust. Sein Atem wurde schneller, verzweifelter. Er spürte Coda, seinen Wolf, schwach und weit entfernt, aber ... keine Reaktion. Normalerweise hätte er sich in seiner Not verwandeln können, die Kette durch pure Wolfsstärke sprengen können, aber jetzt ... nichts. Ein Gefühl der Ohnmacht überrollte ihn, das sich in seinen Gliedern festsetzte, schwer und lähmend. Coda war da, aber wie hinter einem unsichtbaren Vorhang, unzugänglich und still.

»Coda, bitte...«, flüsterte Sam leise, seine Stimme kaum mehr als ein Hauch. Die Kälte kroch tiefer in ihn hinein, und er merkte, wie seine Zähne zu klappern begannen. Jede Sekunde, die verging, fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Er zog an der Kette, spürte, wie sich das Metall in sein Handgelenk grub, aber die Kälte war stärker. Sam zitterte, seine Finger taub vor Kälte, während sein Atem kleine Wolken vor seinem Gesicht bildete. Angst kroch in ihm hoch. Wer hatte ihn hierhergebracht? Warum war er allein in dieser Hütte, abgeschnitten von seinem Rudel, von Jay? Sam blinzelte gegen die Dunkelheit an, als sich die Tür knarrend öffnete. Ein Schwall etwas wärmer Luft drang in den Raum, begleitet von schweren Schritten. Er sah die Silhouette, bevor er das Gesicht erkannte: Caden. Das vertraute Knistern von Spannung zog sich durch die Luft, aber diesmal war es anders. Cadens Blick ruhte auf ihm, und anstelle der üblichen höhnischen Verachtung lag Mitleid in seinen Augen. Sam erstarrte, seine Gedanken jagten. Das konnte nicht echt sein. Caden sah anders aus als früher, sein sonst so selbstsicheres Auftreten wirkte gebrochen. Dunkle Ringe lagen unter seinen Augen, als ob er seit Tagen nicht geschlafen hätte. In seiner Hand hielt er einen Metallbecher. Ohne ein Wort näherte er sich dem Bett, sein Blick blieb die ganze Zeit auf Sam gerichtet, als ob er nach den richtigen Worten suchte.

»Du hast zwei Tage geschlafen«, sagte er schließlich, seine Stimme leise und ohne die gewohnte Härte. »I-ich hab mir schon Sorgen gemacht.« Sam schnaubte, seine Kehle rau und trocken.

»Sorgen gemacht? Als ob ich dir das glauben würde.« Caden stellte den Becher auf den Boden neben dem Bett ab, ohne einen weiteren Versuch zu machen, Sams Wut zu besänftigen.

»Es war nicht ich, Sam. Ich war es nicht, der dich hierhergebracht hat.«

»Nein? Wer dann? Dein Vater?« Sams Stimme war bitter, jedes Wort ein scharfer Hieb. Caden nickte, langsam und müde.

VerschlepptWo Geschichten leben. Entdecke jetzt