Feuerfunke - Die Reise beginnt

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Ich hatte diese Reise gewonnen. Wer bucht auch schon eine Busreise zu einem frisch ausgebrochenen Vulkan. Unschlüssig drehte ich die Hochglanzbroschüre in meinen Händen. „Ihr Hauptgewinn: Erleben Sie den Ausbruch des Brockens live!", stand da in goldenen Lettern auf dem Titel.

Auf den Innenseiten war die Anreise mit dem Bus in den Harz nur kurz erwähnt. Dafür wurde in aller Ausführlichkeit die Jeeptour hoch auf den Gipfel beschrieben. Wer hätte geahnt, dass der Brocken, das Nationaldenkmal des Harzes, noch ein aktiver Vulkan ist. Und vorgestern war es dann passiert. Der Ausbruch war monumental. In der Broschüre zeigten die Veranstalter, wie glühende Gesteinsbrocken aus dem Schlund geschleudert wurden. Gleichzeitig wälzte sich die Lava alles vernichtend den Berg hinunter. „Seien Sie hautnah dabei!", versprach der Text. Noch war der Vulkan aktiv. Alle zwanzig Minuten röhrte der Berg und ein Ende war nicht absehbar. Wie hatten die Veranstalter überhaupt so schnell eine solche Reise anbieten können? Und bei welchem Preisausschreiben hatte ich doch gleich mitgemacht? Ich schaute noch einmal auf das Logo. „Die Gipfelstürmer - erklimmen Sie mit uns neue Sphären." Wirklich erinnern konnte ich mich nicht.

Wie bei jedem Gewinn, gab es natürlich auch hier einen Haken. Ich musste die Reise antreten, denn bei Nicht-Teilnahme wurde eine Konventionalstrafe von eintausend Euro fällig. Nun, zumindest war es keine Butterfahrt, also sollten die anderen Reisenden unter dem Rentenalter sein. Vielleicht konnte es ja spannend werden und ich war wie immer chronisch pleite, so dass ich das Risiko einer Geldstrafe nicht eingehen wollte.

Am nächsten Morgen saß ich auf Platz Nummer dreizehn in einem wirklich luxuriösen Reisebus. Verstohlen sah ich mir meine Mitreisenden an. Vorne, gleich neben dem Busfahrer saß unsere Reiseführerin. Sie war von über-irdischer Schönheit. Wenn sie sprach, schien es, als ob reinste Musik ertönte, und alle hingen gebannt an ihren Lippen.

Direkt hinter ihr saß ein junges Paar, welches sich eng aneinander kuschelte. Sie schienen sich die ganze Zeit zu beschnüffeln und abzulecken. Sie war groß, aber doch irgendwie unscheinbar. Er gehörte zu diesen stark behaarten Männern. Sogar aus der Nase und den Ohren quollen ihm ein paar Härchen. Ich schüttelte mich.

Auf der linken Seite war die nächste Bank mit einem Alleinreisenden besetzt. Er war so blass im Gesicht, dass ich annahm, er sei reisekrank. Als er meinen Blick auf sich spürte, verzog er die Lippen. Blitzten da lange Eckzähne hervor? Irritiert wandte ich mich ab.

Ein paar Reihen vor mir hatte eine zierliche, junge Frau mit silbrigen, feinen Haaren Platz genommen. Ihre ganze Kleidung schimmerte in blauen Metallictönen und im Haar trug sie eine Schleife wie ein Schneegestöber. Sie unterhielt sich ganz unverfroren über den Mittelgang hinweg mit einem feingliedrigen, hochgewachsenen Mann. Das einzig Auffällige an ihm waren seine langen Haare, die seine Ohren komplett verdeckten. Ich hörte das wie leise Eiskristalle klirrende Lachen der jungen Frau als Antwort auf die leise Stimme des jungen Mannes. Er hatte ihr wohl gerade ein Kompliment gemacht.

Als nächstes wandte ich meine Aufmerksamkeit den Reisenden hinter mir zu. Da gab es noch eine junge Frau, die aussah, als wäre sie geradewegs einem See entstiegen. Als sie von ihrem Sitz aufstand, verblieb sogar eine kleine Pfütze auf ihrem Platz. In der letzten Bank schließlich lümmelte sich noch ein kleinwüchsiger, etwas untersetzt aussehender älterer Mann mit einem außerordentlichen Bart, in den er die ganze Zeit hineinmurmelte. Nun, das war zumindest eine außergewöhnliche Reisegruppe.

Rätselspiele über den Harz und den Brocken, der ja seit je her als Hexenberg bekannt war, sowie das Video-Entertainment mit Katastrophenfilmen hatte uns in eine erwartungsvolle, aufgekratzte Stimmung versetzt, als wir nach ungefähr dreieinhalb Stunden Fahrzeit endlich im Harz ankamen.

Die Wege wurden jetzt schmaler, die Tannen immer dichter, kaum noch Sonnenlicht fiel auf den Boden. Nicht mehr lange und der Bus hielt. Als wir alle ausgestiegen waren, erwartete uns schon ein ganz passabel aussehender Jeep, dessen geschlossene Ladefläche mit gepolsterten Sitzen bestückt war.

Ich warf einen Blick auf Jimmy, unseren Fahrer. Sein Gesicht lag im Schatten einer Schirmmütze, so dass ich es nicht erkennen konnte. Auch der Rest seines Körpers wurde von langer, weiter Kleidung verdeckt. Um seine Hände hatte er zerfetzte Mullbinden gewickelt. Ein bisschen freaky wirkte er schon. Misstrauisch wurde ich aber erst, als er während der Fahrt geradezu auf zwei riesige Steinformationen zuhielt, zwischen denen nur ein ganz schmaler Spalt blieb. Was tat er denn? Da würden wir niemals durchpassen. Wenn er weiter in dieser Geschwindigkeit darauf zu steuerte, wäre es unser sicherer Tod. Als hätte mir jemand einen überdimensionierten Staubsauger an den Kopf gehalten, verschlankte sich der Jeep zu einer Slimline. Dann war es ebenso schnell wieder vorbei und schon hatten wir den Spalt passiert. Ungläubig blickte ich noch einmal zurück. Doch der Spalt war schon zu weit in der Ferne. Im Rückspiegel blickte ich direkt in Jimmys aufblitzende Augen. Schien es nur so, oder quollen ihm die Augen aus den Höhlen? Ich hatte das Gefühl in dunkle Löcher zu blicken und sein Schädel wirkte mit einmal völlig fleischlos. War vielleicht irgendetwas in dem Erfrischungsgetränk, welches wir bei Beginn der Fahrt erhalten hatten?

Während ich noch darüber nachdachte, wurde es immer wärmer, geradezu unnatürlich heiß, dabei lief die Klimaanlage bereits auf Hochtouren. Serena, unsere Reiseleiterin, wandte sich mit ihrer hellen, melodischen Stimme an die junge Frau vor mir: „Nives, würdest Du bitte...". Nives streckte einmal kurz ihre Hand aus und es war, als überzöge uns alle eine glitzernde Kristallschicht. Ungläubig befühlte ich meine Haut. Das sah nicht nur wunderschön aus, sondern brachte auch eine frische, kühlende Erleichterung. Ich starrte Nives an. Doch diese zeigte nach vorne und wir wandten alle unsere Köpfe in Richtung ihres ausgestreckten Fingers.

Ein unglaubliches Schauspiel bot sich unseren Augen. Der Wald um uns herum brannte, der Horizont leuchtete tief orange und darüber jagte eine glühende Wolke, in der sich mal ein schwarzer, spitzer Hut erkennen ließ oder auch das Ende eines Reisigbesens. Einmal glaubte ich auch ein Staubsaugerrohr aufblitzen zu sehen. Es wurde immer verrückter.

Ein Totenschädel, der einen Jeep lenkt, eine Eisprinzessin, die unseren Wagen abkühlt und jetzt noch so etwas wie eine Wilde Jagd am Himmel. Skeptisch blickte ich noch einmal auf mein Erfrischungsgetränk.

Wie alle AutorInnen hier freue ich mich natürlich über Eure Anmerkungen und vor allen Dingen auch Anregungen. Ich werde versuchen, das eine oder andere im Verlauf der Geschichte einzubauen.

Ich werde in unregelmässigen Abständen weiter veröffentlichen, solange bis die Reise zu Ende ist. Wer schon vorher neugierig ist, kann unter www.wort-kaskade.de schauen, wo die Geschichte schon immer einen Schritt weiter ist.



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